297 Zähnezusammenbeißen
In Polen mit dem Zug unterwegs, aber das Ziel vergessen und
beim Umsteigen meinen Rucksack im Waggon. Alle Unterlagen hat meine Schwester,
die fliegt jedoch zu diesem Workshop oder Kongress oder Treffen. Verwirrt und
frustriert bin ich aus dem Traum erwacht und noch ganz in die Traumgefühle
eingetaucht. Die Gefühle sind langsamer als die Bilder der Wahrnehmung.
Außerdem kippe ich schon wieder in die Traumwelt zurück. Mein Gebiß schmerzt
vor lauter Zähnezusammenbeißen.
Zurück im Traum vergesse ich alle Sätze und Bilder, wenn ich
sie aufschreiben will. Mein Gebiß halte ich jetzt trotz aller Anstrengung
locker.
Ich scheine mit den Falschen sprechen zu wollen, denn immer,
wenn ich mich ihnen zuwende, lösen sie sich auf. Das wäre auch etwas für diese
Welt – immer, wenn man von jemandem etwas will, verschwindet der in andere
Welten; Begegnung ist nur in Absichtslosigkeit möglich, nur wenn man in sich
selbst, in seiner Ganzheit ruht. Das wäre endlich ein revolutionäres Konzept.
Wie kann ich es verbreiten?
Mit dem Von-den-andern-was-Wollen ist wieder die Anspannung
in mein Gesicht zurück, ich habe gleich mit Loslassen reagiert. Auch diese
schwächelnde Idee habe ich weggeschickt, noch dazu, wo mir bewußt wurde, daß es
sowieso so ist: echte Begegnungen findet in Absichtslosigkeit statt, sonst
verderben alles die Projektionen und Erwartungen und das konkrete Gegenüber
verflüchtigt sich und nur die roboterhaft agierenden Hüllen und Masken bleiben
vis a vis.
Hat die Anmeldung gestern funktioniert? - jetzt kommen schon
die Alltagssorgen herein.
Ich strecke wohlig meine schmerzenden Glieder und auch meine
Knochen erholen sich. Ich konzentriere mich kurz auf den Knochenmann in mir,
aber wo ist seine Sense? Lehnt sie schon
irgendwo herum wie da drüben meine Walkingsstecken? Ich kann sie nicht
finden, die Sense, mein Sense of Awareness reicht nicht aus.
Ja, über den Tod hinwegzublödeln wird dir genausowenig
helfen wie irgendetwas anderes. Am Ende wird er dreinfahren.
„Marsch“, das Stück der Ruben-Fraga-Truppe fällt mir dazu
ein. Vor beinah dreißig Jahren habe ich am Karlsplatz das Theaterstück gesehen
und es beeindruckt mich noch immer. Wie es so harmlos beginnt und dann so ernst
und steil wird; wie es eine solch erschütternde Atmosphäre erzeugt, obwohl es
auf der Straße gespielt wird. Was die jetzt alle machen?
Diese Erinnerung hat mich hellwach gerüttelt, ein
Zurückgleiten in den Traum ist nicht mehr möglich. Ich liege nur da und erhole
mich. Dieses ewige Bedürfnis nach Erholung macht mir Sorgen, kommt es vom
ständigen Zähnezusammenbeißen? Seit über sechzig Jahren?
Lassen wir es für heute gut sein.
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