787 Gitarrensolo
Aus einem Traum in die Wachheit gescheucht liege ich da und
kann nicht mehr einschlafen. Mein Herz klopft in leichter Aufregung, mein Hals
tut sich mit dem Runterschlucken der Spucke schwer, mein Gehörsinn fährt noch
Traumgeisterbahn und nimmt zu neunzig Prozent bloßes Surren auf.
Ich stopfe mir die Pölster in den Rücken und drehe meine
Schreiblampe auf. Schreiben ist mein einzig verbliebener Lebenszweck, ist meine
einzig verbliebene Überlebenstaktik.
Ein kurzes, inniges Gitarrensolo aus einem Smithssong
wiederholt sich immer wieder in meinem inneren hörenden Seelenraum und drückt
ganz stark mein sehnsuchtsgeladenes, trauerndes Lebensgefühl aus. Ich betone: trauernd!
Ich habe nicht „trauriges“ geschrieben. Traurigsein ist von den
Wohlfühloptimisten und positivistisch-esoterischen Selbstdesignern und
Selbstoptimierern streng verboten worden; Trauern müssen sie
zumindest bis zu einem gewissen Grad akzeptieren.
Da da da da da daaa da, da da da daaa da, … und ein kleines
Stück vom vorhergehenden Gesang von Morrissey hänge ich noch dran „... my
love“.
Dieser Song verknüpft mich immer stärker mit dieser Welt
hier: ich werde mir das Lied noch einmal am CD-Player dort an der Ecke anhören
und das „Da da ...“ auf die rhythmische Korrektheit überprüfen, und ob ich den
Namen Morrissey richtig geschrieben habe, werde ich auf meinem Laptop am
Schreibtisch am Fenster im Internet sicherheitshalber nachschauen. Nichts wäre
peinlicher, als den Namen falsch geschrieben zu haben.
Es beginnt sich der Tag zu strukturieren entlang meines
Planes, wie ich das da fertigschreiben werde. Danke, Schreiben! Zuerst gehe ich
aber noch aufs Klo.
Meine neueren und meine alten, durch jahrzehntelangen
Gebrauch im Gewohntheitsrecht schon in meinen Besitz übergegangenen
Schuldgefühle treiben mich wieder ins Bett zurück. Dort pendle ich dann wie am
Nacken aufgehängt zwischen Wachen und Schlafen, und für eine halbe Sekunde
erscheint mir eine deutliche Erscheinung einer Frauengestalt. Aber nicht die
Mariens, sondern die meines angetrauten Weibes. Irgendeine Botschaft erhalte
ich jedoch nicht.
Komm! Steh jetzt auf! Beginne dein Tageswerk: Lied anhören,
Name überprüfen.
(16.10.2017)
©Peter Alois Rumpf Oktober 2017
peteraloisrumpf@gmail.com
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