482 Bedingungsloses Grundeinkommen oder ich sterbe!
Durch mein Gesichtsfeld läuft quer ein unwirklicher grauer
Balken von links nach rechts. Nur kurz. Oder auch von rechts nach links. Ich
will mich jetzt nicht in Sprachzerlegungen verrennen – dafür bin ich im Moment
zu verstört – aber ziemlich sicher kommt das „von links nach rechts“ aus mir –
immerhin habe ich schon in meiner Kindheit immer von links nach rechts
abgechristelt. Dieser graue Balken steht ja einfach kurz da, er verläuft nicht.
Als nebelartiger Block erscheint er für einen Moment. Genauer kann ich es nicht
sagen. Weil er da drüben beim Bücherregal wirklich nicht hingehört – das weiß
ich schon, daß der nicht real ist – deshalb interessiert er mich. Mich
interessiert das Unwirkliche. Das Wirkliche kann ich kaum noch ertragen. Aber
auch das stimmt nicht. Ich kann zum Beispiel durch eine wirkliche herbstliche
Landschaft wandern und glücklich sein. Also: wie ich wirklich bin, halte
ich kaum aus. Es ist jetzt ein Moment, wo mir mein Scheitern und Versagen so
deutlich vor Augen steht, daß es fast zu viel ist. Ich halte mich kaum
aus.
Auch ich wäre manchmal gerne selbstverständlich. Ich möchte
auch – wie ich glaube, daß das die meisten können – zum Kühlschrank gehen, den
aufmachen und mir selbstverständlich etwas zum Essen herausnehmen. Einfach so
sich selbstverständlich fühlen. Aber so fühle ich mich nicht.
Selbstverständlich, das bin ich bis in die tiefste Seele hinein nicht. Ich bin
fragwürdig. Als Existenz nur fragwürdig. Und das ist noch höflich ausgedrückt.
Wenn ich mir etwas aus dem Kühlschrank nehme, schwingt immer
etwas mit wie: eigentlich steht es dir nicht zu. Deine Existenz ist nicht
gerechtfertigt. Du bist nicht gut genug. Du hast dir das Essen nicht verdient.
Du hast deine Lebensberechtigung noch nicht bewiesen - weder durch Tüchtigkeit,
Schlauheit, Cleverness, Lebenswillen etcetera, noch durch gesellschaftlich
anerkannte Arbeit, Erfolge, Siege und so weiter. Das alles fehlt dir; du bist
ein Schmarotzer.
Vom ersten Moment meiner Geburt an über Kindergarten, Schule
bis Döbereiner und heute herauf höre ich diese Stimme. Dieses Gefühl nagt
ständig in mir und frißt mich von innen auf. Du bist nicht gut genug. Und diese
Stimme wird besonders laut in Momenten, wo ich glaube, ich bin sie los. Gerade
dann bricht sie wieder herein, reißt ein Leck in den Schiffsrumpf und das Boot
bekommt Schlagseite.
(Bedingungsloses Grundeinkommen oder ich sterbe!)
©Peter
Alois Rumpf November 2016 peteraloisrumpf@gmail.com
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