299 Einuhrfünfundzwanzig
Einuhrfünfundzwanzig in der Früh. Sorgen haben mich in die
Schlaflosigkeit getrieben und ich weiß nicht, wie ich jene loswerden kann. Aus
Angst komplett die innere Orientierung verloren. Dabei bin ich müde. Plötzlich
habe ich den Eindruck, daß es im Raum heller wird. Der Regen legt zu. Ich höre
ein leises, fernes Rauschen; ich könnte es fast für Waldesrauschen halten, wenn
ich will. Zum erstenmal in meinem Leben geht mir mein Surren auf die Nerven,
mein armes, überanstrengtes Gehör, von der Headsetarbeit angegriffen.
Jetzt geht die blöde Lüftung im Lichtschacht los, okay, der
Ton ist komplex und hat Schwingung. Bevor ich zu fluchen anfange mache ich
Schluß.
Sechsuhrfünfundzwanzig. Von einem Albtraum in Angst versetzt
und von düsteren Gedanken heimgesucht. Dabei innerlich ganz gefühllos und kalt,
ohne jedes Mitgefühl. Die Panik pocht noch in meinem Inneren, wo genau kann ich
nicht feststellen. Ums Herz herum ist es laut; die Ohren gehen über von Surren.
Meine Angst ist irgendwie egoistisch. Bayern will seine Gebiete zurück; ich
weiß aber nicht, was passiert ist. Im Meer drängen meterhohe Wellen ans
Hafenbecken, an eine Überfahrt ist nicht zu denken. Der Stoff entgleitet mir
dauernd den Fingern. Um mich herum herrscht große Unruhe, die aber ziemlich
leise daherkommt. Selbst der geliebte Regen wirkt anders. Mir fallen immer nur
die gleichen Blumen ein. Was wird da auf mich zukommen? Allmählich normalisiert
sich der Ausnahmezustand, die Intensität des Alarms kommt mir jetzt
durchschnittlich vor.
Meiner Seele ist immer noch speiübel, von Seekrankheit
gezeichnet sucht sie abwechselnd Schutz und Frischluft. Mein dummer Verstand
glaubt mir das alles nicht, aber auskennen tut er sich auch nicht. Ich
imaginiere meine Kindheitskirche, und versuche, sie als Zuflucht zu nützen. Es
scheint zu wirken, denn ich atme jetzt tiefer. Das Herz klopft noch, schnell,
deutlich und heftig. Ich versuche vergeblich, irgendwelche Berechnungen
anzustellen, mir ist entglitten, was ich ausrechnen will. Ein Regentropfen
klatscht dröhnend laut an die Scheibe und ich schrecke aufgescheucht auf.
Obwohl ich die Traumtür zudrücke, geht sie sofort wieder auf. Ich verliere die
Lust zum Aufschreiben, ein fader Geschmack bleibt im Mund. Aus dem Lautsprecher
ertönt eine erklärende Stimme, was sie erklärt, verstehe ich nicht. Ich zwing
mich, das Schreibzeug beiseite zu legen. Ist es Versäumnisangst, die mich da
abhält? Oder klammert's mich an die Schreiberei.
Die linke Hand an der Schnittstelle zwischen Oberschenkel
und Rumpf abgelegt, die rechte nahe beim Herzen, so bin ich aufgewacht. Diesen
Satz hab ich durch zwanzig Träume gerettet, dabei aber zweihunderteinundsiebzig
andere verloren, genauso wie diese zwanzig Träume auch. Der Kollateralschaden
ist trotzdem nicht groß. Ein paar Traumerinnerungen drängen noch heran, aber
sie platzen nicht mehr auf, ich fühle sie noch, aber erinner mich nicht an den
Inhalt. Dieser Vormittag wird anders als sonst, für die Routine fehlt mir die
Kraft. Meine alte Ironie liegt mir schal geworden im Mund, nichtsdestotrotz
werde ich ihr nicht entkommen. Die ersten Tagesschreie hallen herauf, das ist
viel harmloser, als es klingt.
Hier bricht der Text ab.
Das möchte ich noch hinzufügen: Bald wird hier wieder Wäsche
hängen; die Waschmaschine läuft schon.
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