Donnerstag, 28. Januar 2016

276 Material

Die kalte Luft strömt ein. Es ist zwei Uhr nachts. Begierig sauge ich die frische Luft in tiefen Atemzügen auf. Mein Denken hat viel zu verarbeiten. Wie im Karussell drehen sich Gedanken, Erinnerungen, Befürchtungen und Gefühlsfragmente um mein zagendes Herz. Weil ich nicht genau hinschauen will, ist mir das Ganze unangenehm. „Die Wahrheit wird dich befreien.“
Ich bitte um eine Botschaft im Traum.

Eine Eskimofrau hat mich angeschaut, gelächelt und dann geweint. Ihr breites, rundes Gesicht strahlt vor Offenheit und echten Gefühlen. Auch ihre Tränen in ihrem Gesicht strahlen. Ich muß ihr sehr leid getan haben. Ihr Blick ist voller Mitgefühl.

Aber was ich wirklich in meinem Leben erreichen wollte, habe ich erreicht.


Im Traum habe ich mit einem kleinen, schmalen Spaten – einem Kinderspaten ähnlich – in Gasthäusern und Lokalen kaputtes, mürbe und porös gewordenes Material von Fußböden, Speisekarten, Tischen etcetera entfernt. Ausgesehen hat das, wie wenn ich etwas Gebackenes vom Backblech hebe, aber es war alles verdorbenes Material. MATERIAL. Dabei habe ich denen bloß gezeigt, daß und wie ich das mache – um dann den Auftrag zu bekommen, auf diese Weise alles Verdorbene zu entfernen. Da hätte ich dann einen erwachsenen Spaten verwendet.
Getragen habe ich dabei einen Wahnsinnsledermantel, lang bis zum Boden, das Leder sehr dick, sehr steif, aber auf schlank geschnitten. Manchmal hat er mich bei der Arbeit gestört. Ich gehe als Kunde ins Lokal und teste mit dem Kinderspaten verschiedene Stellen. Wenn ich merke, da ist etwas porös, das Material ermüdet, fahre ich mit dem Spaten rein und hebe das verdorbene Material heraus, egal, ob das eine Stelle am Fußboden, am Tisch, an der Wand oder auf einer Speisekarte ist. Ich habe noch das Bild vor mir, wie ein Blatt der Speisekarte aufgedunsen und dick ist, weil es vollgesogen ist mit irgendetwas, das inzwischen schon wieder getrocknet ist. Das aufgedunsene, dicke Papierblatt, vermischt mit der Plastikhülle, ist schon porös und schaut aus wie ein bleich gebackener Teig in einem Blech. Ich fahre mit dem Spaten unter die zersetzte Schicht, hebe sie in die Höhe und zeige damit, daß schon alles aufgelöst und porös ist und unbrauchbar und sage zum Barkeeper: „Siehst du, so mache ich das.“


Die Möndin schaut betropetzt drein, hat etwas verlorenes im Blick und trägt ein Kopftuch. Dicke Strahlen gehen von ihrem Gesicht aus und ziehen dicke, bunte Tropfen an; der Sog des Mondes, wie wir ihn kennen.
Eine Kirche und ein Turm begrenzen den Horizont, von dem sich eine wellige Landschaft herunterwölbt, herunter zu einem gemauerten Wasserbassin – ein Schwimmbecken vermute ich in diesen alten Zeiten noch nicht. Bei diesem Bassin hocken zwei Hunde und heulen die Möndin an, auf die Mauern dieses Bassins fallen von den Hunden zwei ganz dunkle, finstere Schatten herunter.
Im Wasser schimmt ein eigenartig verwuzzelter Krebs; schaut fast schon aus wie ein Wurzelstock, der im Wasser treibt. XVIII. La Luna.













©Peter Alois Rumpf  Jänner 2016    peteraloisrumpf@gmail.com

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]

<< Startseite