Donnerstag, 10. Dezember 2015

247 Minimal Music


Aus einem vergessenen Traum aufgewacht, von Hustenanfällen bis aufs Äußerste gereizt, liege ich wach in der Dunkelheit. Der Wecker, der so gut wie nie läutet, tickt einfach nur. Etwas irritierendes und verstörendes schleicht herum. Vom Gewandhaufen am Sessel, ansonsten fast idyllisch, geht heute fast etwas Bedrohliches aus. Diese Mischung aus Ordnung und Unordnung wirkt heute wirklich nicht anheimelnd. Eine kaum fassbare, aber altvertraute Angst nistet sich ein. Ist es die Angst vorm Leben? Es scheint so. Oder Existenzangst. So genau weiß ich es nicht. Vor lauter Angst kann ich es nicht spüren.

Diese Angst kenne ich aus der Zeit, als ich mein Studium vernachlässigt habe und jede Lebensperspektive verloren hatte. In Panik aufwachen und nicht mehr wissen, wie es weitergehen kann. Eingekrümmt liegen bleiben. Vernebelten, aber trotzdem sehenden Auges das Lebensschiff Richtung Eisberg gleiten lassen ohne einzugreifen. Ohne eingreifen zu können. Gelähmt vor Angst, jede Orientierung verloren.

Oder von noch früher, aus der Schulzeit. Nicht zu verstehen, was da vorgeht; ich meine weniger das Wissen, das gelehrt wird, sondern mehr die Abläufe. Ich komme einfach nicht mit. Warum schaffe ich es nach der Schule nicht rechtzeitig zum Autobus? (Warum habe ich in der Garderobe die anderen sich vordrängen lassen?) Was ist an mir so falsch?

Und heute? Es ist keine offene Panik, lediglich ein Gefühl von … jedenfalls ist es gleich unter der Oberfläche. Ich habe daran gedacht, daß mich dieser Husten schon mehrere Wochen quält und ich bei keinem Arzt durchgekommen bin, das ordentlich untersuchen zu lassen. Ist es die Angst der Machtlosigkeit? Das könnte hinkommen. Ich fühle mich im Moment auch sehr verletzlich, darum gehe ich auch nicht aus dem Zimmer, während rundherum das Leben erwacht. Kündigt sich irgendetwas mit meinem Herzen an? Fühlt es sich beim Husten nicht an, als wäre Wasser in der Lunge? Kann man so etwas überhaupt fühlen? Ah! Das ist doch sicher nur Einbildung! Du bläst dein Ego mit hypochondrischem Schmarrn auf. Das wirkt nur lächerlich!

Mit von der Lesebrille verschwommenem Blick schaue ich auf das Bücherregal und es ist das Blau, das mir ins Auge fällt. Diese verschiedenen, schönen Blaus! Vor allem die halbe Guardini-Gesamtausgabe. Darin habe ich schon lange nicht mehr gelesen. Der Reichtum, den ich hier habe, ungenützt. Unter meinem Blick scheinen sich die Wände leicht zu bewegen, als würde das Zimmer zu atmen versuchen. Ich schaue ein wenig über den Brillenrand. Die scharfen Konturen gefallen mir heute besser als die verschwommenen.

Das Surren in den Ohren, ansonsten konstant wie minimal music, hält kurz an und setzt dann wieder ein. Ich habe den Eindruck, es fange zu pulsieren an. Das ist ungewöhnlich. Bis jetzt ist mir soetwas noch nie aufgefallen.

Jetzt lächle ich ein wenig. Entschuldigend. Tut mir leid, liebes Leben, daß da nicht Rechtes geworden ist. Ich zucke mit den Achseln. Das Surren unterbricht sich kurz und Erinnerungen, die ich nicht einordnen kann, bedrängen mich. Wann habe ich das gesagt? Wo? Zu wem? Ist das wirklich passiert? Habe ich es nur geträumt, gelesen, phantasiert? Wer sagt das? Was? Was war das? Und wo? Wo soll das gewesen sein?









©Peter Alois Rumpf Dezember 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]

<< Startseite