780 Viele Lacken
Aufraffen. Ich muß mich aufraffen. Oder: „rafn“ = raufen.
Ich war nie ein „Raffer“ = Raufer. Oder: RAF. Rote Armee Fraktion oder Royal
Air Force.
Könige haben wir nicht. Der letzte König, dem ich begegnet
bin, hat sich als feiger Diktator herausgestellt. Da habe ich mich täuschen
lassen.
Was kommt nach dieser Verlegenheitseinleitung, die das
Schreibgefährt – lesen hat schon etwas mit Fährten lesen zu tun – oder den
Sprachautomatismus – hmm - wahrscheinlich in die falsche Richtung lenkt?
Wenn am Gang draußen (für deutsche LeserInnen: Flur) vor der
Tür jemand laut redet, besonders wenn es ein Mann ist – und in Handyzeiten
kommt das schnell einmal vor – dann fühle ich mich hier herinnen (im
österreichischen Wörterbuch belegt) im Bett bedroht. Das ist nur eine
Feststellung.
Die Sprache verrät sich selbst: wenn wir etwas fest stellen,
machen wir aus einem Moment etwas Festes, während der Fluß in Wirklichkeit
weitergeflossen ist. Wenn wir etwas feststellen, haben wir die Wirklichkeit
bloß photographiert. Bis das Photo fertig ist, ist es schon Vergangenheit.
Gut, ich bin natürlich nicht der Erste, der das feststellt.
„Die Ersten werden die Letzten sein.“ Ergo: ich werde nicht der Letzte sein.
Stimmt! Ich werde nicht der letzte sein, der stirbt.
Jetzt muß ich an meine sterbende Mutter denken, an ihre
schon röchelnde Atemzüge. Ich erinnere mich, daß sie immer im Schlaf sterben
wollte. Einschlafen und vom Tod nichts mitbekommen. Sie ist tatsächlich im
Schlaf gestorben, aber daß man vom eigenen Sterben und Tod nichts mitbekommt,
das kann ich nicht glauben. Aber wer weiß, ich kann es ja nicht wissen.
Vielleicht segelt man von einem Traum zum nächsten und merkt nicht, daß man gar
nicht mehr aufwacht.
Ich möchte bewußt sterben. Ich möchte dem Tod wach
gegenübertreten. Ich möchte ihm in die Augen schauen, wenn er immer näher
gewandert kommt. Wenn ich genug Zeit dafür hätte, wäre ich froh. Das wäre mir
lieber als Tschak! Bumm! Aus! Obwohl: irgendwann kommt der Moment von tschak,
bumm, aus.
Wir werden's ja sehen, früher oder später.
In einem Traumbild - fix und starr wie eine Fotografie –
sehe ich vor mir eine Schotterfläche mit vielen Lacken. (Für deutsche
LeserInnen: Pfützen. Vgl. Engl. „lake“) Eine Stätte, wie sie es in meiner
Kindheit noch häufig gegeben hat, als noch nicht jede Straße, jeder Parkplatz,
jeder Weg asphaltiert war. Festgestampfte Erde, Schotter darüber, Stellen, wo
die harte Erde herauskommt, spärlicher Pflanzenbewuchs, die typischen
Pionierkräuter. Und eben – wie gesagt – viele Lacken. Offensichtlich nach einem
Regen. Nichts bewegt sich. Kein Wind. Kein Hauch. Kein Regentropfen.
(5.10.2017)
©Peter Alois Rumpf Oktober 2017
peteraloisrumpf@gmail.com
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