412 Am Anfang und am Ende einer Schlafphase
Nachmitternächtliche Umschau. Nur oberflächlich. Ich lausche
auch hinaus in die stille, städtische Nacht. Am lautesten ist immer noch mein
Ohrensurren. Und das Weckerticken. Es war ein guter Tag heute. Ich habe mehr Interviews
zustandegebracht, als sonst bei mir üblich. Da fühle ich mich gleich viel wohler
in meinem Körper.
Minutenlang halte ich aufrecht im Bett sitzend mein
Notizbuch in der Hand, während meine Gedanken umherschweifen, mir die Augen
zufallen und ich zu schreiben vergesse. Was sagt die Leserin? Besser so?
Im Traum war ich wieder, wie so oft, im Haus am Fluß. Und
wieder am Tag der Abreise. Große Hektik, um alles in Ordnung zu bringen.
Irgendetwas fehlt, ich glaube, es war etwas Technisches, irgendetwas ist nicht
an seinem Ort, wird uns der Vermieter ohne Pönale ziehen lassen? Da klingelt
das Festnetztelephon. Für mich? Ich bin ja schon fast weg. Wer weiß außerdem,
daß ich hier bin und kennt die Telephonnummer vom Haus am Fluß? Es kann nicht
für mich sein, aber weil sonst niemand im Raum ist, hebe ich ab. „Hallo?!“
„Servus Peter!“ Ich tue freudig: „Ahh! Servus! … (keine Ahnung, wer das ist) ..
wie geht’s?“ Darauf er enttäuscht: „Ah, du erkennst mich nicht!“ Die Stimme
ganz traurig. Sie kommt mir schon bekannt vor, aber wer ist es? Peinlich.
(Fritz, warst du das? Hast du aus dem Jenseits angerufen? Sei nicht enttäuscht,
ich war doch gerade im Stress der Abreise und habe sowieso nicht mehr gewußt,
wo mir der Kopf steht. Sei bitte nicht enttäuscht.
Aber es stimmt schon, ich habe dich nie richtig
wahrgenommen, aus meinem Hochmut heraus, keine Gedanken an dich verschwendet
und bei unseren seltenen Begegnungen ein Gespräch auf gleicher Höhe bloß
vorgetäuscht.)
Jetzt … am Wegrand steht so etwas wie ein kleiner
Betonbunker, innen führt ein Schacht in die Tiefe. Ungefähr so, wie ehemalige
Wasserreservoirs aussehen können. Bei uns in Irdning gab es so einen, links, an
der Straße zum Pranzl rauf. Dieses Wasserreservoir war nicht mehr im Betrieb,
das kleine Gehäuse ist in die Straßenböschung hineingebaut, eine kleine,
normalerweise versperrte Metalltür, und innen ging ein betonierter Schacht ein
paar Meter in die Tiefe (oder weniger? Als Kind …) und unten gab es zwei
betonierte Kammern. Als Kinder sind wir irgendwann einmal hineingekommen und
haben unten Reste von Holzkisten gefunden. Wir waren überzeugt, die stammen
noch aus dem Krieg, weil einer von uns behauptet hat, daß dieses leere Wasserreservoir
als Bunker genutzt wurde.
So ähnlich schaut auch das im Traum aus. Nur steht es in
einer komplett anderen Landschaft: kahl, ockerfarben, fast wüstenartig, keine Häuser
weit und breit. Leer, nur eine kleine Schotterstraße führte daran vorbei.
Ich schlüpfe schnell hinein, und als ich den Schacht, der der Anfang eines Fluchttunnels ist, hinuntersteigen will, öffnet ein Kleinkind
- keine Ahnung, woher das so plötzlich gekommen ist – ungefähr ein
Jahr alt, es konnte sich gerade wackelig auf den Beinen halten - dauernd die
Metalltür; jedesmal, wenn ich sie zugemacht hatte, macht sie der kleine Bub
wieder auf und freut sich sichtlich am vermeintlichen Spiel. Diese Metalltüre
konnte man nämlich nicht von innen verschließen. Ich wollte das Kind davon
abbringen, denn das wußte ich: es geht um sehr viel Geld und irgendetwas an
dem, was ich machte, war illegal, um nicht zu sagen kriminell. Eigentlich
sollte ich nicht gesehen werden, darum versuchte ich auch das Kind davon
abzuhalten, immer wieder die von mir zugezogene Tür aufzumachen. Vergeblich, es
lachte und freute sich, daß ich mit ihm spiele. Weil ich die Aufmerksamkeit
nicht noch mehr auf mich lenken wollte, rede ich auch den stolzen Vater nicht
an, der hinter dem Buben steht und gerade dümmlich ergriffen die Intelligenz seines Kindes
bewundert, ich fürchte, Stimme, Sprache, Akzent könnten mich verraten, ich
glaube, ich bin ja auch im Ausland, der junge Vater soll sich an möglichst
wenig von mir erinnern. Noch dazu, wo ich, gerade als ich die Tür wieder
zuziehe, durch den Spalt sehe, daß auf der Straße zwei Reiter herangallopiert
kommen – ich denke sofort: berittene Polizei! Ich scheiß auf die Tür und steige
in den Schacht, das Kind kommt jetzt auch herein und freut sich und lacht;
verdammt, es geht um viel, um sehr viel Geld …
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