776 Mein erstes Mal
Um es gleich vorwegzunehmen: mein „erstes Mal“ hat unter
desaströsen Umständen stattgefunden. Es hatte nichts damit zu tun, daß ich mich in eine Frau verliebt hätte
und dann die Dinge ihren halbwegs „natürlichen“ Lauf genommen hätten;
nein, es war ganz anders.
Wie schon oft beschrieben war ich in meiner Jugend und als
junger Erwachsener ein äußerst schüchterner Mensch. Voller Selbstzweifel,
gehemmt, kontaktscheu, unselbständig, unsicher bis ins Extrem, unreif,
weltfremd – sozusagen ein unreiner tumber Tor. Vor Frauen hatte ich Angst. Wenn
eine Situation auch nur im Entferntesten in Richtung Se ... ach was! in
Richtung irgendeiner harmlosen Form von Zweisamkeit ging, oder auch nur wenn ich
in Richtung Sex dachte – und vor diesem Hintergrund dachte ich dauernd an Sex,
auch wenn das eine reine Projektion war und nichts mit der Frau zu tun hatte –
dann konnte ich kaum reden, stotterte herum oder verstummte überhaupt. Ich war
zum Beispiel nicht dazu in der Lage, mit einer Bekannten, einfach so und
entspannt und harmlos ins Kino zu gehen. Mein Kopf war voll von Sex und somit
konnte ich erst recht nichts davon ins Leben bringen. Ich war wirklich viel zu
verkrampft, viel zu verschreckt, viel zu schüchtern.
Ich rede von meiner Grazer Zeit (1972 – 1978), die ich schon
öfters beschrieben habe, in der ich mich viel in Lokalen herumgetrieben habe.
Wegen meiner Jungfräulichkeit war ich verzweifelt. Ich wurde zwanzig: immer
noch „Jungfrau“. Ich wurde einundzwanzig: immer noch „Jungfrau“. Was für eine
Schande! Was für ein Versagen!
In der mehr oder weniger linken, jedenfalls vom Aufbruch der
Achtundsechzigerjahre geprägten Szene, in der ich mich bewegte, vor allem den
engeren Freunden, blieb das nicht verborgen. Ich jammerte auch genug herum, und
vor allem wenn ich betrunken war – und das war ich oft – rutschte mir dann
Einiges über mein Elend heraus, auch wenn ich mich nachher dafür schämte. Es
sprach sich im Freundeskreis herum: der Rumpf hat Probleme, weil er noch nie
mit einer Frau geschlafen hat.
Jetzt muß ich eine Zwischenbemerkung machen um etwas zu
verdeutlichen: es schaut so aus, als ob es mir mehr darum gegangen wäre, eine
äußere Anforderung – ein Mann im Alter von XY muß mit einer Frau
geschlafen haben – zu erfüllen, als wirklich auf meine Bedürfnisse einzugehen
und mein Leben zur Entfaltung zu bringen; zumindest hat diese Außenstellung die
Wahrnehmung meiner echten Bedürfnisse hinter dieser fixe Idee verstellt. Das
seelische Elend ist das eine, diese äußere Anforderung aber etwas ganz anderes.
Und es ist äußerst naiv, zu glauben, daß die endliche Erfüllung dieser
Anforderung meine psychischen und sozialen Probleme hätte lösen können. Der
gangbarere Weg wäre umgekehrt gewesen: von einer gute Therapie zu einer
größeren Lebenstüchtigkeit. Es hat schon ein paar wenige Versuche meinerseits
gegeben, mir professionelle Hilfe zu holen, und zwar überhaupt, nicht nur wegen
dieses Problems - schließlich war ich ja gerade dabei, mein Studium aufzugeben
und wußte existentiell überhaupt nicht, wohin mit mir - aber diese
therapeutische Szene war damals noch sehr unterentwickelt und ich bin auch
nicht an wirklich gute Therapeuten geraten. (Sollte da ein wenig Hochmut zum
Vorschein kommen?) Als ich mich zum Beispiel endlich und nach der Überwindung
innerer und äußerer Widerstände – für die Achtundsechzigermachos, an denen ich
mich orientierte, war therapeutische Hilfe anzunehmen eine Schande und ein
absolutes No-Go – einer Therapeutin einer kostenlosen Beratungsstelle für
Studenten – die Kosten waren ja auch ein wichtiger Faktor - anvertraute, sagte sie mir am Ende des
Gesprächs, daß sie demnächst diese Beratungseinrichtung verlassen wird und
jemand anderer ihre Stelle einnehmen wird. Ich war aufgenommen, aber habe es
nicht mehr geschafft, nocheinmal von vorne zu beginnen, nocheinmal zu jemandem
wenigstens ein Basisvertrauen aufzubauen und bin nie mehr hingegangen.
Es hat viele Frauen gegeben, die mir gefallen haben –
zumindest aus der Distanz – aber in der Regel habe ich mich so unterlegen
gefühlt, daß ich keine Chance gesehen habe - meistens wohl zu recht. Und wenn
sich doch „irgendwie“ eine Chance angedeutet hat, bin ich blockiert gewesen,
habe Angst bekommen, bin verstummt, jedenfalls bin ich nicht weitergekommen.
Der lockere Umgang war wirklich nicht meins.
Ständig jedoch bin ich mit dem inneren Mantra herumgelaufen:
ich habe noch nie mit einer Frau geschlafen; ich muß mit einer Frau schlafen;
ich habe noch nie mit einer Frau geschlafen; ich muß mit einer Frau schlafen …
Eine Technik, wie geschaffen dafür, das Problem um Potenzen zu verstärken.
Wenn ich jedoch unter Alkoholeinfluß etwas lockerer wurde
und ich doch „weiterkam“ - spätestens wenn es ernst wurde und der eigentliche
Spaß losgehen sollte, war es vorbei und ich konnte meinen Mann nicht stehen
(Vgl. z.B. hier in der Schublade Nr. 85 „Als ich dem Bauer ...“). Meine
Versagensängste und die Unsicherheit waren größer und meine schon peinliche
Weltfremdheit haben das noch verstärkt. Ich hatte ja tatsächlich vom Tuten und
Blasen keine Ahnung.
Also gut, mein Umfeld wußte: der Rumpf leidet, und wenn
nicht bald etwas passiert, versauft er sich völlig.
Ratschläge gab es, nachträglich wundere ich mich über deren
Naivität und psychologische Blindheit, aber sie waren gut gemeint. Auch zwei,
drei letztlich demütigende Versuche, mich zu verkuppeln, gab es. Man glaubte in
diesen Kreisen damals ja wirklich, daß Sex alle Wunden heilt, während in
Wirklichkeit mein Problem viel tiefer lag, nämlich, daß ich – in autoritären
Verhältnissen aufgewachsen und gebrochen - von meinem wahren Selbst nichts
wußte, nichts spürte und dadurch orientierungslos extremst außengeleitet war.
Ich kannte mich selbst nicht, wußte nicht, was ich will und konnte nicht „ja“ oder
„nein“ sagen. Damit war ich auch für jede und jeden, und erst recht in einer
Liebesbeziehung, kein wirkliches Gegenüber. Die Ablehnung war also durchaus
gerechtfertigt.
Nun, einmal zum Beispiel wurde sehr plump versucht, mich,
den Loser, mit einem weiblichen Pendant, einer Loserin, zusammenzubringen.
Zufällig besuchte ein Obergenosse diese arme Frau, und zufällig lud er mich
ein, mitzukommen. Dort dann - nach einer kurzen auffällig unauffälligen
Wartefrist - hatte er zufällig plötzlich einen dringenden Termin und mußte
sofort weg. Mich wollte er überreden, bei dieser Frau noch auf einen Kaffee zu
bleiben, aber ich war not amused, und sie – da bin ich mir sicher – auch nicht.
Ich habe mich mit Händen und Füßen gewehrt dort zu bleiben und bin – auch unter
verlegenem Vorbringen irgendwelcher Ausreden - mit ihm weg. Eine schöne,
gutgemeinte Idee: wir spannen Loser und Loserin zusammen!, aber völlig daneben.
Diese Frau, damals in etwa so – ich weiß nicht, ob verklemmt, oder sonstwie
irgendwie unbeholfen wie ich, aber auch – wie ich - vom Gerede von Freiheit und
(sexuellem) Aufbruch infiziert - war in einen Obergenossen verliebt, einem
großen Anhänger von Franco Basaglia, mit großer Klappe und ständig einem großen
Schwarm hübscher Bewunderinnen und Verehrerinnen um sich, bei dem sie jedoch –
als Frau etwas unansehnlich wirkend – genauso wie ich mutatis muntandis als
Mann bei den begehrten Frauen – keine Chance hatte. Der hat natürlich nicht zu
ihr gesagt: du interessierst mich nicht! Du bist mir zu unattraktiv! (wie ich
auch nicht, aber ich war ja kein angehender Psychologiestar), sondern hat mit
ihr lieb und freundlich geredet: ich verstehe dich, aber ich bin halt (leider!)
nicht in dich verliebt und so weiter (ha, ha, ha, ha).
Man darf aber nicht übersehen, daß die Loser und Loserinnen
als fast unvermeidliche Kompensation ihres beschädigten Selbstwertgefühls
heimlich einen unheimlichen Größenwahn hegen und nicht mit ihresgleichen
abgespeist werden wollen. Was sollen denn zwei miteinander anfangen, wenn sie sich
von einer Begegnung Rettung, Erlösung und psychosozialen Aufstieg und Ansehen
erhoffen?
Zurück zur Geschichte. Ich bin eines Tages wieder einmal wie
fast jeden Abend im Glockenspielkeller, trinke, rauche, als ich merke, daß eine
Frau immer wieder zu mir herschaut. Ich kannte sie, weil ein
Wohngemeinschaftsgenosse meiner ersten WG eine zeitlang mit ihr in einer
Liaison war, aus der er übrigens nicht schmerzfrei herauskam respektive
geworfen wurde – leider hatte besagter Freund in unserer WG ein Durchgangszimmer,
sodaß ich einmal in der Nacht auf dem Weg zum Klo durch sein Zimmer latschte
und seither sagen konnte, daß ich den nackten Hintern der Schönen gesehen habe.
Diese Frau war von vielen Männern begehrt. Vielleicht sollte
ich dazusagen, daß sie schon etwas Undinenhaftes, ja Männerverführendes an sich
hatte und – zumindest mit mir – wie sich noch herausstellen sollte – eine
verniedlichende Prosa pflegte mit viel Geflüster und Mäuslein und so. Bei
soetwas fühle ich mich schnell überfordert und es ist mir unangenehm und macht
mich verlegen.
Wie auch immer, ich stehe halt im Glockenspielkeller herum –
da war es ja nicht so, daß man fix an einem Tisch gesessen ist, sondern man ist
herumgegangen, hat sich einmal zu denen gestellt um zu plaudern und sich dann
zu diesen an den Tisch gesetzt, ist nach einer Zeit wieder aufgestanden und zu
einer anderen Gruppe und so weiter. Ich merke, die Dame schaut immer wieder zu
mir her. Ich denke mir nichts dabei, denn für mich war klar, daß ich – mit meinem niederen sozialen Status
(innerhalb der Szene! Vom Reichtum oder dickem Auto rede ich jetzt nicht!) und
schüchtern wie ich bin – nicht in ihr Beuteschema passe. Ich werde schon mit
ihr ein paar Worte gewechselt haben – leicht betrunken und ohne Erwartungen und
Hoffnungen ging das schon – aber habe immer gleich, wenn irgendwelche Männer
sie angesprochen haben – und das taten viele -
meine Schwanz eingezogen und habe nicht geredet oder bin zu einer
anderen Gruppe gewandert.
Zu später Stunde kommt dann diese Frau zu mir und sagt, daß
sie jetzt nach Hause fahre und drückt mir einen Schilling in die Hand. Ich
schaue sie völlig verständnislos an, möglicherweise mit offenem Mund, und kenne
mich überhaupt nicht aus. „Wofür soll das sein?“ frage ich sie ungläubig.
„Damit du mich dann aus einer Telefonzelle anrufen kannst. Ruf mich in einer
halben Stunde an!“
Ich bin komplett perplex, sie rauscht ab. Ich warte brav
eine halbe Stunde und rufe dann gehorsam, aber immer noch ungläubig an. „Komm
zu mir!“, sagt sie am Telefon. Sofort nehme ich ein Taxi und fahre zum Hochhaus
schon weiter draußen über der Mur drüben, in dem sie so auf mittlerer Höhe oder
noch weiter oben wohnt. Wir landen im Bett, aber mir ging das viel zu schnell
und soviel war mir unklar. Ich konnte es noch immer nicht glauben, daß sie an
mir interessierst ist und deshalb wollte ich nur … ja wie sage ich das? … ich
wollte noch nicht vögeln beziehungsweise traute mich noch nicht. Ich war ja
total verunsichert. Das ging dann so ein paar Tage.
Einmal kam sie zu mir und als wir wieder so herumschmusten
und ich wieder davon lamentierte, daß ich noch etwas Zeit bräuchte, sagte sie
einfach, daß es jetzt Zeit ist und und und … - viel gibt es nicht zu erzählen,
denn ich war ja mehr in meinem Kopf als in meinem Leib - aber ich hatte ihn drinnen gehabt. Das Ganze
war schon sehr erbärmlich, ich war viel zu schnell gekommen, aber sie tat so,
als hätte es ihr gefallen. Und ich konnte sagen: ich habe mit einer Frau
geschlafen.
Natürlich hatte ich diese Geschichte völlig mißverstanden,
in meiner schon unerlaubten Naivität dachte ich, sie wäre doch an mir
interessiert, ich glaubte wirklich, wir wären jetzt – so irgendwie - zusammen. Oh ich hoffnungsloser Narr! Wie muß
ich ihr damals auf die Nerven gegangen sein! Ich rief an, ich besuchte sie
dauernd, hängte bei ihr nichtstuend herum, während sie nach ihrer Arbeit für
die Abendmatura lernte. Und ich verstand nichts. Oh Gott! Manchmal wunderte ich
mich, daß die halbe Grazer Literaturszene bei ihr auftauchte, manchmal in
Rudeln, und ich kannte mich immer noch nicht aus.
Damit es kein Mißverständnis gibt: sie war freundlich und
nett zu mir, hat meine aufdringliche Anwesenheit, meine Anrufe, meine dummen
Fragen geduldig ertragen. Aber bald darauf tingelte ich mehrere Wochen durch
Skandinavien. Von dort schrieb ich ihr seitenlange Briefe, in denen ich – ...
nichts sagte. „Deine Briefe sind leer“, sagte sie mir später, „ich sehe und
spüre nicht, was du mir sagen willst.“ Und sie hatte recht. Seitenlange
nichtssagende Beschreibungen, Texte eigentlich, in denen ich meine
Beziehungslosigkeit versteckte; zu ihr redete ich nicht. Wie sollte ich auch,
dieses Verhältnis, nicht einmal das richtig: dieses Pseudoverhältnis war doch
eine Kopfgeburt; und ich selber war niemand. Aber nicht wegen meines geringen
sozialen Status, sondern weil ich nicht ich selber war, weil ich mich nicht
kannte, nicht wußte, was ich will, nicht wußte, was ich fühle, weil ich eine
leere Existenz war, ohne Substanz. Ich versuchte doch nur verzweifelt eine
Rolle zu spielen, die gar nicht zu mir paßte; so wie ich glaubte, daß ein
cooler Typ sein soll und war dadurch umso weiter davon entfernt. Oh mein Gott,
wie erbärmlich! („Cool“ hätte man übrigens damals noch nicht gesagt.)
Ein anderer Mann war jetzt öfter an ihrer Seite und allmählich
begriff ich schon, daß ich ausgespielt hatte und ich zog mich zurück. Bei
zufälligen Treffen, bei denen sie immer sehr freundlich und nett war, war ich
immer sehr verlegen, peinlich berührt und wurde jedesmal rot.
Erst Jahre später ist mir etwas eingefallen; oder soll ich
sagen: aufgefallen? Freund P. war eine imposante Persönlichkeit, stark,
furchtlos, ein großer, begnadeter Frauenheld (er hat es einmal geschafft, in
einem Cafe mit drei Frauen zu sitzen, von denen jede glaubte, er wäre ausschließlich
ihr Freund, und nach diesem Kaffeehausbesuch glaubten das alle drei immer
noch), wie man sieht ein großer Zyniker und von mir überaus bewundert. So muß
man sagen, daß diese Freundschaft nicht ausgewogen war, denn er war
lebenstüchtig, welterfahren und so weiter, ich aber das Gegenteil; eher war er
ein wohlwollender älterer Freund oder älterer Bruder. Zu seinem engsten
Freundeskreis zählte ich nicht, zu recht nicht, aber ich gehörte zum
erweiterten Umkreis.
In der Phase, wo sich alle um mich wegen meiner
Frauenprobleme Sorgen machten - und vielleicht auch, weil ich bei einem Fest
bei Freund P. zuhause im volltrunkenen Zustand schon zusammengebrochen seiner
festen Freundin - einer feinen und sensiblen Frau, die sich auf diesem
Männergelage und überhaupt in dieser Machowelt verloren gefühlt haben muß und
wohl als einzige gesehen hat, wie verloren ich selber hier in diesem Umfeld war
und wie hilflos ich den betrunkenen Clown machte - weil ich also seiner
Freundin, als sie sich helfend über mich beugte, zärtlich, aber eigentlich
nicht in sexueller Absicht den Busen streichelte, indem ich ihr einfach unter
die Bluse gegriffen hatte. Eine etwas schräge, aber dennoch eher
freundschaftliche Geste, die sich diese liebe Frau auch gefallen ließ, eine
Geste, die mehr damit zu tun hatte, daß zwei verlorene Seelen einander ihr
Mitgefühl ausdrückten, denn auch sie war, was seine Welt und Eskapaden betraf –
so hatte ich den Eindruck – von großer Unschuld und Naivität und irgendwie
daneben und bekam seine Manöver nicht wirklich mit. Aber wie alle Machos und
permanenten Seitenspringer war er da, bei seiner festen Freundin, sehr
eifersüchtig und stellte mich ein paar Tage später – im vollsten
Mißverständnis, was diese meine „Liebesbezeugung“ betraf – in seinem Auto zur
Rede - nicht ohne daß ich jetzt auch bei ihm einen Anflug von Unsicherheit
registrieren zu können glaubte, eine Beobachtung, die aber dann in meiner
großen Bewunderung für ihn gleich wieder untergegangen ist – die unangenehme
Situation im Auto überstand ich mit Gemurmel und Ausreden auf die Trunkenheit.
In dieser Phase hat er mir dann einmal gesagt: „Ich weiß, daß du Probleme hast,
weil du noch nie gevögelt hast. Ich habe jetzt mit einer Frau gesprochen, der
habe ich erzählt, daß du sie verehrst, aber zu schüchtern bist, sie
anzusprechen. Sie kennt dich ein wenig und ist durchaus interessiert und wäre
bereit, mit dir einmal auszugehen. Wenn du willst, dann ...“ Empört lehnte ich
ab! Empört! – und durchaus ein wenig geschmeichelt, auch deswegen, weil er
offensichtlich bereit war, für mich das zu tun, und ein Treffen mit einer Frau
aus seinem riesigen Harem zu arrangieren. Und wer weiß, vielleicht hatte die
Empörung mehr mit meiner Angst zu tun.
Meine Idee Jahre später war: könnte es nicht sein, daß
Freund P. gedacht hat, das werde ich jetzt geschickter angehen – und er war ein
Meister der Manöver im Hintergrund – die Grazer Politik könnte davon ein Lied
singen – und er hinter dem plötzlichen Interesse dieser schönen Frau an mir,
dieser ersten Frau, mit der ich dann so irgendwie geschlafen und somit die so
stark empfundene Anforderung an einen erwachsenen Mann so irgendwie erfüllt
hatte, als Regisseur im Hintergrund gesteckt hat? Kann es sein, daß er sie auf
mich angesetzt hatte? Die Idee ist mir gekommen, weil mir wieder eingefallen
war, daß meine vermeintliche Freundin damals in „meiner“ Zeit einmal so
nebenbei eine Bemerkung fallen gelassen hatte, daß P. bei ihr an der Tür
geläutet habe und ich – schon ein wenig alarmiert und eifersüchtig besorgt –
nachgefragt hatte, was er denn von ihr gewollt habe und sie darauf so getan
hatte, als könne sie sich nicht mehr erinnern. Ja und ihr Interesse an mir habe
ich ihr letztlich nie so recht abnehmen können.
Ja, jetzt paßt alles zusammen! Jetzt paßt alles zusammen!
Mir ist dieser Gedanke, diese Hypothese sofort sehr plausibel vorgekommen und
ich war mir sicher, jetzt endlich alles verstanden zu haben. Und – ich muß
sagen – sie kommt mit immer noch sehr plausibel vor. Aber ich will festhalten,
daß ich nicht weiß, ob es sich wirklich so zugetragen hat. Wie auch immer,
heute lache ich darüber. Obwohl …
Nachdem ich angefangen hatte, so einiges aus meinem Leben
aufzuschreiben, war mir klar, daß ich irgendwann mein „erstes Mal“ - wie auch
noch die eine oder andere Episode - erzählen
werde müssen, aber ich habe es immer hinausgeschoben, weil es mir unangenehm
war, ich nie recht wußte, wie ich das angehen könnte, wie ich das beschreiben
könnte und weil mir das Alles zu unübersichtlich, zu verworren vorgekommen ist.
Aber jetzt gerade habe ich den Roman „Beichte eines alten Narren“ von Bernhard
Hüttenegger gelesen wo an einer Stelle – ich bin mir ziemlich sicher – auch von
dieser Frau die Rede sein könnte. Und da war mit klar: jetzt muß ich es schreiben. Ich
habe das sozusagen als Omen genommen. Es hat mich nämlich sehr aufgewühlt. Ich
wußte nicht, wieviel Gefühle da noch darin gesteckt sind. Lange bin ich wach
gelegen und habe gegrübelt.
Wie ist es mit mir jedoch nach meinem „ersten Mal“
weitergegangen? Zunächst nicht viel anders als vorher, nur daß jetzt der äußerliche Druck geringer war, denn
ich konnte sagen, … ihr wißt schon. Die genaueren Umstände konnte ich ja für
mich behalten.
Als mich zum Beispiel 1977 auf einem Ferienalternativcamp am
Edersee bei Kassel einer der Obergenossen so unbeholfen und ungeschickt
herumstapfen sah, fragte er mich, ob ich denn schon überhaupt einmal mit einer
Frau geschlafen habe. Da konnte ich dann ohne allzu sehr zu lügen sagen: „Ja“. Immerhin.
Er konnte es sich dann nicht verkneifen darauf zu sagen: „Da hast du Glück
gehabt!“ Worauf ich antwortete: „Ja, da habe ich Glück gehabt.“ Und dabei will
ich es – trotz allem – belassen.
(28.9 – 1.10.2017)
©Peter Alois Rumpf Oktober 2017
peteraloisrumpf@gmail.com
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