287 Wundertäterfragment 6
Darf der Wundertäter schlecht hören, weil er zu oft in
Diskotheken und bei Popkonzerten war? Hat er überhaupt etwas mit diesen Kulten
zu tun? Oder ist er nur bis zum Existentialismus gekommen? Darf er billige
Scherze von sich geben, oder muß er sehr korrekt sein?
Alle diese Entscheidungen werden mir zu viel. Ich brauche
ein Ur-Bild vom Wundertäter, einen Prototyp, zu dem ich immer zurückkehren
kann, wenn mir die Gedanken zu sehr ausufern.
Ich nehme ein Photo und sage, das ist der Wundertäter, und
gehe dann immer davon aus – welches Gewand trägt er, was sagen seine
Gesichtszüge aus, was könnte er mögen, was könnte er machen. Das Photo müßte
ich sorgfältig auswählen und dann die Figur des Wundertäters um dieses Photo
herum zeichnen und alles, was ich mir ausdenke, an Hand dieses Photos
überprüfen. Der Mann am Photo sollte ein unbekannter, auf den ersten Blick eher
ein alltäglicher Mensch sein, aber auf den zweiten ein Geheimnis oder eine
Kraft ausstrahlen. Im Moment denke ich eher an einen Mann aus den
Fünfzigerjahren, oder von noch früher, etwa ein Typus wie Juan Ramon Jimenez,
markantes Gesicht, das Stärke und Sensibilität vereint. Natürlich kann ich Juan
Ramon Jimenez, einer meiner Lieblingsdichter, nicht als Prototyp nehmen; sein
Bild war nur ein Beispiel, das nicht ganz trifft. Außerdem muß es das Bild
eines Unbekannten sein. Ich werde mich in der Welt umschauen müssen. Vielleicht
trägt der Wundertäter doch einen Bart.
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