292 Wundertäterfragment 7
Das Wundertäterthema ist ein wenig eingeschlafen, weil ich
erst ein Photo finden muß. Muß ich das wirklich? Kann ich nicht weitermachen
wie bisher?
Hat der Wundertäter Spinnweben in der Wohnung, die der
übersieht? Wie wohnt er überhaupt, allein? Hat er eine Putzfrau (Putzmann –
soll ich das einführen?) oder staubt er selber ab. Oder staubt er gar nicht,
oder äußerst selten ab und der Staub wirbelt im Luftzug herum?
Große Wohnung, kleine Wohnung? Ich glaube schon, daß eher
ein kleines Zimmer zu ihm passt. Das kleine Zimmer: in der Wohnung einer oder
seiner Familie? In Untermiete, in einer Wohngemeinschaft, in einem Kloster?
Allein in einer Hütte? Wie ist das Zimmer eingerichtet: gestylt, welcher Stil,
durchdacht, geplant, zufällig, sorgfältig, nachlässig? Hat der Bücher? Viele,
wenige? Ich warte auf das Photo.
Ich mache ihn eher bescheiden und arm; nicht zu
intellektuell – schließlich muß er ja an einer lebendigen Kraft angeschlossen
sein, sonst könnte er kein Wundertäter sein. Geistig ist er schon.
Süchtig darf er nicht sein, aber darf er süchtig gewesen
sein? Hat er eine Drogenphase hinter sich und ist geläutert daraus
hervorgegangen? Ist er durch den Drogenkonsum so sehr mit jenseitigen Kräften
in Verbindung gekommen, daß er seine Wunderkräfte begriffen und über einen
kalten Entzug - aus eigener Entscheidung - aufgehört, Körper und Geist
gereinigt hat und dann mehr wußte als zuvor?
Ich bleibe dabei – er hält seine Wunderkraft zurück und
sammelt sie, um das finale Wunder, die Rettung seines Schöpfers Charms,
vollbringen zu können.
Damit komme ich wieder an den Anfang zurück: Ist er so sehr
auf sein Ziel gerichtet, daß er seine Umgebung, sein eigenes Äußeres, sein
eigenes Leben vernachlässigt, oder – im Gegenteil – daß er seinen Alltag
dankbar als Übung und Training für sein Vorhaben nimmt. Dann wischt er eher
selber den Staub. Wenn die Rettung Charms gelingen soll, muß es die zweite
Variante sein.
Oder ganz anders. Könnte der Wundertäter – wenn er im
christlichen Kontext geboren und aufgewachsen ist – jemand sein, der sich als
Kind zum Priester berufen fühlte und dann damit nicht durchgekommen und
gescheitert ist, und somit das Wunder der Wandlung von Brot und Wein, also von
irdischen Substanzen in himmlische „Substanz“, nie vollzogen hat? Das wäre ein
komplett anderer Ansatz. Die Idee mit dem finalen Wunder würde dann nicht mehr
recht passen und es wäre noch weiter weg von Charms.
Er ist als Kind in Umstände geraten, die die Erfüllung
seiner Berufung verhindert haben; er hatte nicht den Mut, oder die Kraft, oder
die Selbstsicherheit, sie durchzusetzen. Und bleibt so ein Wundertäter ohne
Wunder. Dann wäre er tatsächlich eine gescheiterte Figur. Er will zum Beispiel
seine Eltern nicht verletzen und verzichtet und gehorcht und bis er merkt, daß
er ihnen gerade so nicht helfen kann, ist es zu spät. (Keine Vollmacht zum
Sündenvergeben etwa.) Er hat sich zu sehr in die ihm aufgedrängte Welt
verstrickt und kommt sich wertlos vor.
Das wäre eine ganz andere Geschichte und ich müßte zurück
zum Start. („Mensch ärgere dich nicht!“ „Keine Spur! Ich finde das auch eine
aufregende Variante.“)
Und „der Wundertäter war von hohem Wuchs“ würde auch
ausdrücken, daß er zu etwas großem angesetzt hat, so, als würde man hinter
einem beschnittenen und zusammengestutzten Baum noch sein Urbild sehen können,
aufrecht, frei, hochwachsend, aufragend.
Gäbe das genug für einen ganzen Roman her oder bliebe das
eine kleine Episode am Rand.
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