Sonntag, 22. Oktober 2017

794 Die Tür ins Licht

Ich sitze in dem großen, lauten Saal. Ein Fest findet statt. Ein schönes Fest, mit lieben Menschen und in schöner Stimmung, Musik und Stimmengewirr. Ich verstehe fast nichts von dem, was da geredet  wird. Mein joblädiertes Gehör kommt da nicht mehr richtig mit. So sitze ich da wie eine kleine Insel im Geräuschesee und dem Hin und Her von Begrüßungen, Fragen, Antworten.
Viele Menschen kenne ich nicht; und die, die ich kenne, kennen sich schon viel länger. Ich habe mit ihnen keine gemeinsame Vergangenheit; ich bin der Hinzugekommene, nicht der in diesem Biotop Gewachsene.

Das macht alles nichts. Ich sitze da und schaue. Nur beim Gedanken, daß sie alle in Leben und Arbeit erfolgreicher sind, kommt eine leise Wehmut auf – was hätte ich mit ihnen zu besprechen?  Erfolge kann ich keine aufweisen – aber ich lasse dieses Gefühl wieder verwehen.

Ich sitze da und schaue umher. Das Licht im Raum ist gelb und warm; es wirkt ein wenig gedämpft und hält so alles zusammen.
An der Stirnseite des Saales ist eine unauffällige Tür, durch deren Ritzen ein starkes Licht drängt.
Immer wieder gehen Leute durch diese Tür. Wenn die Tür offen ist, sieht man ein helles, weißes, starkes Licht. Dieses helle, weiße, starke Licht fesselt meine ganze Aufmerksamkeit und beginnt mich immer tiefer zu berühren. Ich starre mit angehaltenem Atem auf das Licht und wenn die Tür geschlossen ist, versuche ich durch die Ritzen und Spalten etwas von diesem Glanz zu erhaschen.
Wenn die Leute hinausgehen, ist es, als gingen sie in die Unendlichkeit; sie leuchten auf und sind nach ein paar Schritten im Licht verschwunden.
Wenn sie hereinkommen, sind sie zuerst noch im Licht, dann verdunkeln sie sich. Das ist ein unpassender Vorgang, warum tragen sie nicht das Licht mit herein, warum verlieren es so schnell? Das hat etwas Enttäuschendes. Nur bei Kindern nicht. Wenn Kinder hereinkommen, wirkt das normal und glaubwürdig auf mich, denn sie bleiben irgendwie hell.

Ich achte nicht mehr auf das, was im Saal vorgeht; ich sitze allein am Tisch und starre auf dieses Licht und große Sehnsucht erfüllt mich, sodaß mir fast die Tränen kommen. Ich bin nicht unglücklich. Etwas Großes erfaßt mich und ich will nach dem Licht ausgreifen. Etwas in mir, das vielleicht mit Demut zu tun hat, vielleicht aber auch mit Angst, weiß, daß ich noch warten muß. So spüre ich nur diese erhebende Sehnsucht und genieße den Anblick des Lichts.

Immer wieder gehen Leute durch diese Tür hinaus und kommen wieder herein. Dieses strahlende Licht hinter der Tür sauge ich mit all meiner Seelenkraft auf.

Wie bin ich froh, daß ich jetzt allein bin! Ich schaue und schaue. Wenn jemand auf die Tür zugeht, warte ich schon auf das aufstrahlende Licht und wie der Mensch sich im Leuchten verliert und ich gerate in einen Zustand zwischen Traum und Wirklichkeit.
Da geht auch meine Frau hinaus und wird vom Licht verschluckt. Ein kleiner, kurzer Schock, der mich aus meiner Meditation herausreißt, doch dann denke ich mir, sie wird wiederkommen. Schnell finde ich wieder in meinen Schwebezustand zurück.
Da, meine Tochter! Jetzt schaue ich weg. Dann knüpfe ich wieder an den vorigen Zustand an.

Oh, dieses Licht! Dieses Licht! Es ist das schönste Licht, das ich je gesehen habe.

Jetzt gehe ich selber durch diese Tür ins Licht – entschlossen und mit einem kraftvollen Griff mache ich die Tür auf – und folge einem hellen, langen Gang, mit schönem Bretterboden; Ah! Dort hinten ist das Klo.

Wie ich zurückgehe, merke ich, daß bei der Tür einiges Zeug herumliegt und frage mich kurz, ob beim Hineingehen zurückgelassen, oder fürs Hinausgehen vorbereitet. Dann entscheide ich mich, dieses Bild nicht überzustrapazieren und bereite mich innerlich auf das Durchschreiten der Grenze vor.
Ich höre schon durch die geschlossene Tür den fröhlichen Lärm der Welt und bin ein wenig aufgeregt, als ich die Tür öffne und in den nun dunkel, aber heimelig wirkenden Saal trete. Im Bruchteil einer Sekunde ist alles wieder normal. Ich setze mich und starre wiederum das Licht an.


Der Heimweg vom Fest geht durch den Nebel. Ich genieße das. Die Lichter der Straßenlaternen und die bewegten Scheinwerfer der Autos sind gedämpft, von einer milchigen Aura umgeben und manchmal teilt sich das Licht in richtige Strahlen. Die Schatten werfen sich auf mich zu und werden immer länger und länger. Die Bäume im Park, an dem wir vorbeigehen, wirken ein wenig verhüllt, was aber ihre schwarzen Stämme, Äste und Zweige klarer hervortreten läßt. Diese Wanderung durch die Stadt ist wunderschön; selbst die Autos, diese Zerstörer der Welt, bekommen etwas Überirdisches. Auch die Geräusche sind verändert, ein wenig klingen sie wie aus einer anderen Dimension.

Ich bin noch nicht auf meinem Weg ins Licht. Das Wesen, das neben mir geht, sagt, es wäre ihm kalt und es wäre müde.

Ginge mein energetischer Zwilling neben mir oder mein Schutzengel, er würde sagen: „Komm! Komm! Geh weiter! Hinter dem nächsten Hügel wartet schon die Herrlichkeit!“









(21./22.10.2017)














©Peter Alois Rumpf    Oktober 2017     peteraloisrumpf@gmail.com

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