Mittwoch, 16. Dezember 2015

251 Katzenklo

Es ist früher Morgen und noch finster. Ich rüste mich innerlich für den neuen Tag, an dem ich freihabe und viel erledigen werde müssen. Meine Seele ist allerdings noch in Albträumen gefangen. Träume von Gewalt und Rechtlosigkeit. Ich hatte große Angst um meine Töchter. Ich hatte mich geduckt und durchzulavieren versucht. Anscheinend ist nichts Gröberes passiert, aber ich habe ein speiübles Gefühl mich unterworfen zu haben. Mir graust vor mir selber. Dieser Ekel vor mir selber mischt sich mit den optimistischen Erwartungen an den Tag und was ich alles erledigen werde. Noch ist der Ekel stärker. Wie immer nach intensiven Träumen surrt es in meinem Kopf wie verrückt. Ich habe immer noch Angst. Ich hatte im Vorraum draußen das Katzenklo gemacht, das heißt gereinigt, um meine innere Waagschale mit Realität zu beladen; damit die Waagschale für diese Welt schwerer und gewichtiger wird als die für die Traumwelt. Viel hat es nicht geholfen. „Katzenklo, Katzenklo, ja das macht die KatzeN froh. Katzenklo, Katzenklo macht die KatzeN froh.“ (Helge Schneider; der Katzenplural ist von mir) – nein, das kommt gegen den Albtraum auch nicht an. Oder doch? Vielleicht ein paar Gramm mehr für die Realität. Das hätte sich der Helge Schneider sicher nicht träumen lassen, daß er und sein Katzenklo einmal für Realitätssinn stehen, als Gegengewicht zu Traumverlorenheit und Realitätsverlust! Wie halt das Leben so spielt.

Die Bangigkeit hat tatsächlich etwas abgenommen, beziehungsweise hat sich aus der ersten Reihe in die zweite zurückgezogen. Die Elemente der Seele können nicht rausgeworfen, sondern nur hin und her geschoben werden, vom Vordergrund in den Hintergrund zum Beispiel. Angst und Panik werden immer Inventar meiner Seele bleiben. Liebe Angst, liebe Panik! Würden Sie so nett sein und hier hinten Platz nehmen? Sie haben hier einen guten Ausblick aufs Geschehen, aber stehen selbst nicht im Rampenlicht. Hier haben Sie einen viel besseren Überblick als vorne an der Bühne, unmittelbar vorm Drama. Und Sie wissen ja, diese modernen Stücke – da kommt auf einmal so ein Schauspieler herunter und holt Sie auf die Bühne hinauf. Und macht seinen Spaß mit Ihnen. Oder stellen Sie sich vor, der auf der Bühne ist ein Kabarettist! Was dem alles einfallen könnte! – der deutet auf Sie und macht auf Ihre Kosten seine Witze. Nein, das wollen Sie nicht. Davor haben Sie doch Angst. Unser Personal wird Sie diskret und aufmerksam bedienen. Genießen Sie es, sich aus der ersten Reihe in den Hintergrund zurückgezogen zu haben, verschnaufen Sie, erholen Sie sich; hier können Sie sich vortrefflich entspannen! Hier sind Sie aus dem Schneider. Ja, atmen Sie gut durch! Das tut gut!

Jetzt geht ein Zittern durch meinen Körper, ein optimistisches Zittern, weltzugewandt und geduldig. Ich strecke mich und spüre meine Kraft. Aber ich warte noch. Nicht aus Angst und Unsicherheit, sondern um meine Kraft zu sammeln und zu fokussieren, in der Gewißheit, bald bereit zu sein.

Der Geruch von Kaffee gelangt durch die Ritzen und hat mich beinah verwirrt, weil er ein wenig zu stark ist. Aber nur beinah.
Ich habe schon soviel Schwung, daß ich kurz aufstehe und nachschaue – ja, es ist alles in Ordnung, wie ich es vermutet habe. Ein zärtliches Gefühl für die Welt draußen vor meinem Zimmer durchströmt mich. Ich lächle in die langsam munter werdende Stille. Aber ich warte noch. Wie gesagt, nicht aus Angst, sondern auf den richtigen Zeitpunkt. Noch einmal drehe ich das Licht ab und gebe mich der weichen Dunkelheit hin.

Lichtpunkte reihen sich an Lichtpunkte.










©Peter Alois Rumpf Dezember 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

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