253 What The Hell
Um fünf Uhr früh übt jemand Handstand. Ich höre mehrmals die
Füße auf dem Boden aufprallen. Das ergibt ein Geräusch wie dumpfes Klopfen. Die
Bücher an der Wand verschmelzen unter meinem brillenverschwommenen Blick zu
einer einzigen, bunten Paneelplatte. Meine Ohren singen wie nach einem lauten
Popkonzert. Die Katze springt auf die geschlossene Durchreiche und hat mich
dabei so erschreckt, daß mir mehrere Wellen von Schauder durch den Körper
laufen. Warum so eine schreckhafte Kreatur? Jetzt kratzt die Katze am Holztürl,
weil sie herein will. Auf der Suche nach Streicheleinheiten. (Um nicht zu
sagen, „auf der Suche nach Liebe“.) Auf dem Weg ins Badezimmer geht sie mir
nach und streicht um meine Füße. Wie ich zurückkomme, lasse ich die Zimmertür
offen.
Das Surren ist ungewöhnlich intensiv und spitzer, schärfer
als sonst. Dabei bin ich in meinem Inneren ganz wach. „Hellwach“ wollte ich
schreiben, aber dann habe ich an „the hell“ gedacht. Und an einen Helfried, den
ich vor dreiunddreißig Jahren als Frauenverführer beneidet habe. Wieder kippe
ich nach links und verstumme schriftlich.
What the hell hat der depperte Helfried hier zu suchen! Er
wird gestrichen. Zensur!
Bei diesen Erinnerungen muß ich innerlich lachen. Vor
dreiunddreißig Jahren war ich dabei, wie er eine Frau angerufen hat, um sie zu
einem Tete-a-Tete zu verführen. Ich meine, ich war gerade bei der Frau, als er
sie angerufen hat. Sie war damals meine Geliebte und ich mußte mitanhören, wie er sie anbaggerte – er konnte
dabei auf gemeinsame Erlebnisse Bezug nehmen – und wie sie es kaum schaffte,
nein zu sagen. Ich war eifersüchtig und neidisch und stumm. Das genügt zu dem
Thema. Aus. Ende.
Wieder zurück zum Surren. Jetzt ist es leiser, stumpfer und
„langsamer“. Es wird zunehmend von den Morgenalltagsgeräuschen übertönt. Der
Tag erwacht und ich bleibe liegen. Was wie eine Niederlage klingt ist ein
Vergnügen; ein Sieg der Muße über die Pflicht. Im Moment zumindest.
Jetzt habe ich wirklich Lust aufzustehen und mein Tagewerk
zu beginnen.
©Peter
Alois Rumpf Dezember 2015 peteraloisrumpf@gmail.com
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