Freitag, 2. September 2016

433 Riskantere Experimente

Heute habe ich mich aufs Schreiben gefreut. Darauf, mich gegen Mitternacht endlich ins Bett zu legen, mir dann die Pölster in den Rücken stopfen, das Notizbuch nehmen, den Stift, die Brille und zu schreiben zu beginnen.
Vom Lichtschacht stinkt trocknender Lack herein und benebelt mein Bewußtsein. Wie empfindlich ich bin.
Jetzt kommt nichts. Aber das macht nichts.
Meine Gedanken schweifen undiszipliniert herum.



Im Traum war ich einer Frau hinterher, aber daraus ist nichts geworden. Ein Herumgeirre in baustellenhaften Erdgeschoßwohnungen. Als wir endlich zusammen sind, entzieht sie sich.

Aufgeweckt hat mich eine Ein- oder Zweisekundenmusik aus dem Lichtschacht. Gestern war es eine männliche, offiziell klingende Lautsprecherstimme, die „Evakuieren Sie dieses Haus!“ gesagt hat. Mehrmals. „Evakuieren Sie dieses Haus!“ - Pause - „Evakuieren Sie dieses Haus!“ - Pause - „Evakuieren Sie dieses Haus!“ - Pause - „Evakuieren Sie dieses Haus!“ - Pause - „Evakuieren Sie dieses Haus!“

Ich bin es gewohnt, die Welt nicht zu verstehen. Walken gehe ich heute nicht. Ich bin es auch gewohnt, Pläne zu begraben. Und Hoffnungen. Es fällt mir auf – horche ich in mich hinein, tauchen Trauer und Resignation auf. Eine Resignation, die so ein wenig lächelt. Eine Trauer, die durchaus die Welt liebt. Ein Schmerz, der niemandem etwas vorwirft.

Der Duft von Kaffee kitzelt meine Sinne. Ich immer mit diesen selbstverordneten Anti-Drogen-Programmen! Wie ich Leute beneide, die ganz unbefangen Kaffee trinken. Zum Beispiel.

Melancholie stelle ich mir so schön vor, wenn man wohlhabend ist. Nichts arbeiten. Am Vormittag im Kaffeehaus sitzen und mit mild-verlorenem Blick den draußen am Fenster herumgehenden Leuten zuschauen. Eine kleine Reise dahin. Eine kleine Reise dorthin. Dort ebenfalls vormittags im Kaffeehaus sitzen …

Manchmal auch riskantere Experimente; zum Beispiel sich drei Tage in einem Ort in Österreich einquartieren, nur weil einem der Ortsnamen gefallen hat oder interessant vorkommt. Einfach vom Atlas in die Realität. Partenen, Schruns-Tschagguns, Flirsch, Telfs, Zirl, Wörgl, Rettenschöß, Muhr, St. Michael, St. Georgen, St. Magdalen, St. Theres, St. Marein am Pickelbach, St. Radegund, St. Gallen, Mettmach, Gallspach, Waizenkirchen, Linz, Lunz, Lienz, Liezen, St. Lorenzen, Zlaim, Waidhofen an der Ybbs, Weyer, Weißenbach an der Enns, Großsölk, Kleinsölk, Großklein, Kleinklein,  Stinatz, Sinabelkirchen oder Graz, Slovenji Plajberg, Teurnia oder St. Peter im Holze, St. Margarethen, Viktring (wird nicht w, sondern f gesprochen), Kötschach-Mauthen, Feistritz/Bistrica, Leibnitz/Libnica, Seckau, Vorau, Pöllau, Maissau, Mailberg, Retz, Zwettl, Fratres, Hirschwang, Hadres, Apetlon, Großsteinbach, nicht zu vergessen Windisch-Matrei, Zwentendorf, St. Pantaleon ...
Und nur öffentlich anreisen! Herumgehen kann man immer. Ja, genau, viel gehen und wandern. Geld spielt keine Rolle. Wenn man Hunger hat, geht man essen, wenn man müde ist, kehrt man ein oder nimmt sich ein Quartier. Wenn man neue Schuhe braucht, kauft man sie im nächsten Geschäft am Weg. Nicht durchorganisiert; wie es sich halt so ergibt.

Nichtstun ist wirklich die mir angemessene Lebensform. Notizenmachen kann man auch immer. Das wär's dann schon.












©Peter Alois Rumpf    September 2016       peteraloisrumpf@gmail.com

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]

<< Startseite