Mittwoch, 1. März 2017

612 Ein Verlegenheitssatz

Nie reicht es aus. Das ist ein Verlegenheitssatz, der hier und jetzt nichts zu sagen hat. Vielleicht drückt er eine Stimmung oder eine Grundhaltung oder eine habituelle Gewohnheit aus, mehr nicht. Ich hätte auch „Ich bin nicht krank genug“ schreiben können. Oder nicht gut genug, oder nicht stark genug, nicht kaputt genug, schön genug, schirch genug, alt genug, reich genug, arm genug, fromm genug, verdorben genug, mutig genug … es läuft alles aufs Gleiche hinaus.

(So, jetzt, wo ich das in den Computer tippe, wollte ich das Schreiben unterbrechen, um den Text noch ein bißchen zu meditieren, weil ich mit ihm noch nicht zufrieden bin. Ich meine, soo streng bin ich eh nicht; schließlich habe ja schon mehrmals betont, daß alle halbwegs fertigen Texte auf die Schublade kommen, weil es wirklich meine Schublade für meine Schreiberei ist und mir ist dazu eingefallen, ich könnte die Blumenkisterln frühlingsbereit machen, indem ich die als Frostschutz gedachten darüber gelegten abgestorbenen Pflanzen entferne, damit sie die aufkeimenden Sprößlinge nicht ersticken. Aber das geht nicht, aus Gründen, die mir zu kompliziert sind, sie zu erklären. (Also auf dem Fensterbrett hat eine Tochter eine filigrane Arbeit zum Trocknen hingelegt, die ich – so denke ich – besser einfach liegenlasse.) Ich steige um auf ein  Frühstück als Meditation und zur Stärkung meiner momentan schwachen Konstitution.)

So, jetzt bin ich im Wirbel! Sagt er doch etwas aus, dieser aus Verlegenheit hingeschriebene Satz da oben, ohne vorher darüber nachgedacht zu haben, einfach so, wie er mir gerade eingefallen ist, notiert?

Genau genommen war der zweite Satz der erste und der erste der zweite. Ich habe beide durchgestrichen, weil mir vorallem der erste „ich bin nicht krank genug“ überheblich, arrogant und gefühllos den Schwerkranken gegenüber vorgekommen ist. Ich weiß schon, was ich damit gemeint habe, und daß er mit meinen Schuldgefühlen zu tun hat, aber angemessen ist er nicht.

Übrigens: das Spiel funktioniert auch umgekehrt: zu krank, zu gesund, zu alt, zu schirch, zu schön (?), zu starr, zu kaputt, zu reich, zu arm, zu fromm, zu verdorben, zu feig, zu ... es hat das alles nichts mit der Wirklichkeit zu tun.





28.2./1.3.2017)












©Peter Alois Rumpf    März 2017     peteraloisrumpf@gmail.com


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