439 Ich suche gerade mein Auto
Eine große Welle von – wahrscheinlich Selbstmitleid hat mich
mitgerissen. Mein verzagtes Leben tut mir weh. Nie aufgeblüht. Immer
Problemfall. Zu nichts zu gebrauchen. Eine traurige Erscheinung. Ich werde die
Dämonen meiner Kindheit nicht los. Ohne Autos und kein Führerschein.
Ich spüre einen körperlichen Schmerz in der Leibesmitte, der
bis zum Herzen herauf zieht. Es ist eindeutig ein seelischer Schmerz, der sich
körperlich ausdrückt. Auch das Ziehen hinter den Augen.
Als hätte ich mein ganzes Leben in einem besetzten Land
gelebt. Ich habe meine ganzes Leben in einem besetzten Land gelebt,
vielleicht mit ein paar Ausflügen.
Die Blockade war an meine Lebensimpulse schon angewachsen,
die ganze Zeit schon. Das tut weh. Besonders jetzt im Alter. Es ist nichts da.
Kein Werk, auf das man zurückblicken kann. Alles nichts geworden. Nichts.
Nichts. Nichts.
Jetzt wird aus dem Schmerz ein Zorn, ein unglaublicher Zorn,
der in mir tobt. Als ein Sturm im Wasserglas. Das Wasserglas jedoch hat einen
Sprung. Und schnell verebbt der Zorn und wandelt sich in Trauer, wandelt sich
in Trauer um. Im Nachhall klopft noch stark mein Herz, das selber gerne stark
sein möchte.
Laß es gut sein! Hör auf mit diesem Selbstmitleid und laß
dein Leben gut sein! Erlaub es ihm!
„Heute ist ein schöner Tag“ grüßt verschlafen das junge
Mädchen. Oh, wie mich das freut! Ich nehme das - noch traumverzittert und
schlafbetrunken – gerne an, gehe in mein Zimmer zurück, lege mich wieder ins
Bett und schreib es gleich auf: „Heute ist ein schöner Tag.“
Erleichtert atme ich auf. Daß dieser Morgen voller
Zuversicht ist und die Zukunft gerettet. Ich kann aus der ersten Linie
zurücktreten und die Stafette übergeben. Kaum etwas kann ich meinen Kindern hinterlassen, aber meinen Segen kann ich geben; das ist nicht viel, doch das ist alles, was ich habe.
Ich lehne mich zurück und entspanne mich.
Ich lehne mich zurück und entspanne mich.
Ich schlafe wieder ein und schreibe im Traum weiter an
meinem jenseitigen, traumhaften Werk. Wieviele LeserInnen habe ich dort?
Unverständliche Fetzen treiben bis hierher, drüben werden sie alle verstanden.
Auch ich gehe nochmals hinüber, vielleicht kann ich doch noch ein paar Sätze
mitnehmen für hier, für diese Welt. Aber mein Bewußtsein schnellt gleich weg in
ein Gebiet, an das ich mich nicht erinnern kann. Wir müssen das noch öfters
trainieren. (Selbstmitleid und Training passen nicht zusammen.)
Ah! Jetzt hat es geklappt mit dem Satz von drüben! „Ich
suche gerade mein Auto.“
©Peter Alois Rumpf September
2016 peteraloisrumpf@gmail.com
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]
<< Startseite