Mittwoch, 23. Dezember 2015

256 Nacht und Tag

Meine Traurigkeit ist ganz groß. Weiter komme ich nicht. Meine Sprache und selbst mein Denken verstummen. Es ist eine Art glückliche Trauer, denn alles ist so, wie es sein muß. Ich meine, auch das, was mich schmerzt, ist so wie es ist. Aber weiter komme ich nicht. Das macht nichts. Ein Gedicht fällt mir ein, aber ich zitiere es nicht. Ich erinnere mich nicht an den vollständigen Text, eigentlich nur an das Bild vom unverbrauchten Leben, das explodiert, und an das Gefühl.
Ich suche nichts. Ich erwarte nichts. Ich lausche nur so, weil mir nichts anderes einfällt. Alles ist voll von berstender Intensität, aber fühle ich sie nicht, ich ahne sie bloß. Ein klein wenig spüre ich sie doch.

Um mich herum ist alles stumm. Der stumme Wecker, der tickt. Das stumme Geräusch in den Ohren, das surrt und summt. Ein stummes, fernes, pulsierendes Raunen – das ist alles, was von der Stadt bleibt. Wenn ich meine Füße bewege, schaben sie stumm am Leintuch. Ja, den Atem kann ich noch hören, auch er sagt nichts, ist traurig. In meiner Brust der lastende Druck der Schwermut. Mein Blick schweift umher, aber nichts fällt ihm in seine Hoch- und Tiefschaubahn. Über alles muß ich lächeln. Ich weiß in etwa, wohin diese Traurigkeit führt, aber ich will ihr nicht nachgehen.


Von der unterirdischen Virgilkapelle über die unterirdische U-Bahn und die verschachtelten unterirdischen Gänge des Karlsplatzes hinauf an die Erdoberfläche, Richtung Süden. Die Sonne steht tief um Mittag und blendet mich. So angenehm fremd schaut die Welt selten aus; ein Windstoß vom Norden treibt Blätter, Papierl und Zigarrettenstummel hinter meinem Rücken hervor und läßt sie in der Sonne glitzern. Im Gehen denke ich: das ist schon beinahe meine kosmische Reise, nur Farben, Glitzern und Licht; gelber als im blaueren Traum; auch die Menschen, die nah vorbeigehen sind ganz fern, wie kosmische Phänomene, um die ich mich nicht kümmern brauche, sie gehen mich nichts an. Eine andere Kraft ist für sie zuständig. Der Windstoß im Rücken läßt mich kurz die Müdigkeit meines Körpers vergessen, das verführerische Gefühl der Erschöpfung, dem ich mich so gern hingeben will. Ich gehe und gehe als wäre es schon mein Marsch in die Unendlichkeit. Ein innerer Jubel, stille Freude kommt auf. Ich sage zur kosmischen Sonne danke, zum Wind, zur Erde über die ich hinweggleite, kurz, dann hält mich wieder die Schwerkraft.













©Peter Alois Rumpf    Dezember 2015     peteraloisrumpf@gmail.com

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