Dienstag, 23. Februar 2016

301 Wundertäterfragment 10

Ein warmer Tag im Februar. Der Wundertäter überlegt bei sich: Soll ich die Winterkleidung weglegen und die Sommerkleidung anziehen? Draußen ist es sehr warm, aber es können noch kalte Tage kommen. Sicher kommen noch kalte Tage.
Am liebsten würde der Wundertäter nur einmal im Jahr von Winterkleidung auf Sommerkleidung und einmal von Sommerkleidung auf Winterkleidung wechseln. Wie es vom Adel in Tibet erzählt wird. Die haben dann – so wurde erzählt – lange diskutiert, ob jetzt schon der richtige Zeitpunkt für den Wechsel gekommen ist, oder ob man noch warten soll, ob die Hofastrologen das Wetter richtig berechnet haben oder nicht.
Der Wundertäter mag das Umräumen all der Dinge, die sich in den Taschen seiner Jacken und Sakkos befinden, nicht. Das schiebt er gerne hinaus, so lange es geht. Und wenn er einmal alles umgeräumt hat, dann will er es nicht mehr zurückräumen, wenn das Wetter doch wieder in die sich verabschiedende Jahreszeit zurückfällt. Ich kann ja die Winterjacke offen tragen, denkt er sich, es wird sicher wieder kalt.
Wenn er seine Ausweise, Kundenkarten, Notizzettel, Brillen, Kämme, Kugelschreiber, Notizbüchlein, Flugzettel, Eintrittskarten, Handschuhe, Taschentücherpackerl, seinen MP3-Player undsoweiter aus der Winterjacke raus in ein Sommersakko gibt, dann dauert das eine halbe Minute, aber er macht es ungern. Was ihn aufhält sind die vielen Notizen auf Zettel, in Büchlein, auf der Rückseite von Kinokarten, schnell festgehaltene Gedanken, oder Telefonnummern, Adressen – oft hat er vergessen von wem – oder Veranstaltungsankündigungen, Orientierungshilfen für irgendwelche Wege in unbekanntes Gebiet etcetera, die er alle durchlesen muß und aussortieren. Manchmal kann er seine Schrift nicht mehr lesen. Seinetwegen könnte das Papier in den Taschen verrotten.
Er will unbedingt alles wichtige bei sich tragen: Reisepass, Notizen, Papier, Schreibzeug, Taschentücher, mindestens eine Packung Zünder für den Fall, daß es ihn in die Wildnis verschlägt – meistens ist das Zündholzschachterl schon zerfallen und die Zündholzer kugeln offen in der Tasche herum, die Reibfläche unbrauchbar geworden wie auch die Zündköpfe – dann seine Diamanten (die er gar nicht besitzt, sich jedoch gerne vorstellt, solche zu besitzen; ihm gefällt die Vorstellung, seinen Reichtum immer bei sich herumzutragen), jedenfalls ständig bereit zur Flucht. Denn das weiß er: Wundertäter sind sehr gefährdet und werden bei Volkszorn schnell gelyncht.
















©Peter Alois Rumpf  Februar 2016    peteraloisrumpf@gmail.com

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