Montag, 22. August 2016

425 Katzenscheiße

Ich kauere innen am Rand einer Kugel und schaue in sie hinein. Links hat die Kugel ein Fenster nach draußen, in einen Verbindungsschacht in die Außenwelt. Eine scharfe, laute, großteils unverständliche Frauenstimme sagt eine Telefonnummer an. Ich liege auf der Lauer, aber wonach halte ich Ausschau? Um welche Beute geht es? Was suche ich in meinem Leben? Weiß ich das wirklich nicht? Oder bin ich zu träge, müde, erschöpft zum Nachdenken? Mir kommt es komisch vor, daß ich da nachdenken muß.
Mir fallen die Augen zu, mein Lauern ist nur mehr akustisch und fängt sich gleich das Surren ein. Und? Sagt es etwas? Kann man daraus irgendwas ablesen? Weiß man dann, daß da etwas näherkommt oder sich entfernt? Ein Anzeichen für irgendwas? Für eine Anwesenheit oder Abwesenheit?
Etwas Scharfes ist heute in den Geräuschen draußen. Auch der Wecker redet fast, ich höre etwas wie „du hast keine Zeit!“ heraus. Trotzdem bleibe ich am Rand dieser Blase hocken. Bin ich noch nicht in die Welt geboren? Eine in der Gebärmutter lebende Totgeburt? Bestellt und nicht abgeholt, vergessen? Ein ekliges Bild! Jetzt kommt Wind auf und bläst bis zu mir herein. Ahne ich die Unendlichkeit, die mich umgibt? Oder sitze ich in Platons Höhle? Der Gestank von Katzenscheiße dringt mir in die Nase. Ich springe auf und schaue nach.

Die Katzen als Geburtshelferinnen für den neuen Tag? Oder zumindest als Unterstützerinnen beim Aus-dem-Bett-Kommen? Was wollen die nur sagen? „Raus aus dem Bett!“? Oder „uns ist so fad!“? Ein Katzenflüsterer oder eine Katzenflüsterin müssen her. Einen Menschenflüsterer, eine Menschenflüsterin könnte ich auch brauchen, die mich mir selber erklären.

Die Blase ist aufgelöst. Das Zimmer ist nicht mehr rund, sondern eckig. Ich denke an einen Rechtsanwalt. An einen konkreten. Wie geschickt der agiert hat! Wie selbstverständlich. Machte nicht den Eindruck, als müßte es sich Recht-fertigen. Das kann auch eine gewisse Großzügigkeit ergeben, und jedenfalls Souveränität. Möglicherweise aber auch ein wenig Blindheit.

Jetzt weiß ich, was ich suche: Rechtfertigung! Und dafür einen Beistand vor Gericht gegen die Anklage einer ungerechtfertigten Existenz. Gegen die Anklage, daß ich nicht existieren soll. Beim Aussortieren übersehen.

Jetzt weiß ich es: wenn ich es aufgeben könnte, meine Existenz rechtfertigen, erklären oder entschuldigen zu müssen, dann hätte ich mehr Energie zum Leben.
















©Peter Alois Rumpf   August 2016   peteraloisrumpf@gmail.com

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