Donnerstag, 17. Dezember 2015

253 What The Hell

Um fünf Uhr früh übt jemand Handstand. Ich höre mehrmals die Füße auf dem Boden aufprallen. Das ergibt ein Geräusch wie dumpfes Klopfen. Die Bücher an der Wand verschmelzen unter meinem brillenverschwommenen Blick zu einer einzigen, bunten Paneelplatte. Meine Ohren singen wie nach einem lauten Popkonzert. Die Katze springt auf die geschlossene Durchreiche und hat mich dabei so erschreckt, daß mir mehrere Wellen von Schauder durch den Körper laufen. Warum so eine schreckhafte Kreatur? Jetzt kratzt die Katze am Holztürl, weil sie herein will. Auf der Suche nach Streicheleinheiten. (Um nicht zu sagen, „auf der Suche nach Liebe“.) Auf dem Weg ins Badezimmer geht sie mir nach und streicht um meine Füße. Wie ich zurückkomme, lasse ich die Zimmertür offen.

Das Surren ist ungewöhnlich intensiv und spitzer, schärfer als sonst. Dabei bin ich in meinem Inneren ganz wach. „Hellwach“ wollte ich schreiben, aber dann habe ich an „the hell“ gedacht. Und an einen Helfried, den ich vor dreiunddreißig Jahren als Frauenverführer beneidet habe. Wieder kippe ich nach links und verstumme schriftlich.

What the hell hat der depperte Helfried hier zu suchen! Er wird gestrichen. Zensur!
Bei diesen Erinnerungen muß ich innerlich lachen. Vor dreiunddreißig Jahren war ich dabei, wie er eine Frau angerufen hat, um sie zu einem Tete-a-Tete zu verführen. Ich meine, ich war gerade bei der Frau, als er sie angerufen hat. Sie war damals meine Geliebte und ich mußte  mitanhören, wie er sie anbaggerte – er konnte dabei auf gemeinsame Erlebnisse Bezug nehmen – und wie sie es kaum schaffte, nein zu sagen. Ich war eifersüchtig und neidisch und stumm. Das genügt zu dem Thema. Aus. Ende.

Wieder zurück zum Surren. Jetzt ist es leiser, stumpfer und „langsamer“. Es wird zunehmend von den Morgenalltagsgeräuschen übertönt. Der Tag erwacht und ich bleibe liegen. Was wie eine Niederlage klingt ist ein Vergnügen; ein Sieg der Muße über die Pflicht. Im Moment zumindest.

Jetzt habe ich wirklich Lust aufzustehen und mein Tagewerk zu beginnen.





















©Peter Alois Rumpf Dezember 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

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