Dienstag, 17. November 2015

231 Eine gute Nacht und ein komplizierter Morgen


Scharfes Licht im Zimmer. Alle Gegenstände und die Bücher stehen klar und scharf da. Es kommt mir vor, das Licht hätte einen grünen Touch, aber mein Verstand sagt, das kann nicht sein. Ich bin innen voll von etwas, das von außen kommt. Aber nicht wirklich. Oder doch? Ich habe beim Lesen ein wenig geweint. (Ein wenig geschwindelt – in Wirklichkeit hätte ich bei meiner gierigen Art zu lesen gar keine Zeit dafür.) Aber in mir aufgestiegen ist es schon; das stimmt!

Das, was mich erfüllt, betäubt mich etwas – ich weiß nichts; ich fühle nicht, was ich fühle; ich fühle nur, daß ich fühle, aber ich fühle nicht, was ich fühle. Gibt es das überhaupt? Ich mißtraue mir. Ich bin nicht nur ein Drückeberger, sondern auch ein Übertreiber und Schwindler. Eine Dramaqueen. Ich muß lachen. Innerlich. Äußerlich lächle ich leicht.

Diese Betäubung ist nicht unangenehm. Als hätte ich einen schmerzlosen Schlag bekommen, der mich benommen macht. Schmerzfrei nicht, weil er schwach gewesen wäre, sondern weil er nicht auf der körperlichen Ebene dahergekommen ist. Eher wie ein Bewußtseinsflash. Benommen von irgendeiner Fülle. Oder hat sich bloß der blinde Fleck ausgedehnt?

Vielleicht bewirken das bläuliche Licht der Energiesparlampe und die gelbe Jalousie den grünlichen Touch im Raum der bunten Welt der Buchrücken. Teile von Gedanken driften umher, aber verhaken sich nicht mehr zu einer Kette. Ich registriere, daß ich nicht denke. Gut, ich werde mich in dieser stillen Fülle (oder Empfindungsblindheit) zur Ruhe begeben. Gute Nacht.


Der übliche Input: mein Zimmer und seine Gegenstände über die Augen, das Weckerticken und Surren über die Ohren. Das Surren eigentlich nicht, weil es in den Ohren erzeugt wird. Ein Input, der von innen kommt.

Von noch weiter innen kommt dü dü dü düü dü, dü dü dü düü dü, eine Melodie, die mich seit Tagen immer wieder heimsucht. Ich höre sie ohne Beteiligung der Ohren.

Etwas kompliziert für einen Morgen, wo ich noch gar nicht denken will. Also wie ist das jetzt wirklich – wo ist das, das fühlt und wahrnimmt? Innen, aber nicht wirklich im Körper lokalisierbar, eher oben, aber nicht unbedingt im Kopf; aber wo dann?

Das Surren ist in den Ohren, von dort, wo ich fühle, weiter draußen, aber schon drinnen. Obwohl: das denke ich vielleicht nur, weil ich es höre und dabei unwillkürlich an die Ohren denke. Empfinden tue ich es eher als etwas, daß mich auf Kopfhöhe umhüllt; rundherum, auch hinter mir.

Und die Melodie? Die war jetzt verstummt und ich habe sie wieder einschalten müssen. Wo ist sie? Ungefähr zwischen den Augen? Die innere Topographie läßt sich anscheinend mit der äußeren nicht wirklich beschreiben. Die Melodie sitzt nicht nur zwischen den Augen, sie geht eindeutig tiefer; zumindest in diesem Moment. Sie ist länglich und geht vom Bauch unten bis oben, mitten knapp hinter die Augen. Im Bauch unten ist eher der Baß. Die höheren Stimmen sind eher oben. Aber es ist eine Einheit, ein ganzes, längliches Gebilde.

Das Surren ist eher rund, ein Wasserkopf aus Tönen, obwohl es auch den Brustraum mit einschließt. Die Außengrenzen sind nicht ganz klar. Zwei Brennpunkte – wie bei einer Ellipse – schweben eindeutig bei den Ohren, aber knapp außerhalb. Die beiden Brennpunkte scheinen einen leichten Druck auf die Ohren auszuüben, der mich die Ohren wie mit Luft gefüllt – leicht aufgeblasen – fühlen läßt. Das fühle ich eindeutig innen. Aber sonst kann ich außerhalb oder innerhalb des Körpers nicht wirklich entscheiden, weil es zwei getrennte, sich zwar überlagernde Systeme sind, aber jedes mit ganz eigener Gesetzmäßigkeit und Topographie. Außen, das ich wie innen empfinde. Ein Innen, das mich auch außen umhüllt.

Was für ein Morgen!






















©Peter Alois Rumpf November 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

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