784 Einuhrfünfzehn in der Nacht
Einuhrfünfzehn in der Nacht. Ich schaue im Zimmer umher und
mein Blick fällt auf Gegenstände, die ich schon lange nicht mehr im Auge hatte.
Zuerst zufällig, dann mit Absicht.
Als erstes auf ein verstaubtes rötliches Laubblatt an der
Wand, und dann auf die anderen fünf, die schon etwas verblaßt sind, wie auch
auf den blauen Wollknäuel, in dem eines der Blätter steckt – so wie ich ihn vor
Jahren im Augarten gefunden habe.
Auf eine Spinnwebe von der Zimmerdecke zu einem Bild hoch
oben an der Wand.
Auf dieses betörende Bild selbst, das meine Frau gemalt hat
und ein abstraktes Schwimmbecken darstellt mit einem offenen, doppelflügigen
Tor einer Garage, raumöffnend und sogerzeugend zugleich.
Auf ein berückendes Winterphoto meiner älteren Tochter, das
die wunderschöne stille Stimmung eines späten Winternachmittages auf der
Schipiste der heimatlichen Riesneralm wiedergibt, das sie für mich gegen die
schon tief stehende Sonne durch eine Waldschneise hindurch photographiert hat.
Auf die leere Mineralwasserflasche aus der italienischen
Stadt Fiuggi; eine Erinnerung an einen Tensegrityworkshop dort, von dem ich
immer noch zehre.
Auf den rührenden Globus aus Papiermachee, von meiner
jüngeren Tochter vor vielen Jahren für mich gebastelt, mit der Aufschrift „Die
Welt gehört dir!“
Auf die „zwei Visionäre“ von Neuvalis, die mich ständig vom
Fußende des Bettes her, aber von der Höhe meines CD-Regales herab mit ihren
bewußtseinserweiterten Augen anstarren - auch wenn ich nicht hinschaue - und
dabei freundlich lächeln.
Auf die ganz kleine, zarte, feine Farbarbeit auf Papier der
slowenischen Künstlerin Jana Vizjak.
Auf mein kleines Jesusbild, von mir in meinem unbeholfenen, karikaturhaften
Stil gemalt, wo Er, manieristisch verzerrt, einen modern und zeitgenössisch
aussehenden Mann mit Seinen langen, leptosomen Fingern am Ohr heilt, als würde
Er ihn von einer seelischen und spirituellen Schwerhörigkeit befreien.
Was ich jetzt höre, das ist das Surren in meinen
Ohren; meine ständige Begleitmusik, die mich überhaupt nicht stört und die
besonders in den stillen Stunden der Nacht und beim Aufwachen aus den Träumen
anschwillt.
(12.10.2017)
©Peter Alois Rumpf Oktober 2017
peteraloisrumpf@gmail.com
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