537 Meine Altarwand
Der Jesus, der so streng dreinschaut; rechts darunter der
Jesus, der lächelt. Oben Mitte rechts das leere Grab und der jubelnde Engel - eine
bunte, strahlende Kinderzeichnung meiner jüngeren Tochter für mich. Das erste
übrigens ist ein kleines Photo einer Ikone, das zweite eines von einem
Weinfaßrelief aus Heiligenkreuz. Ein unbekanntes Gesicht, nur in Resten
erhalten – Virgilkapelle. Ein Schutzengel (Ikonenreproduktion). Eine kleine,
wunderschöne, abstrakte Arbeit der frommen Künstlerin Jana Vizjak in einem
halbwegs ordentlichen Glasrahmen.
Ganz oben, unmittelbar unter dem Plafond, so eine Art
Jesusbild, noch von mir gemalt, als Heiler dargestellt, aber schon fast karikaturhaft, wie
es halt so meine Art war (oder Un-Art). Weiter herunten, noch über der
„Ikonostase“, also der Fläche mit den dicht nebeneinander hängenden Bildern,
eine Reihe getrockneter Blätter, einfach an die Wand gepinnt.
Die weiteren Bilder darunter sind: eine innige Zeichnung
einer Kirchenszene (Heilige Messe) meiner älteren Tochter, als sie noch jünger war, extra für
mich. Ein Porträt von meiner jüngeren Tochter, als sie noch sehr klein war, das
mich darstellt, unrasiert. So eine Art Fußballemblem, ebenfalls ein Geschenk
meiner Kinder, wie es auch ein gemalter Apfel ist. - Ich habe meinen Töchtern
immer gesagt, ich freue mich über Zeichnungen und Bilder oder Basteleien von
ihnen; sie können mir immer solche selbstgemachten Bilder schenken, ob zu
Weihnachten, zum Geburtstag oder Vatertag, darum gibt es noch mehr davon auf
meiner „Altarwand“. Dann auch unser Hochzeitsphoto aus dem Gasthaus. Ein
kleines Heiligenbild der Maria Magdalena und eines der Teresa von Avila. Eine
einfach an die Wand getackerte Kopie eines Photos der Grabplatte Johannes
Taulers, weil ich über seine Himmelfahrtspredigten meine Diplomarbeit
geschrieben habe (Grab - Himmelfahrt: ein unauffälliger Widerspruch in sich) - ja, das ist wirklich mein Thema. Ein kleines Bild
einer Marienikone aus Jerusalem, das mir jemand vom russisch-orthodoxen
Kirchenchor von einer Israelreise mitgebracht hat, als ich noch im Chor
mitgesungen habe, es stellt die Gottesmutter mit dem Jesuskind dar. (Für
döbranitische Leser und Innen betone ich nochmals: mit dem Kind!) Ein
Bild eines Kreuzemblems aus der unterirdischen Wiener Virgilkapelle. Eine
glückverheißende Geburtstagskarte der Lieblingstante meiner Kindheit zu meinem
Sechziger. Die Einladungskarte zu einer Theateraufführung, an der meine ältere
Tochter mitgewirkt hat.
Auf einer kleinen Konsole – diese ist auch eine Bastelarbeit
meiner Kinder – sind hinter einem kleinen Standräucherfäßchen ein paar
Steinchen übereinandergeschlichtet, die ich irgendwo gefunden habe. Darunter
auf einer größeren Wandkonsole eine Räuchervorrichtung mit Teelicht. An der
Seite dieser Konsole ist ein Nagel eingeschlagen, an dem ein kleines,
traditionelles Räuchergefäß hängt, eines, das man richtig hin und her schwingen
kann. An diesem Wandbrett lehnen noch meine Walkingstecken (für deutsche
LeserInnen: -stöcke). Darunter steht der Sessel (für deutsche LeserInnen:
Stuhl), auf dem ich mein Gewand, das ich in Benutzung habe, des nachts ablege.
So ungefähr schaut meine Hausaltarwand aus. Ich weiß nicht,
wie die auf außenstehende Betrachter-Innen wirkt, ob diese Altarwand fromm oder
unverschämt ausschaut; mir kommt sie trotz meines lockeren, legeren Umgangs
frömmer und christlicher vor, als ich es bin. Aber ich kann nur sagen, immer wenn ich im Bett liege
und diese Wand anschaue, freue ich mich über sie, auch wenn ich manchmal
innerlich über die leichte Absurdität dieser Zusammenstellung lachen muß. Meine
Frau macht sich gern ein wenig lustig darüber, daß ich so viel Spaß mit mir
selber und meinen Taten und Gedanken habe. Gell, sie hat nicht unrecht, aber
mir verschafft das Erleichterung.
Ja, ich freue mich wirklich über meine Altarwand. Ich weide
meine Augen auf ihr, und ich freue mich schon, wenn ich wieder mein
Räucherzeugs voll anwerfen kann. Ich habe Weihrauch in verschiedenen
„Geschmacks“richtungen und Mischungen.
(14./15.12.2016)
©Peter Alois Rumpf Dezember
2016 peteraloisrumpf@gmail.com
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