269 Der Geistesblitz
Etwas hat sich in den Ritzen meines Bewußtseins versteckt.
Was, kann ich mich nicht erinnern. Der unerwartete Schnee draußen hat mich
sofort auf eine andere Bewußtseinsebene gerissen, darum habe ich vergessen, was
es war.
Es war wichtig. Es war eine einleuchtende Erkenntnis, ein wirklicher
Geistesblitz, wo ein Lichtstrahl vom Großen Überblick in die schummrige
Dämmerung meines von einer schlechten Energiesparlampe schlecht erleuchteten
Bewußtseins gefallen ist. Die Entdeckung, daß sich da etwas versteckt und was
es ist, hat oder hätte mir wirklich weitergeholfen, denn nun war oder wäre mir
vieles klarer. Aber alles ist weg. Ganz ruhig warte ich, ob diese Erkenntnis
noch einmal aufsteigt. Nein, perdu. Das Ticken des Weckers leistet mir beim
Lauern Gesellschaft. Im Mund habe ich noch den Geschmack der Zwiebel von
gestern.
Inzwischen liebe ich diese frühe Morgenstunde um fünf herum.
Das Dröhnen eines Flugzeugs klingt wie ein ganz ernstes, komprimiertes, großes
Musikstück. Da! Da waren wieder die Ritzen im Bewußtsein! Ich habe sie bemerkt!
Schon sind sie weg, bevor ich erfassen konnte, was sich in ihnen versteckt
hält.
Ich war gerade bei einem Satz; bin dann jedoch gestolpert;
ich kann nichteinmal mehr seine Bruchstücke auflesen. Ein Wassertropfen, der
aufs Fensterblech aufschlägt, will mich an etwas erinnern. An was? Was denn?!
Das Dröhnen der Entlüftung eines Nachbarn ist fast so gut wie diese
Flugzeugsymphonie. Eine innere Lautsprecheransage lautet: „Ja, sicher!“ Es war
eine weibliche Stimme.
Kann Goethe rehabilitiert werden? Vor kurzem erst ist mir
irgendetwas untergekommen, das mir das nahe gelegt hat. War das in den Weiten
meiner Träume oder in den Weiten meines Internetzes? (Danke Dr. Kurt Ostbahn.)
Jetzt bin ich ganz woanders. Im Cafe Europa vor genau siebenundzwanzig Jahren.
(Das mit der Genauigkeit ist natürlich ein Bluff, denn um diese Uhrzeit hat es
schon längst geschlossen gehabt.) Jetzt bin ich in der Blue Box; kein weiter
Sprung, aber ich bin wieder wo anders. Ich muß einem Freund gegenüber meinen
Irrtum aufklären! So eine dumme Verwechslung der Kellnerinnen! Mein bamstiges
Gehirn will nicht mehr präzise arbeiten. Es hat genug von dem ganzen Zirkus, will
rasten.
Sätze werden mühsam zusammengestellt, aufgerichtet und
verworfen, oder stürzen in sich zusammen, gehen verloren. Stürzen in sich
zusammen wie die entarteten, überheblich in zu große Höhen strebenden gotischen
Dome. Ach! Was soll's! Vieles geht verloren, verrottet vergessen und
vernachlässigt und düngt die nächste Generation. Wir sind alle Sternenstaub,
wie alles andere auch. Nur luzide Träumer kommen durch, und von denen nur ein
Promille.
©Peter
Alois Rumpf Jänner 2016 peteraloisrumpf@gmail.com
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