422 Vollmondnacht
Ich bin neugierig, was heute Nacht aufs Papier kommt. Ich
habe nämlich keine Idee. Es ist fast schon zu spät zum Schreiben, denn morgen
Vormittag habe ich einiges zu erledigen und einiges vor. Ich bin ein wenig
nervös deswegen. Werde ich rechtzeitig aufwachen? Diese Unruhe stört mein
Horchen und Schauen. Auf den Samstag kann ich auch nichts verschieben. Der ist
schon voll.
Keine gute Stimmung fürs Schreiben.
Die beiden Visionäre kommen mir momentan wie zwei in die
Aurakamera lachende alte Krauterer vor. So habe ich sie noch nie gesehen.
Wegen dieser Unruhe fehlt mir bei allem der Untergrund;
jeder Satz rutscht aus und wieder den Hang hinunter. Wenn ich einfach
weitermache, muß etwas herauskommen. Meine LeserInnen kennen das schon: Surren,
Ticken. Mein Hinhören verändert den Ton. Das Surren ist sehr schrill und sehr
laut, aber auch das Ticken kommt manchmal näher und entfernt sich wieder. Nur
Promille davon sind echt. Wieviele Promille meiner Schreiberei sind „echt“? Ich
lebe in einer eigenartigen Stadt: sie hat weltbewegende Menschen beherbergt und
hervorgebracht – wie Freud, Mesmer – und sie alle so gut, nein, so schlecht wie
vertrieben.
Obwohl ich schon wach bin, wälze ich mich noch im Bett hin
und her und versuche die Traumfetzen glatt zu bügeln. Die Katze kratzt an der
Tür und als ich sie öffne, kommt sie zuerst nicht herein, dann doch, dann geht
sie wieder.
Ich weiß überhaupt nicht, was sich in diesem Haus abspielt,
vorallem wer um sechs Uhr in der Früh im Lichtschacht arbeitet. Zumindest
klingt es so, als würde jemand – von der Geräuschkulisse her weiblich – im
Lichtschacht für eine Fußballmannschaft kochen oder das Frühstück bereiten.
(Tagsüber hört man davon nichts.) An manchen Tagen gesellt sich auch männlicher
Lärm dazu, auch der rätselhaften, aber handwerklichen Ursprungs. Ich erinnere
mich auch an Dialoge Frau – Mann (die tonangebende, dialogführende Stimme war
die der Frau). Ich gehe im Geist die Stockwerke durch und wer mit Fenster zum
Lichtschacht wohnt; nur das Erdgeschoß ist mir ein Rätsel, das habe ich
überhaupt keine Ahnung. Gerade das wird es aber sein.
„Jetzt antworte ich nichts!“ stellt eine innere Stimme fest;
keine Ahnung, wer sie was gefragt hat und wer sie überhaupt ist.
Ich bringe ein junge Frau auf einem Lastwagen, hinten unter
der Plane, unter und frage nach der Matura.
An einem Knie – was? Was ist damit?
Ich spritze Wasser auf den Fußboden, bereite ihn so fürs
Aufwaschen vor. Der Fußboden jedoch ist nicht von dieser Welt.
Ich werde noch ein wenig schlafen.
Die Katze kommt und geht.
Meine Tochter geht mit einer Gebetsmappe aus meinem Traum
und kommt beim Aufwachen wieder.
Gott segne diesen Tag. Möge die Macht mit dir sein.
©Peter Alois Rumpf August 2016
peteraloisrumpf@gmail.com
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