Mittwoch, 11. November 2015

228 Eins und Zwei


Eins.Eins

Ich hole Luft. Ich hole tief Luft. Nach dem Hustenanfall kann ich wieder richtig atmen. Alles Mögliche geht mir im Kopf herum und ich bin aufgewühlt. Wovon? In Wirklichkeit weiß ich es nicht.

Der Hustenreiz bewegt sich suchend in meinem Brustkorb, er sucht einen Auslöser und hat ihn schon gefunden. Das war aber nur ein kleiner Hustenanfall, nicht der Rede wert.

Es ist Nacht. Durch das offene Fenster strömt frische Luft herein. Es ist still. Die Stille greift nach mir.

Durch die kühle Luft angeregt, sucht mein Husten wieder im Brustkorb herum.

„Ich singe das Lied vom Untergehen.“ Nun, bei allem Respekt vor der Intuition und den frei aufsteigenden Botschaften – wir wollen es nicht übertreiben.


Eins.Zwei

Die Gegenstände in meinem Zimmer sind von einer weißlichen Aura umgeben, ein stumpfes, weißliches Licht, das mit meinem Blick mitwandert. Ich selber bin von so einer Art Krankheitsmodus eingehüllt, der alles ein wenig ins Fremde schiebt. Nur ein wenig, gerade soviel, daß alles bedeutender, tiefer, faszinierender wirkt. Und ich habe frei. Der Krankenstand erlaubt mir, mich von allen, wirklich allen Verpflichtungen frei zu fühlen. Da fällt mir erst auf, was ich ansonsten alles schleppe.

Das weißliche Licht ist verschwunden, ich kann es nur noch an einzelnen Stellen für kurze Augenblicke sehen.
Jetzt sehe ich dunkle Streifen, die sich manchmal längs, manchmal quer ziehen. Vermutlich irgendwelche Nachbilder, deren Herkunft zu entschlüsseln ich zu faul bin. Oder nicht daran interessiert. Denn nocheinmal: es ist mir ein willkommener Zustand, wenn ich meine Wahrnehmung wie etwas empfinde, das ein Eigenleben führt und mich als ein beinahe Fließendes einhüllt. Ich empfinde dann die Ahnung stärker, daß dahinter alles ganz anders ist.

Ein leichter Schauer durchläuft mich, der mich festigt, zusammenrüttelt. Ich werde den Tag jetzt angehen.

Ich muß lachen, denn mir fällt auf, fast mein ganzer materieller Reichtum hier besteht aus Musikkonserven und Büchern. Also aus Musik und geistiger Nahrung.


Zwei

Glocken läuten. Diesmal fühle ich mich nicht angesprochen, während die Morgendämmerung und frische Luft in mein Zimmer einziehen. Und ferne, aber deutlich zu hören, die Geräusche der Stadt.

Etwas, das ich nicht fassen und nicht beschreiben kann, dehnt sich in mir aus. Etwas wie Sehnsucht könnte es sein. Es macht mich glücklich und traurig zugleich. Glücklich, weil es da etwas gibt, das einen mit offenen Mund staunen läßt, und traurig, weil ich nicht dorthin gelange. Aber es macht mir nichts aus. Es ist keine Schande, nein, nein! Es ist jenseits aller Moral, aller Anforderungen, aller Vorsätze.
Ich nehme es nur schwach und vage wahr, wie am Rande meines inneren Gesichtsfeldes, aber eigentlich ist es stark, ganz stark; ein mächtiger Strom am Grunde des Daseins, ich selber ahne es mehr, als daß ich es sehe, spüre, höre .....

Es erinnert mich auch an meine Kindheit und Jugend, an irgendetwas, das ich manchmal stark in meiner Seele empfunden habe, etwas, das nicht verletzt ist. Das da ist, ich aber nicht erreiche. Und deswegen in mir oft nicht rein, sondern vermischt mit allem Möglichen. Ah! Das ist ganz unbeholfen beschrieben.
Meine Traurigkeit ist nicht traurig, sondern lächelnd. Meine Vernunft sagt, daß das kindisch und unreif ist. Meine Vernunft weiß nicht allzuviel. Auch wenn sie recht hat, stimmt es oft nicht. Man kann solche Sätze hinschreiben. Die Grammatik erlaubt es.

Ein Ziehen. Vielleicht kann ich es ein Ziehen nennen. Von etwas Unbeschreiblichem angezogen werden. Es ist eine Art Friede in mir. Ob der hält, weiß ich nicht. Bisher hatte er nicht gehalten.
Ein Propellerflugzeug fliegt durch die Geräusche, jetzt schaltet sich ein Entlüfter ein. Mein Geist hat sich in Gedanken verheddert und das Fühlen abgewürgt. Trotzdem, der Waffenstillstand hält noch.

Der Hustenanfall sticht bis zu den Schläfen hinauf. Draußen wird es immer lauter. Die Müllabfuhr mit ihrem Optimismus ist da. Finden sie nicht, daß die Müllabfuhr Optimismus ausstrahlt? Tatkräftig, konsequent und laut scheint das Leben des Alltags bewältigbar.












©Peter Alois Rumpf November 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

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