Sonntag, 1. Oktober 2017

776 Mein erstes Mal

Um es gleich vorwegzunehmen: mein „erstes Mal“ hat unter desaströsen Umständen stattgefunden. Es hatte nichts damit zu tun, daß ich mich in eine Frau verliebt hätte und dann die Dinge ihren halbwegs „natürlichen“ Lauf genommen hätten; nein, es war ganz anders.

Wie schon oft beschrieben war ich in meiner Jugend und als junger Erwachsener ein äußerst schüchterner Mensch. Voller Selbstzweifel, gehemmt, kontaktscheu, unselbständig, unsicher bis ins Extrem, unreif, weltfremd – sozusagen ein unreiner tumber Tor. Vor Frauen hatte ich Angst. Wenn eine Situation auch nur im Entferntesten in Richtung Se ... ach was! in Richtung irgendeiner harmlosen Form von Zweisamkeit ging, oder auch nur wenn ich in Richtung Sex dachte – und vor diesem Hintergrund dachte ich dauernd an Sex, auch wenn das eine reine Projektion war und nichts mit der Frau zu tun hatte – dann konnte ich kaum reden, stotterte herum oder verstummte überhaupt. Ich war zum Beispiel nicht dazu in der Lage, mit einer Bekannten, einfach so und entspannt und harmlos ins Kino zu gehen. Mein Kopf war voll von Sex und somit konnte ich erst recht nichts davon ins Leben bringen. Ich war wirklich viel zu verkrampft, viel zu verschreckt, viel zu schüchtern.

Ich rede von meiner Grazer Zeit (1972 – 1978), die ich schon öfters beschrieben habe, in der ich mich viel in Lokalen herumgetrieben habe. Wegen meiner Jungfräulichkeit war ich verzweifelt. Ich wurde zwanzig: immer noch „Jungfrau“. Ich wurde einundzwanzig: immer noch „Jungfrau“. Was für eine Schande! Was für ein Versagen!

In der mehr oder weniger linken, jedenfalls vom Aufbruch der Achtundsechzigerjahre geprägten Szene, in der ich mich bewegte, vor allem den engeren Freunden, blieb das nicht verborgen. Ich jammerte auch genug herum, und vor allem wenn ich betrunken war – und das war ich oft – rutschte mir dann Einiges über mein Elend heraus, auch wenn ich mich nachher dafür schämte. Es sprach sich im Freundeskreis herum: der Rumpf hat Probleme, weil er noch nie mit einer Frau geschlafen hat.

Jetzt muß ich eine Zwischenbemerkung machen um etwas zu verdeutlichen: es schaut so aus, als ob es mir mehr darum gegangen wäre, eine äußere Anforderung – ein Mann im Alter von XY muß mit einer Frau geschlafen haben – zu erfüllen, als wirklich auf meine Bedürfnisse einzugehen und mein Leben zur Entfaltung zu bringen; zumindest hat diese Außenstellung die Wahrnehmung meiner echten Bedürfnisse hinter dieser fixe Idee verstellt. Das seelische Elend ist das eine, diese äußere Anforderung aber etwas ganz anderes. Und es ist äußerst naiv, zu glauben, daß die endliche Erfüllung dieser Anforderung meine psychischen und sozialen Probleme hätte lösen können. Der gangbarere Weg wäre umgekehrt gewesen: von einer gute Therapie zu einer größeren Lebenstüchtigkeit. Es hat schon ein paar wenige Versuche meinerseits gegeben, mir professionelle Hilfe zu holen, und zwar überhaupt, nicht nur wegen dieses Problems - schließlich war ich ja gerade dabei, mein Studium aufzugeben und wußte existentiell überhaupt nicht, wohin mit mir - aber diese therapeutische Szene war damals noch sehr unterentwickelt und ich bin auch nicht an wirklich gute Therapeuten geraten. (Sollte da ein wenig Hochmut zum Vorschein kommen?) Als ich mich zum Beispiel endlich und nach der Überwindung innerer und äußerer Widerstände – für die Achtundsechzigermachos, an denen ich mich orientierte, war therapeutische Hilfe anzunehmen eine Schande und ein absolutes No-Go – einer Therapeutin einer kostenlosen Beratungsstelle für Studenten – die Kosten waren ja auch ein wichtiger Faktor -  anvertraute, sagte sie mir am Ende des Gesprächs, daß sie demnächst diese Beratungseinrichtung verlassen wird und jemand anderer ihre Stelle einnehmen wird. Ich war aufgenommen, aber habe es nicht mehr geschafft, nocheinmal von vorne zu beginnen, nocheinmal zu jemandem wenigstens ein Basisvertrauen aufzubauen und bin nie mehr hingegangen.

Es hat viele Frauen gegeben, die mir gefallen haben – zumindest aus der Distanz – aber in der Regel habe ich mich so unterlegen gefühlt, daß ich keine Chance gesehen habe - meistens wohl zu recht. Und wenn sich doch „irgendwie“ eine Chance angedeutet hat, bin ich blockiert gewesen, habe Angst bekommen, bin verstummt, jedenfalls bin ich nicht weitergekommen. Der lockere Umgang war wirklich nicht meins.

Ständig jedoch bin ich mit dem inneren Mantra herumgelaufen: ich habe noch nie mit einer Frau geschlafen; ich muß mit einer Frau schlafen; ich habe noch nie mit einer Frau geschlafen; ich muß mit einer Frau schlafen … Eine Technik, wie geschaffen dafür, das Problem um Potenzen zu verstärken.

Wenn ich jedoch unter Alkoholeinfluß etwas lockerer wurde und ich doch „weiterkam“ - spätestens wenn es ernst wurde und der eigentliche Spaß losgehen sollte, war es vorbei und ich konnte meinen Mann nicht stehen (Vgl. z.B. hier in der Schublade Nr. 85 „Als ich dem Bauer ...“). Meine Versagensängste und die Unsicherheit waren größer und meine schon peinliche Weltfremdheit haben das noch verstärkt. Ich hatte ja tatsächlich vom Tuten und Blasen keine Ahnung.

Also gut, mein Umfeld wußte: der Rumpf leidet, und wenn nicht bald etwas passiert, versauft er sich völlig.
Ratschläge gab es, nachträglich wundere ich mich über deren Naivität und psychologische Blindheit, aber sie waren gut gemeint. Auch zwei, drei letztlich demütigende Versuche, mich zu verkuppeln, gab es. Man glaubte in diesen Kreisen damals ja wirklich, daß Sex alle Wunden heilt, während in Wirklichkeit mein Problem viel tiefer lag, nämlich, daß ich – in autoritären Verhältnissen aufgewachsen und gebrochen - von meinem wahren Selbst nichts wußte, nichts spürte und dadurch orientierungslos extremst außengeleitet war. Ich kannte mich selbst nicht, wußte nicht, was ich will und konnte nicht „ja“ oder „nein“ sagen. Damit war ich auch für jede und jeden, und erst recht in einer Liebesbeziehung, kein wirkliches Gegenüber. Die Ablehnung war also durchaus gerechtfertigt.

Nun, einmal zum Beispiel wurde sehr plump versucht, mich, den Loser, mit einem weiblichen Pendant, einer Loserin, zusammenzubringen. Zufällig besuchte ein Obergenosse diese arme Frau, und zufällig lud er mich ein, mitzukommen. Dort dann - nach einer kurzen auffällig unauffälligen Wartefrist - hatte er zufällig plötzlich einen dringenden Termin und mußte sofort weg. Mich wollte er überreden, bei dieser Frau noch auf einen Kaffee zu bleiben, aber ich war not amused, und sie – da bin ich mir sicher – auch nicht. Ich habe mich mit Händen und Füßen gewehrt dort zu bleiben und bin – auch unter verlegenem Vorbringen irgendwelcher Ausreden - mit ihm weg. Eine schöne, gutgemeinte Idee: wir spannen Loser und Loserin zusammen!, aber völlig daneben. Diese Frau, damals in etwa so – ich weiß nicht, ob verklemmt, oder sonstwie irgendwie unbeholfen wie ich, aber auch – wie ich - vom Gerede von Freiheit und (sexuellem) Aufbruch infiziert - war in einen Obergenossen verliebt, einem großen Anhänger von Franco Basaglia, mit großer Klappe und ständig einem großen Schwarm hübscher Bewunderinnen und Verehrerinnen um sich, bei dem sie jedoch – als Frau etwas unansehnlich wirkend – genauso wie ich mutatis muntandis als Mann bei den begehrten Frauen – keine Chance hatte. Der hat natürlich nicht zu ihr gesagt: du interessierst mich nicht! Du bist mir zu unattraktiv! (wie ich auch nicht, aber ich war ja kein angehender Psychologiestar), sondern hat mit ihr lieb und freundlich geredet: ich verstehe dich, aber ich bin halt (leider!) nicht in dich verliebt und so weiter (ha, ha, ha, ha).

Man darf aber nicht übersehen, daß die Loser und Loserinnen als fast unvermeidliche Kompensation ihres beschädigten Selbstwertgefühls heimlich einen unheimlichen Größenwahn hegen und nicht mit ihresgleichen abgespeist werden wollen. Was sollen denn zwei miteinander anfangen, wenn sie sich von einer Begegnung Rettung, Erlösung und psychosozialen Aufstieg und Ansehen erhoffen?

Zurück zur Geschichte. Ich bin eines Tages wieder einmal wie fast jeden Abend im Glockenspielkeller, trinke, rauche, als ich merke, daß eine Frau immer wieder zu mir herschaut. Ich kannte sie, weil ein Wohngemeinschaftsgenosse meiner ersten WG eine zeitlang mit ihr in einer Liaison war, aus der er übrigens nicht schmerzfrei herauskam respektive geworfen wurde – leider hatte besagter Freund in unserer WG ein Durchgangszimmer, sodaß ich einmal in der Nacht auf dem Weg zum Klo durch sein Zimmer latschte und seither sagen konnte, daß ich den nackten Hintern der Schönen gesehen habe.

Diese Frau war von vielen Männern begehrt. Vielleicht sollte ich dazusagen, daß sie schon etwas Undinenhaftes, ja Männerverführendes an sich hatte und – zumindest mit mir – wie sich noch herausstellen sollte – eine verniedlichende Prosa pflegte mit viel Geflüster und Mäuslein und so. Bei soetwas fühle ich mich schnell überfordert und es ist mir unangenehm und macht mich verlegen.

Wie auch immer, ich stehe halt im Glockenspielkeller herum – da war es ja nicht so, daß man fix an einem Tisch gesessen ist, sondern man ist herumgegangen, hat sich einmal zu denen gestellt um zu plaudern und sich dann zu diesen an den Tisch gesetzt, ist nach einer Zeit wieder aufgestanden und zu einer anderen Gruppe und so weiter. Ich merke, die Dame schaut immer wieder zu mir her. Ich denke mir nichts dabei, denn für mich war klar, daß ich –  mit meinem niederen sozialen Status (innerhalb der Szene! Vom Reichtum oder dickem Auto rede ich jetzt nicht!) und schüchtern wie ich bin – nicht in ihr Beuteschema passe. Ich werde schon mit ihr ein paar Worte gewechselt haben – leicht betrunken und ohne Erwartungen und Hoffnungen ging das schon – aber habe immer gleich, wenn irgendwelche Männer sie angesprochen haben – und das taten viele -  meine Schwanz eingezogen und habe nicht geredet oder bin zu einer anderen Gruppe gewandert.

Zu später Stunde kommt dann diese Frau zu mir und sagt, daß sie jetzt nach Hause fahre und drückt mir einen Schilling in die Hand. Ich schaue sie völlig verständnislos an, möglicherweise mit offenem Mund, und kenne mich überhaupt nicht aus. „Wofür soll das sein?“ frage ich sie ungläubig. „Damit du mich dann aus einer Telefonzelle anrufen kannst. Ruf mich in einer halben Stunde an!“

Ich bin komplett perplex, sie rauscht ab. Ich warte brav eine halbe Stunde und rufe dann gehorsam, aber immer noch ungläubig an. „Komm zu mir!“, sagt sie am Telefon. Sofort nehme ich ein Taxi und fahre zum Hochhaus schon weiter draußen über der Mur drüben, in dem sie so auf mittlerer Höhe oder noch weiter oben wohnt. Wir landen im Bett, aber mir ging das viel zu schnell und soviel war mir unklar. Ich konnte es noch immer nicht glauben, daß sie an mir interessierst ist und deshalb wollte ich nur … ja wie sage ich das? … ich wollte noch nicht vögeln beziehungsweise traute mich noch nicht. Ich war ja total verunsichert. Das ging dann so ein paar Tage.

Einmal kam sie zu mir und als wir wieder so herumschmusten und ich wieder davon lamentierte, daß ich noch etwas Zeit bräuchte, sagte sie einfach, daß es jetzt Zeit ist und und und … - viel gibt es nicht zu erzählen, denn ich war ja mehr in meinem Kopf als in meinem Leib -  aber ich hatte ihn drinnen gehabt. Das Ganze war schon sehr erbärmlich, ich war viel zu schnell gekommen, aber sie tat so, als hätte es ihr gefallen. Und ich konnte sagen: ich habe mit einer Frau geschlafen.

Natürlich hatte ich diese Geschichte völlig mißverstanden, in meiner schon unerlaubten Naivität dachte ich, sie wäre doch an mir interessiert, ich glaubte wirklich, wir wären jetzt – so irgendwie -  zusammen. Oh ich hoffnungsloser Narr! Wie muß ich ihr damals auf die Nerven gegangen sein! Ich rief an, ich besuchte sie dauernd, hängte bei ihr nichtstuend herum, während sie nach ihrer Arbeit für die Abendmatura lernte. Und ich verstand nichts. Oh Gott! Manchmal wunderte ich mich, daß die halbe Grazer Literaturszene bei ihr auftauchte, manchmal in Rudeln, und ich kannte mich immer noch nicht aus.

Damit es kein Mißverständnis gibt: sie war freundlich und nett zu mir, hat meine aufdringliche Anwesenheit, meine Anrufe, meine dummen Fragen geduldig ertragen. Aber bald darauf tingelte ich mehrere Wochen durch Skandinavien. Von dort schrieb ich ihr seitenlange Briefe, in denen ich – ... nichts sagte. „Deine Briefe sind leer“, sagte sie mir später, „ich sehe und spüre nicht, was du mir sagen willst.“ Und sie hatte recht. Seitenlange nichtssagende Beschreibungen, Texte eigentlich, in denen ich meine Beziehungslosigkeit versteckte; zu ihr redete ich nicht. Wie sollte ich auch, dieses Verhältnis, nicht einmal das richtig: dieses Pseudoverhältnis war doch eine Kopfgeburt; und ich selber war niemand. Aber nicht wegen meines geringen sozialen Status, sondern weil ich nicht ich selber war, weil ich mich nicht kannte, nicht wußte, was ich will, nicht wußte, was ich fühle, weil ich eine leere Existenz war, ohne Substanz. Ich versuchte doch nur verzweifelt eine Rolle zu spielen, die gar nicht zu mir paßte; so wie ich glaubte, daß ein cooler Typ sein soll und war dadurch umso weiter davon entfernt. Oh mein Gott, wie erbärmlich! („Cool“ hätte man übrigens damals noch nicht gesagt.)

Ein anderer Mann war jetzt öfter an ihrer Seite und allmählich begriff ich schon, daß ich ausgespielt hatte und ich zog mich zurück. Bei zufälligen Treffen, bei denen sie immer sehr freundlich und nett war, war ich immer sehr verlegen, peinlich berührt und wurde jedesmal rot.

Erst Jahre später ist mir etwas eingefallen; oder soll ich sagen: aufgefallen? Freund P. war eine imposante Persönlichkeit, stark, furchtlos, ein großer, begnadeter Frauenheld (er hat es einmal geschafft, in einem Cafe mit drei Frauen zu sitzen, von denen jede glaubte, er wäre ausschließlich ihr Freund, und nach diesem Kaffeehausbesuch glaubten das alle drei immer noch), wie man sieht ein großer Zyniker und von mir überaus bewundert. So muß man sagen, daß diese Freundschaft nicht ausgewogen war, denn er war lebenstüchtig, welterfahren und so weiter, ich aber das Gegenteil; eher war er ein wohlwollender älterer Freund oder älterer Bruder. Zu seinem engsten Freundeskreis zählte ich nicht, zu recht nicht, aber ich gehörte zum erweiterten Umkreis.

In der Phase, wo sich alle um mich wegen meiner Frauenprobleme Sorgen machten - und vielleicht auch, weil ich bei einem Fest bei Freund P. zuhause im volltrunkenen Zustand schon zusammengebrochen seiner festen Freundin - einer feinen und sensiblen Frau, die sich auf diesem Männergelage und überhaupt in dieser Machowelt verloren gefühlt haben muß und wohl als einzige gesehen hat, wie verloren ich selber hier in diesem Umfeld war und wie hilflos ich den betrunkenen Clown machte - weil ich also seiner Freundin, als sie sich helfend über mich beugte, zärtlich, aber eigentlich nicht in sexueller Absicht den Busen streichelte, indem ich ihr einfach unter die Bluse gegriffen hatte. Eine etwas schräge, aber dennoch eher freundschaftliche Geste, die sich diese liebe Frau auch gefallen ließ, eine Geste, die mehr damit zu tun hatte, daß zwei verlorene Seelen einander ihr Mitgefühl ausdrückten, denn auch sie war, was seine Welt und Eskapaden betraf – so hatte ich den Eindruck – von großer Unschuld und Naivität und irgendwie daneben und bekam seine Manöver nicht wirklich mit. Aber wie alle Machos und permanenten Seitenspringer war er da, bei seiner festen Freundin, sehr eifersüchtig und stellte mich ein paar Tage später – im vollsten Mißverständnis, was diese meine „Liebesbezeugung“ betraf – in seinem Auto zur Rede - nicht ohne daß ich jetzt auch bei ihm einen Anflug von Unsicherheit registrieren zu können glaubte, eine Beobachtung, die aber dann in meiner großen Bewunderung für ihn gleich wieder untergegangen ist – die unangenehme Situation im Auto überstand ich mit Gemurmel und Ausreden auf die Trunkenheit. In dieser Phase hat er mir dann einmal gesagt: „Ich weiß, daß du Probleme hast, weil du noch nie gevögelt hast. Ich habe jetzt mit einer Frau gesprochen, der habe ich erzählt, daß du sie verehrst, aber zu schüchtern bist, sie anzusprechen. Sie kennt dich ein wenig und ist durchaus interessiert und wäre bereit, mit dir einmal auszugehen. Wenn du willst, dann ...“ Empört lehnte ich ab! Empört! – und durchaus ein wenig geschmeichelt, auch deswegen, weil er offensichtlich bereit war, für mich das zu tun, und ein Treffen mit einer Frau aus seinem riesigen Harem zu arrangieren. Und wer weiß, vielleicht hatte die Empörung mehr mit meiner Angst zu tun.

Meine Idee Jahre später war: könnte es nicht sein, daß Freund P. gedacht hat, das werde ich jetzt geschickter angehen – und er war ein Meister der Manöver im Hintergrund – die Grazer Politik könnte davon ein Lied singen – und er hinter dem plötzlichen Interesse dieser schönen Frau an mir, dieser ersten Frau, mit der ich dann so irgendwie geschlafen und somit die so stark empfundene Anforderung an einen erwachsenen Mann so irgendwie erfüllt hatte, als Regisseur im Hintergrund gesteckt hat? Kann es sein, daß er sie auf mich angesetzt hatte? Die Idee ist mir gekommen, weil mir wieder eingefallen war, daß meine vermeintliche Freundin damals in „meiner“ Zeit einmal so nebenbei eine Bemerkung fallen gelassen hatte, daß P. bei ihr an der Tür geläutet habe und ich – schon ein wenig alarmiert und eifersüchtig besorgt – nachgefragt hatte, was er denn von ihr gewollt habe und sie darauf so getan hatte, als könne sie sich nicht mehr erinnern. Ja und ihr Interesse an mir habe ich ihr letztlich nie so recht abnehmen können.

Ja, jetzt paßt alles zusammen! Jetzt paßt alles zusammen! Mir ist dieser Gedanke, diese Hypothese sofort sehr plausibel vorgekommen und ich war mir sicher, jetzt endlich alles verstanden zu haben. Und – ich muß sagen – sie kommt mit immer noch sehr plausibel vor. Aber ich will festhalten, daß ich nicht weiß, ob es sich wirklich so zugetragen hat. Wie auch immer, heute lache ich darüber. Obwohl …


Nachdem ich angefangen hatte, so einiges aus meinem Leben aufzuschreiben, war mir klar, daß ich irgendwann mein „erstes Mal“ - wie auch noch die eine oder andere Episode -  erzählen werde müssen, aber ich habe es immer hinausgeschoben, weil es mir unangenehm war, ich nie recht wußte, wie ich das angehen könnte, wie ich das beschreiben könnte und weil mir das Alles zu unübersichtlich, zu verworren vorgekommen ist. Aber jetzt gerade habe ich den Roman „Beichte eines alten Narren“ von Bernhard Hüttenegger gelesen wo an einer Stelle – ich bin mir ziemlich sicher – auch von dieser Frau die Rede sein könnte. Und da war mit klar: jetzt muß ich es schreiben. Ich habe das sozusagen als Omen genommen. Es hat mich nämlich sehr aufgewühlt. Ich wußte nicht, wieviel Gefühle da noch darin gesteckt sind. Lange bin ich wach gelegen und habe gegrübelt.



Wie ist es mit mir jedoch nach meinem „ersten Mal“ weitergegangen? Zunächst nicht viel anders als vorher, nur daß  jetzt der äußerliche Druck geringer war, denn ich konnte sagen, … ihr wißt schon. Die genaueren Umstände konnte ich ja für mich behalten.

Als mich zum Beispiel 1977 auf einem Ferienalternativcamp am Edersee bei Kassel einer der Obergenossen so unbeholfen und ungeschickt herumstapfen sah, fragte er mich, ob ich denn schon überhaupt einmal mit einer Frau geschlafen habe. Da konnte ich dann ohne allzu sehr zu lügen sagen: „Ja“. Immerhin. Er konnte es sich dann nicht verkneifen darauf zu sagen: „Da hast du Glück gehabt!“ Worauf ich antwortete: „Ja, da habe ich Glück gehabt.“ Und dabei will ich es – trotz allem – belassen.








(28.9 – 1.10.2017)












©Peter Alois Rumpf    Oktober 2017     peteraloisrumpf@gmail.com

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