Mittwoch, 20. Januar 2016

268 Männerphantasie

In meiner Jugend war für uns Burschen Schweden das „Traumland“, wo die Frauen locker und für Sex leicht zu haben sind. Natürlich waren das dumme Phantasien und Projektionen zwischen pubertärem Größenwahn und Versagensangst, angeheizt durch unzählige Geschichten von den angeblich geilen Schwedinnen und durch die skandinavische Freizügigkeit bei Pornographie. Dieser Mythos hatte mit Schweden vermutlich genauso viel oder wenig zu tun wie mögliche Projektionen zum Beispiel arabischer oder afrikanischer oder sonstiger Männer, von wo her auch immer, mit der Realität in Europa. Die Medien haben bei dieser Mythenproduktion auch mitgewirkt, genauso wie heute die Fernseh- und Medienwelt ein ziemlich schiefes Bild von Europa vermittelt – vor allem für Menschen, die in einem komplett anderen kulturellen Umfeld leben. Auch wir haben hier in Österreich damals in einem noch recht deutlich anderen kulturellen Umfeld gelebt als die Menschen in Skandinavien. Aber selbst wenn dieser Mythos gestimmt hätte, oder auch nur teilweise gestimmt hätte – das erste Mißverständnis läge schon darin, zu glauben, daß eine „freizügige“ Frau mit jedem ins Bett geht, also auch mit uns, als hätte sie nicht Lust und das Recht, sich die Partner selber auszusuchen. Da steckt wohl noch das Mutter-Jungfrau-Hure-Schema dahinter und andere patriarchale Denkmuster – die übrigens recht häufig – so vermute ich es zumindest – von den Müttern an die Söhne weitergeben werden. (Zumindest meine Mutter hatte, als ich einmal als Jugendlicher wegen irgendeinem Liebeskummer oder Ähnlichem traurig herumgesessen bin – und sie hatte da einen Riecher dafür, denn erzählt habe ich davon nichts – sofort gefragt, ob sie – die sie nicht kannte und von der sie nichts wußte – ob sie denn eine Hure sei.)

Das Alles stimmt natürlich hinten und vorne nicht und ich selber wäre damals selbst bei „Erfolg“ vor Angst oder Unsicherheit ins Schwimmen gekommen – wäre ich wirklich mit einer „geilen Schwedin“ (alleine) konfrontiert gewesen.

Aber das war – zumindest in Kreisen pubertierender männlicher Jugendlicher und daselbst steckengebliebener Männer ein weit verbreiteter Mythos. In so einem Denkschema ist es naheliegend (nicht entschuldigend gemeint), daß bei einer Ablehnung durch eine als „freizügig“ eingestufte Frau – und das heißt dann in der Projektion, daß die mit allen schläft – daß dann eine Ablehnung Wut auslöst, denn wenn sie eh mit allen vögelt, warum dann nicht mit mir? Aggression oder auch Depression, je nach Charakter.

Anscheinend war dieser Mythos (eigentlich verwende ich das Wort „Mythos“ nicht gern für solche Sachverhalte, denn Mythen sind für mich etwas ganz anderes; aber sei's drum! Mir fällt jetzt auch kein besseres Wort ein) besonders bei österreichischen Männern stark verbreitet, denn ein Gewährsmann – den ich als sehr glaubwürdig eingeschätzt habe – hat mir vor Jahrzehnten erzählt, daß in den Sechzigerjahren Schweden ernsthaft erwogen habe, die Einreise und Einwanderung männlicher Österreicher zu beschränken und zu kontrollieren, weil sich diese den Frauen in Schweden gegenüber so schrecklich benommen hätten. Im Mythos von den geilen Schwedinnen verfangen glaubten viele tatsächlich, man brauche dort nur eine Frau ansprechen und eventuell zur Verdeutlichung angreifen, dann wäre die Sache geritzt.

Ich kann diese Erzählung nicht mehr überprüfen, denn der Gewährsmann lebt nicht mehr, aber glaubwürdig kommt sie mir schon vor, wenn ich bedenke, was heute auf Grund der aktuellen Ereignisse alles erwogen wird.

Und: es geht bei der Befreiung aus der Verfangenheit in „Mythen“ darum, den Denkhorizont, die Wahrnehmung und die Erfahrung zu öffnen und zu erweitern.









©Peter Alois Rumpf  Jänner 2016    peteraloisrumpf@gmail.com


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