530 Meine innere Korruption
„Es hat mich nicht gefreut“ habe ich übrigens nicht nur
vorgestern, oder vorvorgestern gesagt, sondern schon vor zirka fünfzig Jahren.
(Ich hatte es schon vergessen, aber wurde mehrmals daran erinnert; es scheint
mächtig Eindruck gemacht zu haben.) Und H. hat zweimal – im Abstand von
mehreren Jahren – meine Hand genommen und sie auf eine Frau gelegt. Einmal eine
schöne, einmal eine häßliche.
Das sind einfach nur zwei Wiederholungsmuster, die mir jetzt
aufgefallen sind. Ich würde ihnen nicht allzuviel Bedeutung beimessen.
Obwohl, es könnte schon etwas dahinterstecken. Warum zum
Beispiel „es hat mich nicht gefreut“ und nicht „ich hatte keine Lust“? Auffällig:
es – ich. Mag ich keine Ich-Aussagen? Will ich mich lieber als Vektor (nicht:
Sieger) eines komplizierten Kräfteparallelogramms darstellen? Auch im anderen
Beispiel handelte nicht ich, sondern eine äußere Kraft H. Im ersten Fall in
meinem Sinn, im zweiten gegen meinen Sinn. Ich führte aber auch da die Szene
als absurde Karikatur eines sinnvollen Ablaufs weiter – innerlich übertölpelt
und schicksalsergeben lachend, betrunken. Auch schon wieder viele Jahre her.
Eine zweite äußere Kraft E hat dann auf mich eingewirkt und eine Flucht
ausgelöst. Wir sind wirklich weggerannt. E hat immerhin gefragt, ob es mir
recht ist zu fliehen. „Ja“ habe ich gesagt, aber so genau habe ich es in meinem
Zustand damals auch nicht gewußt. Trotzdem war mir klar, daß mich H anrennen
lassen wollte; vielleicht, damit ich endlich aufwache, oder damit der Stolz in
mir endlich aufwacht. Nein, ich glaube, betrunken wie ich war, wäre ich als
Narr willenlos lachend und sehenden Auges in mein Desaster gerannt, wie ein
einmal in Bewegung gesetztes Objekt im leeren Raum; einmal angestoßen, bewegt
es sich immer weiter.
Die Kraft E hat mich – Gottseidank – aus dieser Bahn
gestoßen. „Gottseidank“ sage ich heute.
Aber gute Frage: wo ist wirklich mein Stolz? Wahrscheinlich
in meiner inneren Korruption ertrunken.
(P.S.: Liebe Leserinnen! Falls euch das da oben kryptisch
vorkommt – solche Texte kommen zustande,
wenn der Erzähler in Deckung bleiben will. Pech gehabt!)
(7.12.2016)
©Peter Alois Rumpf Dezember
2016 peteraloisrumpf@gmail.com
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