268 Männerphantasie
In meiner Jugend war für uns Burschen Schweden das
„Traumland“, wo die Frauen locker und für Sex leicht zu haben sind. Natürlich
waren das dumme Phantasien und Projektionen zwischen pubertärem Größenwahn und
Versagensangst, angeheizt durch unzählige Geschichten von den angeblich geilen
Schwedinnen und durch die skandinavische Freizügigkeit bei Pornographie. Dieser
Mythos hatte mit Schweden vermutlich genauso viel oder wenig zu tun wie
mögliche Projektionen zum Beispiel arabischer oder afrikanischer oder sonstiger
Männer, von wo her auch immer, mit der Realität in Europa. Die Medien haben bei
dieser Mythenproduktion auch mitgewirkt, genauso wie heute die Fernseh- und
Medienwelt ein ziemlich schiefes Bild von Europa vermittelt – vor allem für
Menschen, die in einem komplett anderen kulturellen Umfeld leben. Auch wir
haben hier in Österreich damals in einem noch recht deutlich anderen
kulturellen Umfeld gelebt als die Menschen in Skandinavien. Aber selbst wenn
dieser Mythos gestimmt hätte, oder auch nur teilweise gestimmt hätte – das
erste Mißverständnis läge schon darin, zu glauben, daß eine „freizügige“ Frau
mit jedem ins Bett geht, also auch mit uns, als hätte sie nicht Lust und das
Recht, sich die Partner selber auszusuchen. Da steckt wohl noch das
Mutter-Jungfrau-Hure-Schema dahinter und andere patriarchale Denkmuster – die
übrigens recht häufig – so vermute ich es zumindest – von den Müttern an die
Söhne weitergeben werden. (Zumindest meine Mutter hatte, als ich einmal als
Jugendlicher wegen irgendeinem Liebeskummer oder Ähnlichem traurig
herumgesessen bin – und sie hatte da einen Riecher dafür, denn erzählt habe ich
davon nichts – sofort gefragt, ob sie – die sie nicht kannte und von der sie
nichts wußte – ob sie denn eine Hure sei.)
Das Alles stimmt natürlich hinten und vorne nicht und ich
selber wäre damals selbst bei „Erfolg“ vor Angst oder Unsicherheit ins
Schwimmen gekommen – wäre ich wirklich mit einer „geilen Schwedin“ (alleine)
konfrontiert gewesen.
Aber das war – zumindest in Kreisen pubertierender
männlicher Jugendlicher und daselbst steckengebliebener Männer ein weit
verbreiteter Mythos. In so einem Denkschema ist es naheliegend (nicht
entschuldigend gemeint), daß bei einer Ablehnung durch eine als „freizügig“
eingestufte Frau – und das heißt dann in der Projektion, daß die mit allen
schläft – daß dann eine Ablehnung Wut auslöst, denn wenn sie eh mit allen
vögelt, warum dann nicht mit mir? Aggression oder auch Depression, je nach
Charakter.
Anscheinend war dieser Mythos (eigentlich verwende ich das
Wort „Mythos“ nicht gern für solche Sachverhalte, denn Mythen sind für mich
etwas ganz anderes; aber sei's drum! Mir fällt jetzt auch kein besseres Wort ein)
besonders bei österreichischen Männern stark verbreitet, denn ein Gewährsmann –
den ich als sehr glaubwürdig eingeschätzt habe – hat mir vor Jahrzehnten
erzählt, daß in den Sechzigerjahren Schweden ernsthaft erwogen habe, die
Einreise und Einwanderung männlicher Österreicher zu beschränken und zu
kontrollieren, weil sich diese den Frauen in Schweden gegenüber so schrecklich
benommen hätten. Im Mythos von den geilen Schwedinnen verfangen glaubten viele
tatsächlich, man brauche dort nur eine Frau ansprechen und eventuell zur
Verdeutlichung angreifen, dann wäre die Sache geritzt.
Ich kann diese Erzählung nicht mehr überprüfen, denn der
Gewährsmann lebt nicht mehr, aber glaubwürdig kommt sie mir schon vor, wenn ich
bedenke, was heute auf Grund der aktuellen Ereignisse alles erwogen wird.
Und: es geht bei der Befreiung aus der Verfangenheit in
„Mythen“ darum, den Denkhorizont, die Wahrnehmung und die Erfahrung zu öffnen
und zu erweitern.
©Peter
Alois Rumpf Jänner 2016 peteraloisrumpf@gmail.com
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]
<< Startseite