Donnerstag, 18. Februar 2016

298 Krafttag oder ein höflicher Schmerz

Ein grauer, verregneter Krafttag. Ich will meinen Blick nicht von den Ziegeldächern, den Mauern und den kahlen Bäumen wenden. Mächtige Gefühle dröhnen still aus unausgeleuchteten Tiefen in mir heran. (Die Katze will gestreichelt werden und läßt mich nicht schreiben.) Kein Windhauch regt sich. Ferne Ahnungen, und ferne Erinnerungen aus den ganz frühen versunkenen Tagen dämmern unauffällig durch das Grau. Wissen und Nichtwissen gleichzeitig. Ich habe alles gesehen und ich habe nichts richtig gesehen.

Die Wäsche habe ich abgenommen und der Raum ist freier. Beinah zu offen, ich fühle mich wie eine kleine graue Kugel. Ich schaue über den Rand meiner Brille zum Fenster hinaus. Die kahlen, braunen Essigbäume vor den rötlichen Ziegeldächern. Rotz und Wasser rinnen, aber das schaut mehr nach einem kurzen Katzenhaarallergieanfall aus als nach Schmerz.

Der Schmerz ist heute sehr zurückhaltend, bleibt fast ganz verborgen, will mir nicht zu nahe treten. Ein ausgesprochen höflicher Schmerz. Es ist Stille trotz vieler Geräusche, ihren Schwerpunkt, ihr Zentrum hält sie draußen in den Kronen der Essigbäume.
„Frauen haben einen Busen!“ sagt ein kleiner Bub unten. Ein Lächeln huscht durch das Ambiente, ich kann ihn gut verstehen. Jetzt klopft er männlichkeitsübend und hämmert wie wild, so viel Zuversicht in dem Jungen!
Da schleicht eine kleine Trauer durch mein Gesichtsfeld. Aber alles nicht so wichtig. Wichtig ist nur die Stille. Wie leuchtend und farbenprächtig das rötliche Braun der Äste und das bräunliche Rot der Dachziegel in dem Grau da; auch das Weiß der Wände und das Grau selber strahlen verhalten und deutlich. Ein heller Farbton ist allem unterlegt. (Oder umgekehrt? Ist es ein dunkler Untergrund, der die gedämpften Farben so leuchten läßt?)

Jetzt plaudern die Kinder unten über Landwirtschaft. Die Heiterkeit daraus tut mir gut und ein wenig weh – so viel Zukunft, so viel Zuversicht in dieser Gegenwart. Aber es ist kein Neid; ich segne sie und wünsche ihnen alles Gute.

Diese Stille da vorne zieht mich so sehr an. Nichts regt sich. Kein Wind. Nur der stille, feierliche Strom der Gegenwärtigkeit, das großartige Dröhnen der ruhigen Gewahrsamkeit. Lediglich die Zeit fließt noch langsam und leise. Bleibt die stehen, dann ist alles nur mehr bloße Intensität. Die reine  Herrlichkeit.

















©Peter Alois Rumpf  Februar 2016    peteraloisrumpf@gmail.com

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