508 Eigenartig
Eigenartig. Von links kommt Musik, die mich auf eine Art
berührt, die ich nicht einordnen kann. Rechts habe ich mir eine Kindheitsszene
notiert. (Meine Szene mit H.S. Und noch wem (?) im Gumpernsteiner „Bad“.
Luftanhalten.) Vielleicht kann ich es zu einer kleinen Erzählung ausbauen, oder
wenigsten zu einer kleinen Geschichte. (Ich konnte unauffällig flach atmen.)
Das einzige Mal, wo ich meine Peiniger für einen Moment austricksen konnte.
(Bewundernde Worte. Angst, daß sie mich untertauchen. Gestehe Trick. Angeberei
der …) Eigentlich bin ich für alles schon zu müde. Egal. Ich werfe alle Pläne
und Vorsätze für morgen um, sodaß ich morgen Vormittag lange schlafen kann. Nur
den Anruf in der Buchhandlung, ob das bestellte Buch schon da ist
(Autobiographie Wolf Biermann), das darf ich nicht vergessen.
Staunend lausche ich der Musik (Bob Dylan, the bootleg
series, volume 1-3), während ich mit dem Schlaf kämpfe. Es ist so, als hätte
ich ein paralleles Leben gehabt, das ich erst jetzt wahrnehme und kennen lerne,
das aber immer schon neben meinem bekannten abgelaufen und mitgewachsen ist.
Wie die Lieder, die ich höre.
Gut, das habe ich jetzt nicht klar und verständlich
ausgedrückt. Vermutlich ist es mir selber noch nicht klar, was hinter diesem
Empfinden steckt. Und ich will mich auch gar nicht offenbaren. Das ist
natürlich schwer, etwas zu erzählen, das man nicht erzählen will. Oder kann. Zu
kompliziert im Moment. Ein andermal.
Und daß ich gar nichts schreibe, wenn ich merke, es geht
nicht recht? Das kann ich nicht mehr. Ich muß schreiben. Ich kann mich
nicht erinnern, wie ich all die Jahrzehnte gelebt habe, ohne zu schreiben. Ich
kann es mir auch gar nicht vorstellen. Wie habe ich da gelebt?
Jedenfalls habe ich jetzt, an meinem Morgen, der mitten in
den Vormittag fällt, die Rouleau (ich weiß: „das“, aber wir sagen „die“; und
außerdem „Rolleau“) hochgezogen und lasse das graue Herbstlicht herein.
Unausgeschlafen (Schreiben bis drei Uhr früh an meine angekündigten Geschichte;
nachfolgendes Wach-Liegen, bis sich meine Aufgeregtheit und Trauer gelegt
haben) noch innerlich und äußerlich schwankend, von Flimmern und Vibration
umgeben und erfüllt, merke ich, daß sich ein feiner, dünner, aber tragfähiger
Optimismus ausgebreitet hat. Wie ein unzerreißbares Netz. Das verdanke ich der
Schreiberei. Kann ich schreiben, ist alles gut.
Es ist alles gut.
(17./18.11.)
©Peter Alois Rumpf
November 2016
peteraloisrumpf@gmail.com
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