Donnerstag, 21. Januar 2016

269 Der Geistesblitz

Etwas hat sich in den Ritzen meines Bewußtseins versteckt. Was, kann ich mich nicht erinnern. Der unerwartete Schnee draußen hat mich sofort auf eine andere Bewußtseinsebene gerissen, darum habe ich vergessen, was es war.
Es war wichtig. Es war eine einleuchtende Erkenntnis, ein wirklicher Geistesblitz, wo ein Lichtstrahl vom Großen Überblick in die schummrige Dämmerung meines von einer schlechten Energiesparlampe schlecht erleuchteten Bewußtseins gefallen ist. Die Entdeckung, daß sich da etwas versteckt und was es ist, hat oder hätte mir wirklich weitergeholfen, denn nun war oder wäre mir vieles klarer. Aber alles ist weg. Ganz ruhig warte ich, ob diese Erkenntnis noch einmal aufsteigt. Nein, perdu. Das Ticken des Weckers leistet mir beim Lauern Gesellschaft. Im Mund habe ich noch den Geschmack der Zwiebel von gestern.

Inzwischen liebe ich diese frühe Morgenstunde um fünf herum. Das Dröhnen eines Flugzeugs klingt wie ein ganz ernstes, komprimiertes, großes Musikstück. Da! Da waren wieder die Ritzen im Bewußtsein! Ich habe sie bemerkt! Schon sind sie weg, bevor ich erfassen konnte, was sich in ihnen versteckt hält.

Ich war gerade bei einem Satz; bin dann jedoch gestolpert; ich kann nichteinmal mehr seine Bruchstücke auflesen. Ein Wassertropfen, der aufs Fensterblech aufschlägt, will mich an etwas erinnern. An was? Was denn?! Das Dröhnen der Entlüftung eines Nachbarn ist fast so gut wie diese Flugzeugsymphonie. Eine innere Lautsprecheransage lautet: „Ja, sicher!“ Es war eine weibliche Stimme.

Kann Goethe rehabilitiert werden? Vor kurzem erst ist mir irgendetwas untergekommen, das mir das nahe gelegt hat. War das in den Weiten meiner Träume oder in den Weiten meines Internetzes? (Danke Dr. Kurt Ostbahn.) Jetzt bin ich ganz woanders. Im Cafe Europa vor genau siebenundzwanzig Jahren. (Das mit der Genauigkeit ist natürlich ein Bluff, denn um diese Uhrzeit hat es schon längst geschlossen gehabt.) Jetzt bin ich in der Blue Box; kein weiter Sprung, aber ich bin wieder wo anders. Ich muß einem Freund gegenüber meinen Irrtum aufklären! So eine dumme Verwechslung der Kellnerinnen! Mein bamstiges Gehirn will nicht mehr präzise arbeiten. Es hat genug von dem ganzen Zirkus, will rasten.

Sätze werden mühsam zusammengestellt, aufgerichtet und verworfen, oder stürzen in sich zusammen, gehen verloren. Stürzen in sich zusammen wie die entarteten, überheblich in zu große Höhen strebenden gotischen Dome. Ach! Was soll's! Vieles geht verloren, verrottet vergessen und vernachlässigt und düngt die nächste Generation. Wir sind alle Sternenstaub, wie alles andere auch. Nur luzide Träumer kommen durch, und von denen nur ein Promille.













©Peter Alois Rumpf  Jänner 2016    peteraloisrumpf@gmail.com

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