Montag, 25. Januar 2016

273 Rationales oder die Einkaufstour

Es ist dreiuhrsiebenundzwanzig in der Früh und diesmal ist meine Schlaflosigkeit wirklich hausgemacht. Erstens, indem ich gestern für unsere Gäste eine Thermoskanne mit gutem, starken Kaffee aus biologischem Anbau gemacht und dann nicht ausreichend dafür gesorgt habe, daß sie leer getrunken wird; und zweitens, indem ich es heute nachmittags nicht geschafft habe, den Rest einfach wegzuschütten – beim Wegwerfen von Lebensmitteln bin ich einer Zwischenkriegs-, Kriegs- und Nachkriegsmentalität verhaftet – und ihn deshalb selber ausgetrunken habe.

Ich bin mit klopfendem Herzen in der Dunkelheit gelegen und habe mich abstrusen Gedankenspielen und Phantasien hingegeben. Zum Beispiel habe ich mir ausgemalt, daß ich Kinder habe, von denen ich nichts weiß. |: |: Äußerst unwahrscheinlich! :| :| Und wenn, sind sie über dreißig Jahre alt.

Gut, habe ich mir gedacht, du kannst nicht schlafen. Dann schalte halt das Licht ein, nimm dein Notizbuch und schreibe. Und öffne das Fenster, der Raum braucht frische Luft.

Gutes Timing, denn soeben hat es zu regnen begonnen und ich liebe das Geräusch und den Geruch von Regen. Ich höre auch ein Summen, als stünde im Lichthof ein Kühlschrank und kühlte vor sich hin.

Kaffee ist eindeutig eine rationalistische Droge. Nichts poetisches in meinem Geist, nur trockene, dürre Gedanken, die nicht ausufernd und nicht ausschweifend mäandern; keine ordentlichen Sprünge und Wasserfälle. Eine richtige Selbstantreiberdroge. Keine Traumfetzen, in deren Nachklängen und Nachbildern man kleine Schätze, Perlen, Formulierungen, Botschaften, Bildpuzzelteilchen entdecken, keine Zwischenräume, durch die irgendetwas verheißungsvolles durchschimmern könnte. Eine geschlossene Welt. Kein Aufzug nach oben oder unten.

Der Regen hat aufgehört; auch den Klang der letzten Tropfen, die sich vom Dach stürzen, mag ich.

Gut, denke ich mir, dir fällt nichts rechtes zu schreiben ein. Dann leg dich halt wieder hin. Und wenn du nicht schlafen kannst, dann spinn weiter deine witzlosen Gedankenfäden.


Ich bin aus einem spannenden Traum aufgewacht, wo ich in eine fremde Wohnung eingedrungen und auf Abenteuer aus war. Vorher bin ich zu fünfzig Stockhieben verurteilt worden. In dieser Wohnung pflanze ich heimlich ein ganz kleines Pflänzchen, aber jetzt kommt die Inhaberin telefonierend zurück und muß mich gleich durch die Glastür sehen. Ich habe ja auch das Licht aufgedreht. Schnell versuche ich mit der Pflanzerei fertig zu werden und gehe jetzt sehr schlampig vor. Sie tanzt die ganze Zeit vor der Tür herum, geht hin und her, und telefoniert. Ich kenne sie eh, aber es ist mir deswegen erst recht unangenehm, wenn sie mich hier erwischt. Zunächst war ich sehr nervös, aber schließlich bin ich durch meine Kühnheit und Nervenstärke entkommen. Denn plötzlich war mir alles egal, auch, was mit mir selber passiert, und eine Welle von innere Kälte hat mich erfaßt, ich bin einfach durch die Tür raus – in einem Moment, wo sie beim Hin- und Hergehen links von der Tür war – aber so, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, habe mich nicht umgedreht, bin auf die Stiegen zugegangen und schließlich fröhlich, unbekümmert und unentdeckt hinuntergehopst.

Ich scheine trotz aller Traumsymptome wie heftiges Surren in den Ohren noch immer ganz rationalistisch geladen zu sein, denn es tauchen keine Bilder mehr auf, keine Stimmen, die mir etwas sagen, keine herumgeisternden Traumfetzen. Ich bin viel zu wach.

Gerade setzt draußen der Regen ein mit seinen edlen, schönen Geräuschen und zieht sich doch gleich wieder zurück. In meinem Körper spüre ich eine Spannung und ein still aufgeregt Vibration. Meine hingerichtete Aufmerksamkeit verscheucht die Empfindung.

Ich bin voller Tatendrang – ich muß ja schließlich einkaufen gehen! Es amüsiert mich, wie das freche Abenteuer des Traumes sich im Diesseits in eine Einkaufstour zu einem Baumarkt verwandelt hat. Aber Baumärkte sind für mich doch äußerst fremde Reviere, fast so fremd und unheimlich wie Saudi-Arabien. Ich brauche eine minimale, aber notwendige Masse an Mut um dort hinzugehen. Unter dieser kritischen Masse kein Baumarktbesuch.













©Peter Alois Rumpf  Jänner 2016    peteraloisrumpf@gmail.com

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