222 Es ist soweit
Jetzt ist es soweit. Die Kälte hat im
Hof den Bäumen die Blätter gelb gefärbt. Beim Kirschbaum zuerst
die in Stammnähe und die den stärkeren Ästen entlang, bei den
Essigbäumen wirken die paar grünen als wären sie die dunklen
Schatten der gelben. Der Weidenbaum ist noch ziemlich grün, ein
dunkles Grün, das aber auch schon einen Stich ins Gelbliche hat. Der
Holunder, sowieso den ganzen Sommer über im Schatten der Essigbäume,
versucht noch ein wenig grüne Zeit herauszuschinden, jetzt, wo die
Essigbäume lichter werden. Die Robinia pseudacacia verharrt still –
sie wurde vor ein, zwei Jahren hart beschnitten, ganze herrliche
Äste wurden weggesägt, sie wurde auf ein Drittel ihrer Größe
zurückgestutzt – sie duckt sich jetzt fast verschämt; so wie
Menschen erröten wird sie nun gelb.
Das gelbe Laub liegt kunstvoll im Hof
verstreut; es leuchtet hell auf dem dunklen Asphalt. Viele Blätter
umkreisen reglos den kleinen Brunnen ganz hinten.
Wind geht jetzt keiner. Eine kleine
Meise arbeitet im Kirschbaum, oder hopst sie nur so herum?
Nebelschwaden steigen auf und benehmen
sich immer mehr wie Wolken; die Sonne kommt durch und wirft ihre
Lichtflecken in den Hof. Jetzt taucht auch eine leichte Brise auf und
wird stärker, als wäre sie vom Sonnenlicht geweckt worden und hüpft
jetzt vor Freude umher. Nun wird sie wieder ruhiger, spielt nur mehr
sanft und leicht mit den Bäumen.
Jetzt ist es soweit. Ich gehe durch die
Allee Richtung Westen zur Arbeit. Obwohl es erst zwei ist, steht die
Sonne schon recht tief. Ihr tiefes Licht macht alle Schatten stark,
die sonnenbeschienenen Stellen gleißen. Ich gehe in dieses Gleißen
hinein. Das Licht, das mich blendet, scheint Substanz zu haben. Ich
drehe mich um nach Osten; in dieser Richtung ist die Welt klar,
sonnig und kalt.
Ich gehe wieder ins Licht. Ich schaue
meine Hände an. Im scharfen Licht sehen sie sehr alt aus. Können
diese Hände noch etwas bewirken? Ich gehe weiter. Die Lichtinvasion
läßt die Welt fremd erscheinen, durchzogen von Nebelschwaden aus
Licht. Alles wie in einem Traum, fremdartig.
Ich denke, er müßte möglich sein,
immer weiter in dieses Licht zu gehen: Die Welt wird dann immer
traumhafter; ich ginge weiter und weiter, und dann merke ich – das
Ganze ist nur mehr ein Traum. Während ich weitergegangen bin, ist
die reale Welt immer mehr nach unten gesunken. Ich erschrecke nicht.
Ich bin froh, daß ich die Welt verlassen habe. Glücklich, feierlich
und andächtig ginge ich dann weiter und weiter durch diese
leuchtende Unendlichkeit.
Im Schatten ist es dann kälter. Das
Traumhafte ist nur mehr im Kopf.
Ich habe Schwierigkeiten, mich an meinem Arbeitsplatz zu versammeln. Teile von mir wandern immer noch herum. Mein innerer Körper sackt zusammen. Ich bin unglaublich müde.
Ich habe Schwierigkeiten, mich an meinem Arbeitsplatz zu versammeln. Teile von mir wandern immer noch herum. Mein innerer Körper sackt zusammen. Ich bin unglaublich müde.
©Peter
Alois Rumpf November 2015 peteraloisrumpf@gmail.com
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