658 Die Wiese vorm Fenster
Meine „Wiese vorm Fenster“, das ist ein Blumenkistl am
Fensterbrett, hauptsächlich wachsen da üppiges Gras, Löwenzahn und Klee; ein
paar andere Pflanzen kann ich in diesem frühen Stadium noch nicht
identifizieren. Der Löwenzahn jedoch hat schon über zehn Blüten, die schön und
herrlich aus dem frischen, dichten Grün hervorleuchten.
Gut, „herrlich“. Warum nicht „fraulich“? - (ich bin schon
wieder viel zu schnell bei der Sprache gelandet.)
Wie ich gelernt habe: Herren – Frauen; Männer – Weiber.
„Herr“ ist ein Herrscher- und Göttertitel - „Herr, erbarme
dich unser“ - mehr muß man nicht anführen.
„Frau“ ist die entsprechende Anrede für Göttinnen und
„Herr“scherinnen: „Frau Holle“, die Göttin mit ihrem Holunderbaum, „Unsere
Liebe Frau von Loretto, Guadalupe, Lourdes, Coromoto, Fatima, Absam, Von den
Tränen, Von der immerwährenden Hilfe, Von Pötsch, Von Wladimir …; „Frau Hitt“
(! übrigens, schöne Grüße!)
Ja und Mann. Mann, man, mind – Geist.
Weib, womb; nachzulesen bei Taisha Abelar und Florinda
Donner-Grau, über die angeborene Gebärmutterkraft der Frauen (eigentlich:
Weiber, denn diese Kraft ist „demokratisch“! Hi, hi hi!), wenn die nicht nur
für Männer und Kinder, sondern auch zum Zaubern eingesetzt wird. Dann sind die
Frauen unschlagbar im schamanischen Reisen und den Männern weit überlegen, weil
die diese Kraft nicht haben. Die Frauen haben diese Kraft zusätzlich zur
üblichen anthropologischen (!) Ausstattung, die auch die Männer haben, und
deswegen haben die Weiber einen unmittelbaren Zugang zum – wie nenne ich das? -
transzendenten Bereich, ohne daß sie dafür Religionssysteme, Denkgebäude
etcetera brauchen, an die sich wie an ein Geländer haltend die Männer mühsam
hinüberhanteln müssen. Der Zugang über die Womb ist unmittelbar, ohne Sprache,
direkt.
Aber Schluß mit diesem eingeschobenen Vortrag! Zurück zur
winzigen Wiese. Ich glaube, daß hier auch schon kleine Bäumchen keimen.
Schnitt! Szenenwechsel. Die Sonne ist untergegangen und ich
schaue jetzt in eine andere Richtung. Nicht mehr zur kleinen Wiese am Fenster,
deren Anblick mein Herz weiter macht, wenn ich sie da wachsen sehe – wir lieben
ja Wachstum und Aufblühen – sondern in
meine dumpfe Frustration. Der Tag ist nicht so verlaufen, wie ich ihn mir
vorgenommen hatte. Ich habe mich viel zu oft ablenken, abhalten und stören
lassen, gerade in den entscheidenden Momenten, und meine Vorhaben nicht
durchgezogen. Immer das Gleiche! könnte ich jetzt sagen, aber ich sage es
nicht; es klingt und riecht zu sehr nach den Vorwürfen meiner Kindheit.
Dabei bräuchte ich jetzt nur meine Vorstellungen loslassen,
meine getroffenen Entscheidungen akzeptieren, die Folgen daraus annehmen und
schauen, was einem auf diesem gewählten Weg begegnet. Und staunen. Staunen kann
man immer, egal auf was man blickt.
Allmählich tritt Entspannung ein. Ich seufze ein paarmal.
Mein Atem bekommt ein klein wenig mehr Raum.
Ich bin nun mit meinem Tag so halbwegs versöhnt.
(4.4.2017)
©Peter Alois Rumpf
April 2017
peteraloisrumpf@gmail.com
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