Montag, 5. September 2016

436 Schulbeginn

Heftiges Duschen ist das dominante Geräusch. Abgelöst vom Lüftungsgeheul aus dem Lichtschacht, unterlegt mit unverständlichen Stimmen und Tassengeklapper. Erster Schultag des neuen Schuljahres. Eine nervöse, leicht angeekelte Aufregung liegt in der Luft. Jetzt verstummt die Lüftung für zwei Sekunden, nur um dann nochmals mit ihrem Heulen anzustarten, dann wieder kurz auszusetzen und erneut hochzufahren, eine halbe Minute lang, dann hört sie wieder auf. Relativ still ist es jetzt. Räumt jemand einen Geschirrspüler ein oder aus? Das leise Hintergrundrauschen des Straßenverkehrs, eine entfernte Krähe, eine Tür schlägt laut zu. Holz auf Holz und das Quietschen von etwas, das festgedreht wird.
Schritte auf der Stiege, die Stimmen der Schülerinnen, aha, jetzt wieder die Lüftung, aber nur ganz kurz.
Ein Kühlschrank scheint auch mitzuspielen. Die Lüftung  heult zweimal noch kurz auf. Die Stimme eines Mannes. Meine ist es nicht. Ich habe im Moment garnichts zu sagen.

Der Schulbeginn legt sich auch mir als schwerer Knoten in den Magen. Immer noch. Wir sind komplexere Wesen, als es uns die Rationalität vorgaukelt. Eine wichtige Erkenntnis von Marshall Rosenberg: „Nicht-ausgedrückte Angst erscheint im Auge des anderen fast immer immer als Aggression.“ (Von mir möglicherweise falsch übersetzt. Trotz acht Jahre Schulunterricht kann ich nicht Englisch.)

Draußen ist nun Ruhe. Der ferne Verkehrslärm könnte stellenweise fast als Waldesrauschen durchgehen. Heute werde ich den Vormittag gut nutzen. (Ich nutz den Vormittag ja schon ziemlich gut!) Mein Bewußtsein nimmt noch Träumebilder auf. (Ein älterer Mann und eine ebensolche Frau hängen in Badekleidung außen in einer riesengroßen Wand an einem kleinen Vorsprung aus Beton. Lang werden sie sich nimmer halten können.) Da ist ein alter Krähenvogel schnell zur Stelle mit seinem zweifachen „Krah! Krah!“ Die Kirchenglocken warnen gleich vor Zauberei. Obwohl auch unter ihren Fittichen der Stoff der Alltagswelt verwandelt wird. Die junge Krähe gibt mir recht indem sie „krah krah“ spricht. Die Tauben kümmert's nicht bei ihrem meistens triebumflorten „Gruhu!“ Doch was weiß ich schon von Tauben!
















©Peter Alois Rumpf    September 2016     peteraloisrumpf@gmail.com


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