251 Katzenklo
Es ist früher Morgen und noch finster. Ich rüste mich
innerlich für den neuen Tag, an dem ich freihabe und viel erledigen werde
müssen. Meine Seele ist allerdings noch in Albträumen gefangen. Träume von
Gewalt und Rechtlosigkeit. Ich hatte große Angst um meine Töchter. Ich hatte
mich geduckt und durchzulavieren versucht. Anscheinend ist nichts Gröberes
passiert, aber ich habe ein speiübles Gefühl mich unterworfen zu haben. Mir
graust vor mir selber. Dieser Ekel vor mir selber mischt sich mit den
optimistischen Erwartungen an den Tag und was ich alles erledigen werde. Noch
ist der Ekel stärker. Wie immer nach intensiven Träumen surrt es in meinem Kopf
wie verrückt. Ich habe immer noch Angst. Ich hatte im Vorraum draußen das
Katzenklo gemacht, das heißt gereinigt, um meine innere Waagschale mit Realität
zu beladen; damit die Waagschale für diese Welt schwerer und gewichtiger wird
als die für die Traumwelt. Viel hat es nicht geholfen. „Katzenklo, Katzenklo,
ja das macht die KatzeN froh. Katzenklo, Katzenklo macht die KatzeN froh.“
(Helge Schneider; der Katzenplural ist von mir) – nein, das kommt gegen den
Albtraum auch nicht an. Oder doch? Vielleicht ein paar Gramm mehr für die
Realität. Das hätte sich der Helge Schneider sicher nicht träumen lassen, daß
er und sein Katzenklo einmal für Realitätssinn stehen, als Gegengewicht zu
Traumverlorenheit und Realitätsverlust! Wie halt das Leben so spielt.
Die Bangigkeit hat tatsächlich etwas abgenommen,
beziehungsweise hat sich aus der ersten Reihe in die zweite zurückgezogen. Die
Elemente der Seele können nicht rausgeworfen, sondern nur hin und her geschoben
werden, vom Vordergrund in den Hintergrund zum Beispiel. Angst und Panik werden
immer Inventar meiner Seele bleiben. Liebe Angst, liebe Panik! Würden Sie so
nett sein und hier hinten Platz nehmen? Sie haben hier einen guten Ausblick
aufs Geschehen, aber stehen selbst nicht im Rampenlicht. Hier haben Sie einen
viel besseren Überblick als vorne an der Bühne, unmittelbar vorm Drama. Und Sie
wissen ja, diese modernen Stücke – da kommt auf einmal so ein Schauspieler
herunter und holt Sie auf die Bühne hinauf. Und macht seinen Spaß mit Ihnen.
Oder stellen Sie sich vor, der auf der Bühne ist ein Kabarettist! Was dem alles
einfallen könnte! – der deutet auf Sie und macht auf Ihre Kosten seine Witze.
Nein, das wollen Sie nicht. Davor haben Sie doch Angst. Unser Personal wird Sie
diskret und aufmerksam bedienen. Genießen Sie es, sich aus der ersten Reihe in
den Hintergrund zurückgezogen zu haben, verschnaufen Sie, erholen Sie sich;
hier können Sie sich vortrefflich entspannen! Hier sind Sie aus dem Schneider.
Ja, atmen Sie gut durch! Das tut gut!
Jetzt geht ein Zittern durch meinen Körper, ein optimistisches
Zittern, weltzugewandt und geduldig. Ich strecke mich und spüre meine Kraft.
Aber ich warte noch. Nicht aus Angst und Unsicherheit, sondern um meine Kraft
zu sammeln und zu fokussieren, in der Gewißheit, bald bereit zu sein.
Der Geruch von Kaffee gelangt durch die Ritzen und hat mich
beinah verwirrt, weil er ein wenig zu stark ist. Aber nur beinah.
Ich habe schon soviel Schwung, daß ich kurz aufstehe und
nachschaue – ja, es ist alles in Ordnung, wie ich es vermutet habe. Ein
zärtliches Gefühl für die Welt draußen vor meinem Zimmer durchströmt mich. Ich
lächle in die langsam munter werdende Stille. Aber ich warte noch. Wie gesagt,
nicht aus Angst, sondern auf den richtigen Zeitpunkt. Noch einmal drehe ich das
Licht ab und gebe mich der weichen Dunkelheit hin.
Lichtpunkte reihen sich an Lichtpunkte.
©Peter
Alois Rumpf Dezember 2015 peteraloisrumpf@gmail.com
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