Montag, 14. Dezember 2015

248 Tiroler Traum


Mir träumte gestern, ich wäre in einer Tiroler Bezirkshauptstadt – welche ist offen – eingeladen, ein Jahr als Schriftsteller zu leben, auf Kost und Logis der Stadt oder privater Förderer. Ich sagte sofort zu, bekam eine schöne, kleine Wohnung zur Verfügung gestellt, räumte mein Zimmer in Wien, meine Kinder freuten sich, nun jedes ein eigenes Zimmer zu haben.

Ich war komplett frei in dem was ich schreibe; ich konnte bei allen Stadtereignissen dabei sein, aber ohne Auflagen. Einfach dort sein, leben, herumgehen, schreiben, herumschauen, schreiben, schlafen, essen, schreiben … Ich fühlte mich herrlich. Es ergab sich sogar, daß ich – weil man auch in Innsbruck auf mich aufmerksam wurde – eine Kolumne in der Tiroler Tageszeitung schreiben durfte, wenn mir etwas einfiel. Alles ganz frei. Alles geträumt.

Ich stürzte mich begeistert in die Arbeit, ging herum, redete mit Leuten oder schaute ihnen einfach zu, saß in Cafés, horchte den Menschen beim Reden zu. Notierte, schrieb, ging nach Hause, schrieb, machte meine Tensegrityübungen – dafür war in der Wohnung genug Platz – schrieb wieder. Was für ein herrliches Leben! Ich ging oft in die Gasthäuser essen, spazierte viel den Inn, oder welchen Fluß auch immer, entlang, machte Ausflüge in die Umgebung. Alles existentiell gesichert; ein Jahr lang brauchte ich mir keine Sorgen zu machen und nicht zu jobben. Alles geträumt. Wobei es im Traum Winter war. So wie jetzt. Eigentlich habe ich nicht ausführlich geträumt, wie ich herumgehe und schreibe, sondern hatte ein vages Bild vom Ort und der Situation dort und habe mir im Traum gedacht, daß ich es so machen werde. Und so habe ich mir das im Traum ausgemalt, auch, mich auf meinen literarischen Streifzügen mit manchen Leuten ein wenig näher anzufreunden und manchmal lange und intensive Gespräche zu führen und wie es mir gelang, die nötige Distanz zu wahren, um nicht hineingezogen zu werden, sondern Zuschauer, Beobachter, Betrachter zu bleiben.

Und ich werde schreiben und schreiben, dachte ich mir im Traum, jeden Tag ein akzeptables Pensum, dazwischen Phasen des reinen Schreibwahns, wo man alles andere vergißt, dann wieder ruhigere Phasen, mit viel kontemplativem Spazierengehen. Dann hatte ich die Idee – im Traum – Gedichte zu schreiben, und zwar stark ans Tirolerische angelehnt. Sehr gewagt! Ich werde mir markante Wörter und Redewendungen aufschreiben und bei Bedarf mit meinen Gesprächspartnern und Gesprächspartnerinnen besprechen und mich so an die mir fremde Sprache herantasten. In der Regel wird es dabei nicht um Hardcore-Dialekt, sondern um dialektal gefärbte Umgangssprache gehen. Alles im Traum ausgedacht. Meine Distanz zu dieser Sprache wird für meine Gedichte einen spannenden Verfremdungseffekt schaffen, der jedes Wort - wie in ein ungewohntes Licht getaucht - hervorheben wird, sowohl für mich als Schreiber, als auch für den Zuhörer, sei er autochthon oder nicht. Ein Effekt, den ich sehr vorsichtig und feinfühlig einsetzten werde, ohne Holzhammer und ohne demonstratives Getue. Wie gesagt, so habe ich mir das im Traum vorgestellt. Eine Spannung wird auch entstehen zwischen den archaischen Elementen des Dialekts und meiner üblicherweise verwendeten Sprache. Ja, sehr gewagt das Ganze, aber im Traum war ich sehr selbstsicher. Weil ich mir bloß gedacht habe, wie ich es machen werde, habe ich im Traum leider kein einziges Gedicht geschrieben. Wie ein solches Gedicht ausgeschaut hätte, würde mich sehr interessieren. Daß es gelingen wird, war ich mir im Traum aber ganz sicher.

Noch eine seltsame Idee hatte ich – die stand aber in Widerspruch zu meinem Traumstatus als geförderter Schriftsteller: darüber zu schreiben, daß ich eine unsichtbare Förderung bekommen hätte. Also eine Förderung, über die nirgends etwas steht, in keiner Zeitung, in keinem Förderbericht. Über diese Förderung gibt es keinen Briefwechsel, keine Urkunde, keine zuständige Stelle, keinen Bescheid, niemand weiß etwas davon, auch ich, der Geförderte nicht, und die unsichtbare Förderung hinterläßt auch auf meinem Bankkonto keinerlei Spuren. Wirklich komplett unsichtbar, aber eine Förderung.
(Hoffentlich bringe ich damit die Förderinstitutionen nicht auf dumme Gedanken!)

Ja, das war mein Tiroler Traum.











©Peter Alois Rumpf Dezember 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]

<< Startseite