256 Nacht und Tag
Meine Traurigkeit ist ganz groß. Weiter komme ich nicht.
Meine Sprache und selbst mein Denken verstummen. Es ist eine Art glückliche
Trauer, denn alles ist so, wie es sein muß. Ich meine, auch das, was mich
schmerzt, ist so wie es ist. Aber weiter komme ich nicht. Das macht nichts. Ein
Gedicht fällt mir ein, aber ich zitiere es nicht. Ich erinnere mich nicht an
den vollständigen Text, eigentlich nur an das Bild vom unverbrauchten Leben,
das explodiert, und an das Gefühl.
Ich suche nichts. Ich erwarte nichts. Ich lausche nur so,
weil mir nichts anderes einfällt. Alles ist voll von berstender Intensität,
aber fühle ich sie nicht, ich ahne sie bloß. Ein klein wenig spüre ich sie
doch.
Um mich herum ist alles stumm. Der stumme Wecker, der tickt.
Das stumme Geräusch in den Ohren, das surrt und summt. Ein stummes, fernes,
pulsierendes Raunen – das ist alles, was von der Stadt bleibt. Wenn ich meine
Füße bewege, schaben sie stumm am Leintuch. Ja, den Atem kann ich noch hören,
auch er sagt nichts, ist traurig. In meiner Brust der lastende Druck der
Schwermut. Mein Blick schweift umher, aber nichts fällt ihm in seine Hoch- und
Tiefschaubahn. Über alles muß ich lächeln. Ich weiß in etwa, wohin diese
Traurigkeit führt, aber ich will ihr nicht nachgehen.
Von der unterirdischen Virgilkapelle über die unterirdische
U-Bahn und die verschachtelten unterirdischen Gänge des Karlsplatzes hinauf an
die Erdoberfläche, Richtung Süden. Die Sonne steht tief um Mittag und blendet
mich. So angenehm fremd schaut die Welt selten aus; ein Windstoß vom Norden
treibt Blätter, Papierl und Zigarrettenstummel hinter meinem Rücken hervor und
läßt sie in der Sonne glitzern. Im Gehen denke ich: das ist schon beinahe meine
kosmische Reise, nur Farben, Glitzern und Licht; gelber als im blaueren Traum;
auch die Menschen, die nah vorbeigehen sind ganz fern, wie kosmische Phänomene,
um die ich mich nicht kümmern brauche, sie gehen mich nichts an. Eine andere Kraft
ist für sie zuständig. Der Windstoß im Rücken läßt mich kurz die Müdigkeit
meines Körpers vergessen, das verführerische Gefühl der Erschöpfung, dem ich
mich so gern hingeben will. Ich gehe und gehe als wäre es schon mein Marsch in
die Unendlichkeit. Ein innerer Jubel, stille Freude kommt auf. Ich sage zur
kosmischen Sonne danke, zum Wind, zur Erde über die ich hinweggleite, kurz,
dann hält mich wieder die Schwerkraft.
©Peter
Alois Rumpf Dezember 2015
peteraloisrumpf@gmail.com
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