Mittwoch, 25. November 2015

239 Der Würfelhocker


Ich liege wie der Würfelhocker im Bett, nur Oberkörper und Oberschenkel etwas weiter auseinandergeklappt; die Katze hat sich auf meinen Bauch gesetzt und liegt auf meiner Brust. Ich bin beim Lesen eingeschlafen und leicht nach links gekippt. (Warum kippe ich immer nach links?) Hockend, die Füße angezogen, schlafe ich, noch mit der Umgebung verbunden. Ich höre noch vieles, vor allem die Katze schnurren, schrecke immer wieder auf, um dann gleich wieder nach unten zu gleiten. Ich merke, daß ich hungrig bin, aber will diesen Zustand, den ich trotz der kleinen Schocks beim Aufschrecken als Geborgenheit empfinde, nicht auflösen und die Katze nicht vertreiben.

Was ist unten los? Es wird laut. Jetzt bin ich ganz an der Oberfläche und kann nicht mehr in die Dämmerung hinabsinken. Auch gut! Dann werde ich erst frühstücken und dann ein paar Übungen machen. Obwohl es umgekehrt besser ist. Stattdessen greife ich zum Notizbuch und schreibe die Sätze auf, die sich im Halbschlaf in mir gebildet haben. So fange ich an. Oder ich beschreibe die Bilder, die in mir aufgetaucht sind. Vorhin zum Beispiel das Bild des Würfelhockers und – immer damit verknüpft – wie es uns der strenge Zeichenprofessor gezeigt hat. Wie alt war ich da? Fünfzehn? Ich weiß es nicht mehr, es müßte aber hinkommen. Der kleine Raum – es war nicht unser Klassenzimmer – war abgedunkelt; es gab keine Tische, nur Stühle, die an ihrer rechten Seite verbreiterte Armlehnen hatten, um darauf Hefte legen und Notizen machen zu können. Ich saß rechts, eher hinten. Der Diaprojektor surrte und warf das Bild des Würfelhockers – der, wo eigentlich nur der Kopf herausschaut – an die Leinwand, die an einem Ständer hing.

Der Zeichenprofessor redete davon, daß im Würfel schon die ganze Figur sitzt, man brauche nur das Überflüssige, das, was nicht zur Figur gehört, wegschlagen, schon ist die Figur da. Ganz einfach. Von wegen! Du kannst das, denke ich mir, aber ich nicht!

Die Katze hat das Zimmer verlassen. Jetzt hocke ich beim Schreiben nicht mehr von Schlaf und Dämmerung, sondern vom Licht der Nachttischlampe eingehüllt. Mein Denkapparat arbeitet wieder und spekuliert scherzhaft, was eine Nachtischlampe wäre. Aber ich will jetzt nicht ins Süße abgleiten. Aha, mein innerer Zensor ist auch schon wach. Ich merke, daß die Katze das Zimmer gar nicht verlassen hat, sondern mir zu Füßen liegt. Wegen der hochgestellten Beine habe ich sie nicht gesehen und, weil sie nicht schnurrt, nicht gehört.

Es ist schon verdammt spät! Ich muß aufstehen, frühstücken, das Essen für die Arbeit zubereiten! Hoffentlich gehen sich wenigstens noch ein paar kleine Übungen aus! Ich will nicht, daß der Faden komplett abreißt. Schlafen, schreiben, üben, essen, schreiben, herumgehen, essen, plaudern, lesen, schlafen – das wäre mein Tag! So oder so ähnlich würde es mir gefallen. Ich strecke die Beine aus und störe die Katze dabei; sie maunzt protestierend während ich die Muskel lockere. So, ich greife wieder zum Notizbuch, um auch das noch reinzuschreiben. Die Katze versucht, es sich wieder gemütlich zu machen. Jetzt gleich aber, wenn ich aufstehe, werde ich sie vertreiben müssen.








©Peter Alois Rumpf November 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

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