Donnerstag, 8. September 2016

439 Ich suche gerade mein Auto

Eine große Welle von – wahrscheinlich Selbstmitleid hat mich mitgerissen. Mein verzagtes Leben tut mir weh. Nie aufgeblüht. Immer Problemfall. Zu nichts zu gebrauchen. Eine traurige Erscheinung. Ich werde die Dämonen meiner Kindheit nicht los. Ohne Autos und kein Führerschein.
Ich spüre einen körperlichen Schmerz in der Leibesmitte, der bis zum Herzen herauf zieht. Es ist eindeutig ein seelischer Schmerz, der sich körperlich ausdrückt. Auch das Ziehen hinter den Augen.
Als hätte ich mein ganzes Leben in einem besetzten Land gelebt. Ich habe meine ganzes Leben in einem besetzten Land gelebt, vielleicht mit ein paar Ausflügen.
Die Blockade war an meine Lebensimpulse schon angewachsen, die ganze Zeit schon. Das tut weh. Besonders jetzt im Alter. Es ist nichts da. Kein Werk, auf das man zurückblicken kann. Alles nichts geworden. Nichts. Nichts. Nichts.
Jetzt wird aus dem Schmerz ein Zorn, ein unglaublicher Zorn, der in mir tobt. Als ein Sturm im Wasserglas. Das Wasserglas jedoch hat einen Sprung. Und schnell verebbt der Zorn und wandelt sich in Trauer, wandelt sich in Trauer um. Im Nachhall klopft noch stark mein Herz, das selber gerne stark sein möchte.
Laß es gut sein! Hör auf mit diesem Selbstmitleid und laß dein Leben gut sein! Erlaub es ihm!




„Heute ist ein schöner Tag“ grüßt verschlafen das junge Mädchen. Oh, wie mich das freut! Ich nehme das - noch traumverzittert und schlafbetrunken – gerne an, gehe in mein Zimmer zurück, lege mich wieder ins Bett und schreib es gleich auf: „Heute ist ein schöner Tag.“
Erleichtert atme ich auf. Daß dieser Morgen voller Zuversicht ist und die Zukunft gerettet. Ich kann aus der ersten Linie zurücktreten und die Stafette übergeben. Kaum etwas kann ich meinen Kindern hinterlassen, aber meinen Segen kann ich geben; das ist nicht viel, doch das ist alles, was ich habe.
Ich lehne mich zurück und entspanne mich.
Ich schlafe wieder ein und schreibe im Traum weiter an meinem jenseitigen, traumhaften Werk. Wieviele LeserInnen habe ich dort? Unverständliche Fetzen treiben bis hierher, drüben werden sie alle verstanden. Auch ich gehe nochmals hinüber, vielleicht kann ich doch noch ein paar Sätze mitnehmen für hier, für diese Welt. Aber mein Bewußtsein schnellt gleich weg in ein Gebiet, an das ich mich nicht erinnern kann. Wir müssen das noch öfters trainieren. (Selbstmitleid und Training passen nicht zusammen.)
Ah! Jetzt hat es geklappt mit dem Satz von drüben! „Ich suche gerade mein Auto.“
















©Peter Alois Rumpf    September 2016     peteraloisrumpf@gmail.com

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