425 Katzenscheiße
Ich kauere innen am Rand einer Kugel und schaue in sie
hinein. Links hat die Kugel ein Fenster nach draußen, in einen
Verbindungsschacht in die Außenwelt. Eine scharfe, laute, großteils
unverständliche Frauenstimme sagt eine Telefonnummer an. Ich liege auf der
Lauer, aber wonach halte ich Ausschau? Um welche Beute geht es? Was suche ich
in meinem Leben? Weiß ich das wirklich nicht? Oder bin ich zu träge, müde, erschöpft
zum Nachdenken? Mir kommt es komisch vor, daß ich da nachdenken muß.
Mir fallen die Augen zu, mein Lauern ist nur mehr akustisch
und fängt sich gleich das Surren ein. Und? Sagt es etwas? Kann man daraus
irgendwas ablesen? Weiß man dann, daß da etwas näherkommt oder sich entfernt?
Ein Anzeichen für irgendwas? Für eine Anwesenheit oder Abwesenheit?
Etwas Scharfes ist heute in den Geräuschen draußen. Auch der
Wecker redet fast, ich höre etwas wie „du hast keine Zeit!“ heraus. Trotzdem
bleibe ich am Rand dieser Blase hocken. Bin ich noch nicht in die Welt geboren?
Eine in der Gebärmutter lebende Totgeburt? Bestellt und nicht abgeholt,
vergessen? Ein ekliges Bild! Jetzt kommt Wind auf und bläst bis zu mir herein. Ahne ich die Unendlichkeit, die mich umgibt? Oder sitze ich in Platons
Höhle? Der Gestank von Katzenscheiße dringt mir in die Nase. Ich springe auf
und schaue nach.
Die Katzen als Geburtshelferinnen für den neuen Tag? Oder
zumindest als Unterstützerinnen beim Aus-dem-Bett-Kommen? Was wollen die nur
sagen? „Raus aus dem Bett!“? Oder „uns ist so fad!“? Ein Katzenflüsterer oder
eine Katzenflüsterin müssen her. Einen Menschenflüsterer, eine
Menschenflüsterin könnte ich auch brauchen, die mich mir selber erklären.
Die Blase ist aufgelöst. Das Zimmer ist nicht mehr rund,
sondern eckig. Ich denke an einen Rechtsanwalt. An einen konkreten. Wie
geschickt der agiert hat! Wie selbstverständlich. Machte nicht den Eindruck,
als müßte es sich Recht-fertigen. Das kann auch eine gewisse Großzügigkeit
ergeben, und jedenfalls Souveränität. Möglicherweise aber auch ein wenig
Blindheit.
Jetzt weiß ich, was ich suche: Rechtfertigung! Und dafür
einen Beistand vor Gericht gegen die Anklage einer ungerechtfertigten Existenz.
Gegen die Anklage, daß ich nicht existieren soll. Beim Aussortieren übersehen.
Jetzt weiß ich es: wenn ich es aufgeben könnte, meine
Existenz rechtfertigen, erklären oder entschuldigen zu müssen, dann hätte ich
mehr Energie zum Leben.
©Peter Alois Rumpf August 2016 peteraloisrumpf@gmail.com
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