Mittwoch, 17. August 2016

420 Ich sitze im Zentrum

Ich sitze im Zentrum und wenn ich nicht aufpasse, dreht sich das Zimmer um mich. Nicht schnell, nein, ganz langsam. Ganz langsam ziehen die Wände vorbei. Wenn ich aufpasse, merke ich nichts davon, da bleibt das Zimmer ruhig.
Die Lüftung draußen geht an wie die Posaunen des Jüngsten Gerichts. Dann verliert sich das Pathos und es wird ein bloß technisches Geräusch mit untergründigen Schwingungen.
Kühle Nachtluft strömt herein, leise, unsichtbar, kaum spürbar.
In mir ist ein angenehmes Nichts. Kein Schmerz. Keine Wünsche. Keine Ziele. Kaum Gedanken.
Jetzt bewegt sich das Zimmer durchs Weltall, aber drinnen ist es gut angenehm schön. Diese Reise gefällt mir. Ich glaube, sie führt in den Schlaf.



Eigenartige Geräusche kommen aus dem Lichtschacht herauf und wecken mich. Am einfachsten ist noch das Kehren eines Besen auf nassem Boden erkennbar. Türenknallen, Klospülung, Hantieren mit Geschirr oder Glas, etwa eine Kiste mit Gläsern. Dann eigenartige Stimmen wie Röcheln und Ujjayi-Atmen. Rotzaufziehen und Ausspucken, männlich. Hechelndes Atmen. Flaches Atmen. Dann Atmen...  Atmen in sexueller Erregung? Kurz heult die Entlüftung auf, wirklich kurz, höchstens eine Sekunde, dann ist es still.
Dann hört man von ferne Tauben gurren. Ab und zu, sehr selten, trägt ein Windhauch etwas vom Rauschen der Straßen herein. Kaum hörbar, so leise, daß es gerade noch mein Surren durchdringt. Jetzt das kurze Pinkeln einer Frau.

Das war der Lichtschacht. Und innen? Innen schwimmen noch ein paar verwirrende Traumelemente herum, aber ich selber bin nicht verwirrt. Überhaupt nicht. Es fühlt sich an, als hätte ich keine Gefühle; nichts, das mich anzieht oder abstößt. Ich finde auch sonst nichts in mir. Auch die Traumelemente bewegen sich schon aus dem inneren Gesichtsfeld hinaus.
Habe ich es geschafft? Bin ich in einem „höheren“ Stadium? Ein abgehobener „Weiser“, leer, ohne menschliche Form? Normalerweise würde ich mich wegen solcher Gedanken auslachen, aber ich finde es weder lächerlich, noch schlimm, sie vorbeiwandern zu lassen, sondern eher belanglos. Oder ist bloß mein Geist noch verschlafen und träge und arbeitet noch nicht? Ich will über die anscheinend vorhandene Skepsis nachdenken und darüber, was mich jetzt narrt, aber es geht nicht. Ich ziehe mir das Surren wie eine Nachthaube über und gehe in einen vorschlaflichen Zustand. Aus dem rutsche ich bald wieder heraus und schaue und lausche in die schon hell gewordene Realität, aber gleichgültig; wie bestellt und nicht abgeholt.















©Peter Alois Rumpf   August 2016   peteraloisrumpf@gmail.com

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]

<< Startseite