Mittwoch, 4. Oktober 2017

779 Der Mettenjodler oder mein Herz geht mir über

Wieder einmal eine große, eine riesengroße Ausstellung in einer riesigen Halle. Wie auf einer Kunstmesse. Ich bin auch mit einigen Bildern vertreten. Ich erinnere mich, daß ich die Malerei einmal aufgegeben hatte. Ich weiß jedoch nicht, ob diese Bilder hier von vor der döbranitischen Verurteilung stammen oder von nachher.

Die Ausstellung scheint vorbei zu sein, denn es wird abgebaut. Ich suche meine Arbeiten zusammen. Alle auf Papier. Sie gefallen mir sehr. Jemand hilft mir und legt weitere Arbeiten auf meinen Stapel. Sie sind kleiner als die anderen und sie gefallen mir außerordentlich. Ich kann mich zunächst gar nicht an sie erinnern und bin unsicher, ob das wirklich meine Bilder sind – überhaupt schwebt die ganze Zeit so eine Unsicherheit über der ganzen Szenerie, als könnte ich mich in diese Wirklichkeit nicht richtig einloggen. Als es aber klar zu sein scheint, daß das meine Bilder sind, freue ich mich sehr. Ich werde langsam stolz auf mein Werk. (Döbereiners Verurteilung sitzt mir trotzdem noch im Nacken.) Wer mir geholfen und die kleineren Bilder hergebracht hat, fällt mir nicht mehr ein. Ich weiß nur, das war ein enger, guter Freund. Ich bin ganz nahe daran, mich an ihn zu erinnern, ich sehe schon die Gestalt, noch dunkel verhüllt, fast schwarz neben mir, ich fühle schon die Antwort, aber sie ploppt nicht auf.

Diese Halle macht den Eindruck einer riesigen Meisterklasse; viele, viele Künstler schwirren umher. Der Raum ist sehr hoch, aber herunten gibt es Trennwände, die kleinere Einheiten bilden, aber diese nie gänzlich abschließen. Es gibt keine geschlossenen Räume mit Türen. Alles bleibt offen.

Ich bin so stolz auf meine Bilder, sie gefallen mir so gut. Ich staune über mein Werk und freue mich. Ich gehe herum und suche noch die restlichen Bilder. Manchmal finde ich in der riesigen, labyrinthartigen Halle nicht gleich zu meinem Platz zurück und frage mich, ob ich jetzt wirklich beim richtigen Stapel stehe. Aber diese Unsicherheitswellen werden nicht so dominant, daß sie das glückliche Traumbild zerstören können.

Das war eine immens große Ausstellung und viele, vor allem junge Künstler und Künstlerinnen tragen ihre Werke zusammen. Wie in einem Bienenstock geht es zu. Mein Herz geht mir über und ich stimme den Mettenjodler an. Ich gehe davon aus, daß den die Jungen nicht kennen. Aber erstaunlicherweise fallen viele Stimmen mit in den Gesang ein. Wir singen immer nur die erste Zeile. Ich versuche, weiter zu singen, aber finde den richtigen Ton nicht. Eine Art Lehrerin dieser Meisterklasse oder Supervisorin dieser Ausstellung, die auf einem etwas erhöhten Podest hinter einem Schreibtisch sitzt, die Schreibtischlampe aufgedreht, die ein warmes, gelbes Licht aussendet, das um die Dame herum eine warme, leuchtende Kugel bildet, diese Dame beginnt also, sehr gekonnt und präzise zu dirigieren. Ich singe aber immer am Schluß der ersten Zeile, die ich ständig wiederhole, einen durchaus schönen, aber nicht den richtigen Ton. Deswegen finde ich den Einstieg in die zweite Zeile nicht und versuche es immer wieder. Ich sage es selber und komme nicht und nicht weiter.

Ich werde doch neuerlich etwas unsicher, denn ein ländliches und stockkatholisches Kirchenlied, das eigentlich nur während der Wandlung bei der Christmette zu Weihnachten gesungen werden dürfte, auf einer Kunsthochschule? Wie kommt das an? Einmal eine Zeile, das mag ja noch hingehen, aber ich höre ja nicht auf. Schließlich geben sich die meisten hier als junge Wilde. Sozialpsychologisch gesehen, nicht unbedingt kunstgeschichtlich.

Plötzlich ist die Riesenhalle schon fast menschenleer und die Beleuchtung wird abgedreht. Alle scheinen ihre Arbeit schon beendet zu haben, nur ich nicht. Ich habe noch nicht alles zusammengesucht. Oder doch? Ist der Stapel schon fertig? Ich bin hintennach und werde langsam nervös.








(4.10.2017)













©Peter Alois Rumpf    Oktober 2017     peteraloisrumpf@gmail.com

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