Freitag, 25. November 2016

517 Ich habe alle Zeit der Welt

Die Katze fragt mich, ob sie aufs Bett springen darf. Ich sage ja, sie zögert, schaut noch zum offenen Fenster hin, wo man das Regenwasser von Dach tropfen hört und kommt schließlich doch und hockt sich neben mich und erwartet ihre Streicheleinheiten. Die zweite Katze kommt kurz herein und blickt nervös herum; das schaut nach Streit aus, denn selten duldet die eine die andere und die andere die eine. Aber sie zieht schnell wieder ab und scharrt draußen im Katzenkisterl.

Ich habe Zeit. Ich habe alle Zeit der Welt. Es ist sieben Uhr früh und ich bin gut ausgeschlafen. Die Krähen rufen über den Lichtschacht, meinen Lüftungskanal zur Außenwelt, hinweg. Mein Schreibgerät ist schon voller Katzenhaare, aber ich bin ganz zufrieden. Ich genieße den Morgen, sein Dunkel, das immer lichter wird ganz langsam und allmählich.
So läßt sich's leben, wahrlich, so ist gut leben! Ich lache innerlich über mein übertriebenes Pathos, lasse es jedoch großzügig stehen. Ich wundere mich, warum ich heute in so kleiner Schrift schreibe, als müßte ich Papier sparen.

Ich muß kein Papier sparen. Mein Notizbuch ist noch ganz leer und drüben am Regal liegt noch ein komplett unbeschriebenes bereit.

Ich schließe das Fenster, denn die Luft wird kalt und ich huste. Die Katzen haben doch irgendetwas zu erledigen und hauen ab.

Ich gehe zu meiner fröhlichen Familie hinunter und wünsche einen guten Morgen. Wir besprechen kurz ein paar Sachen und dann ziehe ich mich wieder an meinen Arbeitsplatz hier im Bett zurück, während sie sich auf ihren Arbeitstag vorbereiten.

Meine Zufriedenheit und mein Gefühl, daß alles an seinem richtigen Ort ist, ruft irgendwo in mir Mißtrauen hervor. Ich lasse es zu. Es kann mir jedoch nichts anhaben, weil es aus dem vergangenheitsverhafteten Denken kommt und nicht im Hier und Jetzt verankert ist.

Im Hier und Jetzt huste ich, weil ich vor zwanzig Minuten das Fenster zu lange offen gelassen hatte.

Es ist jetzt deutlich heller, aber immer noch nicht hell.




(25.11.2016)













©Peter Alois Rumpf    November 2016    peteraloisrumpf@gmail.com

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