247 Minimal Music
Aus einem vergessenen Traum aufgewacht,
von Hustenanfällen bis aufs Äußerste gereizt, liege ich wach in
der Dunkelheit. Der Wecker, der so gut wie nie läutet, tickt einfach
nur. Etwas irritierendes und verstörendes schleicht herum. Vom
Gewandhaufen am Sessel, ansonsten fast idyllisch, geht heute fast
etwas Bedrohliches aus. Diese Mischung aus Ordnung und Unordnung
wirkt heute wirklich nicht anheimelnd. Eine kaum fassbare, aber
altvertraute Angst nistet sich ein. Ist es die Angst vorm Leben? Es
scheint so. Oder Existenzangst. So genau weiß ich es nicht. Vor
lauter Angst kann ich es nicht spüren.
Diese Angst kenne ich aus der Zeit, als
ich mein Studium vernachlässigt habe und jede Lebensperspektive
verloren hatte. In Panik aufwachen und nicht mehr wissen, wie es
weitergehen kann. Eingekrümmt liegen bleiben. Vernebelten, aber
trotzdem sehenden Auges das Lebensschiff Richtung Eisberg gleiten
lassen ohne einzugreifen. Ohne eingreifen zu können. Gelähmt vor
Angst, jede Orientierung verloren.
Oder von noch früher, aus der
Schulzeit. Nicht zu verstehen, was da vorgeht; ich meine weniger das
Wissen, das gelehrt wird, sondern mehr die Abläufe. Ich komme
einfach nicht mit. Warum schaffe ich es nach der Schule nicht
rechtzeitig zum Autobus? (Warum habe ich in der Garderobe die anderen
sich vordrängen lassen?) Was ist an mir so falsch?
Und heute? Es ist keine offene Panik,
lediglich ein Gefühl von … jedenfalls ist es gleich unter der
Oberfläche. Ich habe daran gedacht, daß mich dieser Husten schon
mehrere Wochen quält und ich bei keinem Arzt durchgekommen bin, das
ordentlich untersuchen zu lassen. Ist es die Angst der
Machtlosigkeit? Das könnte hinkommen. Ich fühle mich im Moment auch
sehr verletzlich, darum gehe ich auch nicht aus dem Zimmer, während
rundherum das Leben erwacht. Kündigt sich irgendetwas mit meinem
Herzen an? Fühlt es sich beim Husten nicht an, als wäre Wasser in
der Lunge? Kann man so etwas überhaupt fühlen? Ah! Das ist doch
sicher nur Einbildung! Du bläst dein Ego mit hypochondrischem
Schmarrn auf. Das wirkt nur lächerlich!
Mit von der Lesebrille verschwommenem
Blick schaue ich auf das Bücherregal und es ist das Blau, das mir
ins Auge fällt. Diese verschiedenen, schönen Blaus! Vor allem die
halbe Guardini-Gesamtausgabe. Darin habe ich schon lange nicht mehr
gelesen. Der Reichtum, den ich hier habe, ungenützt. Unter meinem
Blick scheinen sich die Wände leicht zu bewegen, als würde das
Zimmer zu atmen versuchen. Ich schaue ein wenig über den
Brillenrand. Die scharfen Konturen gefallen mir heute besser als die
verschwommenen.
Das Surren in den Ohren, ansonsten
konstant wie minimal music, hält kurz an und setzt dann wieder ein.
Ich habe den Eindruck, es fange zu pulsieren an. Das ist
ungewöhnlich. Bis jetzt ist mir soetwas noch nie aufgefallen.
Jetzt lächle ich ein wenig.
Entschuldigend. Tut mir leid, liebes Leben, daß da nicht Rechtes
geworden ist. Ich zucke mit den Achseln. Das Surren unterbricht sich
kurz und Erinnerungen, die ich nicht einordnen kann, bedrängen mich.
Wann habe ich das gesagt? Wo? Zu wem? Ist das wirklich passiert? Habe
ich es nur geträumt, gelesen, phantasiert? Wer sagt das? Was? Was war das? Und wo? Wo
soll das gewesen sein?
©Peter
Alois Rumpf Dezember 2015 peteraloisrumpf@gmail.com
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