Donnerstag, 7. Januar 2016

261 „Tanz des Lebens“

Spät in der Nacht ist der Himmel klar genug um die Sterne zu sehen. Orion, Aldebaran im Stier und die Plejaden, Capella mit ihren Begleiterinnen, Prokyon ... . Ich freue mich über ihren Anblick.
Es reicht nicht gegen die Angst, die sich eingenistet hat. Angst vorm morgigen Tag. Wo ist meine Zuversicht? Immer noch fühle ich mich schutzlos. Wo ist der Abwehrzauber gegen dieses Programm? Der Magen krampft sich zusammen. Mir fallen die vielen Kinder ein, die morgen wieder in die Schule müssen. Diese elenden Anstalten! Diese elende Welt! Diese elende, würgende Angst!
Nein, so geht es auch nicht. Damit werde ich die Angst nicht los.
Angst, was willst du mir sagen? Liebe Angst, bitte sprich mit mir!

Die Wände bleiben stumm. Nichts geschieht. Nur die Zeit tickt und surrt weiter. Fast dröhnt die Stille und pulsiert sich in meine Aufmerksamkeit. Seufzend atme ich tief. Ein wenig Erleichterung, aber mein Inneres bleibt verknotet. Nichts geschieht. Nur stockend und nach langen, ratlosen Pausen fährt mein Schreiber über das Papier. Ich warte auf eine Antwort. Schutzgeist, Schutzengel, Begleiter, Doppelgänger, Energie-was-weiß-ich-was, nimm meine Hand und schreib eine Antwort! Irgendetwas, das ich verstehen kann und das mir hilft. Jetzt belächle ich meine Dramatik. Spöttisch und zynisch zu sein finde ich jetzt unfair.

Die Angst ist immer noch da. Ich bin sie gewöhnt und es kommt mir nun vermessen vor, sie loswerden zu wollen. Okay! Okay!             Okay!

Also, was willst du? Und warum lähmst du mich? Was? Mir fehlt Vertrauen? Das wundert mich nicht. Und? Weiter? Woher nehmen wenn nicht stehlen?

So kommen wir auch in kein Gespräch. Ich lasse es gut sein.


Ich bin aufgewacht in die Finsternis und die Angst in mir schreit stumm. Es ist der Morgen und es ist das drittemal. Die ersten beide Male hat mein Geist seine Sätze formuliert und versucht aufzutauchen, aber ist aus Traum und Schlaf nicht hoch genug gekommen um meine Hand zum Schreiben zu bewegen.
Die Angst in mir schreit und surrt panisch. Ich atme und bekomme ein wenig Abstand. Ich schaue sie an und erkenne, wie vertraut sie mir ist. Ich habe gelernt, sie zu ignorieren, aber in mir heult ein stiller Alarm. Was willst du? Ich bin deiner überdrüssig und traurig. Wer straft mich hier wofür? Die Angst in meinem Leben ist viel älter als die Schuld. Also, was willst du!

Bald werde ich aufstehen mit allem, was man am Morgen so macht und dann so tun, als wärst du nicht da, bis ich dich vergessen habe. Was soll ich sonst machen? Wie kann ich sonst leben? Du bist dann nicht weg; du nagst weiter in meinem Inneren und frißt meine Lebenskraft.

Eine sanft  unwuchtig rollende Bewegung berührt meine Körpermitte. Eine alte Frau vor mir scheint Auskunft geben zu können; sie setzt mehrmals zu reden an, aber bringt keinen Ton heraus und öffnet vergeblich ihren Mund. Sie wirkt zertreut und senil.

In meiner Mitte, im Zentrum, ist immer noch die Angst. Ein altes, verfallendes Gebäude unter Denkmalschutz existiert so vor sich hin. Ist das der Fehler? Der Denk-mal-schutz? Mein Atem hebt und senkt die Landschaft. Kurz erfaßt mich eine Gier und verschwindet wieder aus dem Scheinwerferlicht. Ich schimpfe mit den Heiligen. Das Ticken des Weckers greift plötzlich ganz tief in mein Inneres, bevor es sich wieder an die Oberfläche zurückzieht. Ich suche meinen nicht aufgeschriebenen Text, aber er verschwimmt immer; ich kann die gefundenen Stellen nicht lesen. Ist die Angst eine verkannte Kraft? Ist das nicht zu einfach? Und wenn schon, welche? Mir wird meine Sucherei zu blöd. Eine ältere, runde, weiche Frau hat sich hinter mich gestellt und ist schon wieder weg. Ich habe die Täuschungsmanöver satt!, aber meine Haltung gefällt mir auch nicht.

Wortwolken schweben auf mich zu, sie kommen jedoch aus der falschen Richtung. Meine Aufmerksamkeit verliert ihre Konzentration. Gibt es eine Wahrheitsdroge? Jetzt taucht das Bild praller weiblicher Brüste auf. Ich bin deswegen von mir enttäuscht. Oder habe ich die Angst tatsächlich mit der Muttermilch eingesogen? Ich habe als Säugling viel gekotzt und wollte nicht zunehmen, wurde erzählt. Ist das die richtige Spur?

Dieser psychologische Kram ist mir unangenehm und enttäuscht mich. Ich komme damit auch nicht weiter.

Ich strecke meine Beine und lege die Füße übereinander, wie bequem am Kreuz angenagelt. So kann ich nicht herunterfallen, schon gar nicht im Liegen. Ahhh! Furchtbar diese Mutter-Sohn-Ehen! Jetzt wird’s mir richtig unangenehm. Ich möchte flüchten. Auf und davon. Geht schwer mit überkreuzten Füßen. Ich lache blöd. Ein schreckliches, zynisches Gefühl. „Tanz der Lebens“ fällt mir ein. Ja, so könnte es gehen.




©Peter Alois Rumpf  Jänner 2016    peteraloisrumpf@gmail.com


                 





All creative works builds on what came before...Photographed and animated by Nina Paley. Music by Todd Michaelsen
Posted by Alp Alphan on Sonntag, 12. April 2015




Photography & Animation: Nina Paley
Music: Todd Michaelson
Photographed at Metropolitan Museum of Art; New York City








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