Mittwoch, 31. August 2016

431 „Saus rauf!“

Morgendämmerung. Stille. Das Surren in meinen Ohren wird immer lauter. Es öffnet sich zur Panik hin, zunächst unterschwellig, dann immer offener. Aber ich beherrsche mich und lasse mich auf dieses Panikangebot nicht ein.
Das Herz vielleicht? Ist irgendetwas mit dem Herzen? Ich versuche den Puls zu fühlen, aber ich finde zuerst keinen. Endlich. Ist der Herzschlag etwas zu schnell? Mein Herz, vom Traum noch erschrocken? Meine Kinder in Gefahr durch Kriminelle? Der Chef von denen ist ein Typ aus meiner Kindheit; sein Bruder ist auch dabei.
Ruuuhig! Peter, es war ja nur ein Traum! Der Traum hat nur mit dir zu tun, nicht mit den Kindern! Die Lüftungsmusik aus dem Lichtschacht begleitet diese Beruhigungsphase, aber mein Herz beruhigt sich nur langsam.

Kurz stehe ich in einem fast ausgestorbenen italienischen Städtchen, nicht weit vom Meer, und ich schaue mich um, diese schönen, dicht stehenden Steinhäuser, die schöne Gassen und Plätze bilden, und ich überlege, welches Haus ich mir nehmen könnte und ob sich hier eine Künstlerkolonie aufbauen ließe. Dann wird die Szene wieder weggezogen. Ja, das wird viel Geld kosten, aber das werde ich bald haben.

Die Lüftung verstummt und die Stille jetzt ist wieder leicht von Panik infiziert. Sie lauert am Rand auf ihre Chance. Ich bin jedoch ein Meister im Standhalten. Die Augen fallen mir zu.
Mit geschlossenen Augen schaue ich an meinem Körper hinunter und sehe das Skelett, vor allem die beiden Oberschenkelknochen. Genauer gesagt, eher fühle ich sie mit den Augen, als daß ich sie sehe. Ich selber als mein eigener Gevatter Tod, der sich ausruht.

Mit dem Druckknopf zur Regulierung der Mine des Kugelschreibers reinige ich traumgedankenverloren meine Ohren. Also, jetzt bin ich schon sehr im profanen Bereich. Gottseidank! Es ist ja schon hell geworden draußen. Ich werde noch ein letztes Stündlein schlafen.


„Saus rauf!“ ruft eine Stimme aus dem Lichtschacht und mein Bewußtsein fliegt aus dem Reich der Traumsplitter nach oben in die Alltagswelt. Viele Bilder, Halbsätze, Gedankentrümmer hat es dort gegeben, aber davon ist nur eine Stimmungswolke mitgekommen; alles andere blieb unten liegen. Zu schwer zum Mitfliegen. Oder umgekehrt, zu leicht für die Schwerkraft, für die Anziehungskraft der Erde.

Bei der Nasenwurzel oben zieht es, fast schmerzhaft, es strahlt bis zu den Ohren aus. Die sind weiterhin mit surren beschäftigt. Jetzt ist das Ziehen wieder vorbei. Jetzt zieht es unten bei meiner kaputten Bandscheibe; ich werde nicht mehr lange in dieser Haltung im Bett hocken dürfen, ohne wirkliche Schmerzen zu riskieren. Aber auch das beruhigt sich wieder.
Ich lehne meinen Kopf nach links, lehne ihn bei nichts an, und wirklich, das Nichts spendet etwas Trost.

Im Übrigen: es ist bei mir alles genauso, wie es gut ist. Diese Erkenntnis ist mir vor drei oder sieben oder elf Minuten gekommen. Alles ist an seinem richtigen Platz. Jede andere Konstellation wäre für meine Mitmenschen zu unerträglich.













©Peter Alois Rumpf   August 2016   peteraloisrumpf@gmail.com


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