239 Der Würfelhocker
Ich liege wie der Würfelhocker im
Bett, nur Oberkörper und Oberschenkel etwas weiter
auseinandergeklappt; die Katze hat sich auf meinen Bauch gesetzt und
liegt auf meiner Brust. Ich bin beim Lesen eingeschlafen und leicht
nach links gekippt. (Warum kippe ich immer nach links?) Hockend, die
Füße angezogen, schlafe ich, noch mit der Umgebung verbunden. Ich
höre noch vieles, vor allem die Katze schnurren, schrecke immer
wieder auf, um dann gleich wieder nach unten zu gleiten. Ich merke,
daß ich hungrig bin, aber will diesen Zustand, den ich trotz der
kleinen Schocks beim Aufschrecken als Geborgenheit empfinde, nicht
auflösen und die Katze nicht vertreiben.
Was ist unten los? Es wird laut. Jetzt
bin ich ganz an der Oberfläche und kann nicht mehr in die Dämmerung
hinabsinken. Auch gut! Dann werde ich erst frühstücken und dann ein
paar Übungen machen. Obwohl es umgekehrt besser ist. Stattdessen
greife ich zum Notizbuch und schreibe die Sätze auf, die sich im
Halbschlaf in mir gebildet haben. So fange ich an. Oder ich
beschreibe die Bilder, die in mir aufgetaucht sind. Vorhin zum
Beispiel das Bild des Würfelhockers und – immer damit verknüpft –
wie es uns der strenge Zeichenprofessor gezeigt hat. Wie alt war ich
da? Fünfzehn? Ich weiß es nicht mehr, es müßte aber hinkommen.
Der kleine Raum – es war nicht unser Klassenzimmer – war
abgedunkelt; es gab keine Tische, nur Stühle, die an ihrer rechten
Seite verbreiterte Armlehnen hatten, um darauf Hefte legen und
Notizen machen zu können. Ich saß rechts, eher hinten. Der
Diaprojektor surrte und warf das Bild des Würfelhockers – der, wo
eigentlich nur der Kopf herausschaut – an die Leinwand, die an
einem Ständer hing.
Der Zeichenprofessor redete davon, daß
im Würfel schon die ganze Figur sitzt, man brauche nur das
Überflüssige, das, was nicht zur Figur gehört, wegschlagen, schon
ist die Figur da. Ganz einfach. Von wegen! Du kannst das, denke ich
mir, aber ich nicht!
Die Katze hat das Zimmer verlassen.
Jetzt hocke ich beim Schreiben nicht mehr von Schlaf und Dämmerung,
sondern vom Licht der Nachttischlampe eingehüllt. Mein Denkapparat
arbeitet wieder und spekuliert scherzhaft, was eine Nachtischlampe
wäre. Aber ich will jetzt nicht ins Süße abgleiten. Aha, mein
innerer Zensor ist auch schon wach. Ich merke, daß die Katze das
Zimmer gar nicht verlassen hat, sondern mir zu Füßen liegt. Wegen
der hochgestellten Beine habe ich sie nicht gesehen und, weil sie
nicht schnurrt, nicht gehört.
Es ist schon verdammt spät! Ich muß
aufstehen, frühstücken, das Essen für die Arbeit zubereiten!
Hoffentlich gehen sich wenigstens noch ein paar kleine Übungen aus!
Ich will nicht, daß der Faden komplett abreißt. Schlafen,
schreiben, üben, essen, schreiben, herumgehen, essen, plaudern,
lesen, schlafen – das wäre mein Tag! So oder so ähnlich würde es
mir gefallen. Ich strecke die Beine aus und störe die Katze dabei;
sie maunzt protestierend während ich die Muskel lockere. So, ich
greife wieder zum Notizbuch, um auch das noch reinzuschreiben. Die
Katze versucht, es sich wieder gemütlich zu machen. Jetzt gleich
aber, wenn ich aufstehe, werde ich sie vertreiben müssen.
©Peter
Alois Rumpf November 2015 peteraloisrumpf@gmail.com
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