546 Unter alten, kettenrauchenden Damen
Ich sitze im Raucherzimmer eines Cafés unter lauter alten, kettenrauchenden Damen,
weil im kleinen Nichtraucherbereich „kein Platz für [mich]
war“ (Lk 2;7). Ich halte den Tabakrauch aus, weil ich mich gestern schon
beweihräuchert habe. Feinstaub bleibt Feinstaub und „anrachig“ bleibt
„anrachig“ (aus einem mir unbekannten steirischen Gedicht; Danke Peter Waugh).
Eine Szenerie wie aus dem vorigen Jahrhundert, mitten in der
Stadt wie in einem Vorstadtcafé.
Ich kann diesem süchtigen Saugen und Einatmen durchaus etwas abgewinnen,
beinahe bekomme ich Lust aufs Rauchen. Dieses gierige und tiefe Einsaugen mit
aufgerissenen oder geschlossenen Augen wirkt so welt- und leidensintensiv – man
nimmt diesen Leute alles ab, was sie erzählen. Woanders schauen sie vielleicht
cooler drein, wenn sie beim Rauchen posieren. (Wäre ich jetzt in einem
hinduistisch-buddhistischen Yoga-Zen-Café
– wenn es soetwas gibt – ich würde sofort Asket werden wollen. Mein Magnetfeld
ist zu schwach, alles, was mich umkreist oder umgibt, übt eine starke
Anziehungs- seltener auch Abstoßungskraft aus.)
Die Kaffeemaschine röhrt geradezu herzergreifend und zischt
siebenmal die Tonleiter rauf und runter. „Du mußt lesen, was der Taxifahrer
sagt!“ rät eine abgehackt sprechende alte Frau ihrem Gegenüber, dem Riegel mit
dem Rücken zu mir. Die Krawallzeitung als heilige Schrift. Aber ich bin genauso
leer. Der Muskel links über dem linken Auge beginnt zu zucken; wie immer, wenn
ich in tabakverrauchten Räumen bin und/oder echten Kaffee trinke.
Der laute Rülpser des Riegels war echt, keine Halluzination.
Gut, mitten in der Stadt ist relativ; immerhin bin ich
jenseits des Donaukanals.
Ich gehe jetzt.
(22.12.2016)
©Peter Alois Rumpf Dezember
2016 peteraloisrumpf@gmail.com
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