Mittwoch, 7. Dezember 2016

530 Meine innere Korruption

„Es hat mich nicht gefreut“ habe ich übrigens nicht nur vorgestern, oder vorvorgestern gesagt, sondern schon vor zirka fünfzig Jahren. (Ich hatte es schon vergessen, aber wurde mehrmals daran erinnert; es scheint mächtig Eindruck gemacht zu haben.) Und H. hat zweimal – im Abstand von mehreren Jahren – meine Hand genommen und sie auf eine Frau gelegt. Einmal eine schöne, einmal eine häßliche.

Das sind einfach nur zwei Wiederholungsmuster, die mir jetzt aufgefallen sind. Ich würde ihnen nicht allzuviel Bedeutung beimessen.

Obwohl, es könnte schon etwas dahinterstecken. Warum zum Beispiel „es hat mich nicht gefreut“ und nicht „ich hatte keine Lust“? Auffällig: es – ich. Mag ich keine Ich-Aussagen? Will ich mich lieber als Vektor (nicht: Sieger) eines komplizierten Kräfteparallelogramms darstellen? Auch im anderen Beispiel handelte nicht ich, sondern eine äußere Kraft H. Im ersten Fall in meinem Sinn, im zweiten gegen meinen Sinn. Ich führte aber auch da die Szene als absurde Karikatur eines sinnvollen Ablaufs weiter – innerlich übertölpelt und schicksalsergeben lachend, betrunken. Auch schon wieder viele Jahre her. Eine zweite äußere Kraft E hat dann auf mich eingewirkt und eine Flucht ausgelöst. Wir sind wirklich weggerannt. E hat immerhin gefragt, ob es mir recht ist zu fliehen. „Ja“ habe ich gesagt, aber so genau habe ich es in meinem Zustand damals auch nicht gewußt. Trotzdem war mir klar, daß mich H anrennen lassen wollte; vielleicht, damit ich endlich aufwache, oder damit der Stolz in mir endlich aufwacht. Nein, ich glaube, betrunken wie ich war, wäre ich als Narr willenlos lachend und sehenden Auges in mein Desaster gerannt, wie ein einmal in Bewegung gesetztes Objekt im leeren Raum; einmal angestoßen, bewegt es sich immer weiter.
Die Kraft E hat mich – Gottseidank – aus dieser Bahn gestoßen. „Gottseidank“ sage ich heute.
Aber gute Frage: wo ist wirklich mein Stolz? Wahrscheinlich in meiner inneren Korruption ertrunken.


(P.S.: Liebe Leserinnen! Falls euch das da oben kryptisch vorkommt – solche Texte kommen zustande,  wenn der Erzähler in Deckung bleiben will. Pech gehabt!)




(7.12.2016)










©Peter Alois Rumpf     Dezember 2016     peteraloisrumpf@gmail.com

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