275 Einsicht
Ich schaue in ein inneres Bild und sehe, ich komme in meinen
Handlungen oft nicht vor. Sie geschehen in einer Art stillen, vergessenen
Panik, die mich aus mir selbst vertrieben hat. In meiner Mitte finde ich mich
nicht; fast alles geschieht in einem bewußtlosen Taumel. In meinem Innersten
findet eine Explosion statt, ich weiß nicht, ob es der Urknall ist oder sein
Nachbild oder der letzte Krieg oder meine Panik in der Teufelsgrube. Jedenfalls
blendet es mich und ich kann nicht sehen. Nicht, was um mich stattfindet, noch,
was in mir los ist. Übrig bleibt ein unausgereifter Replikant, dessen Mechanik
sehr leicht blockiert, störanfällig beim kleinsten Stress, am Rande der Materialermüdung.
Wie ein leeres, ungeschütztes Haus.
Gern hülle ich mich in Decken ein, damit das verlorene
Selbst nicht davondampfen, sondern wenigstens zu einer flüssigen Substanz
kondensieren kann. Eine Leerstelle in mir, vollgeräumt mit fremdem Zeugs. Darum
oft dieses achselzuckende „ich weiß nicht“. Es fehlt der, der sieht.
Ich gleite jetzt ab in einen japanischen Fischmarkt. Und
jetzt bin ich mit Grillparzer unterwegs, wo, das weiß ich schon nicht mehr. Ein
kleines Flugzeug schneidet sich in hohem Ton durch mein Traumbewußtsein und
holt mich so – bei immer tiefer werdender Tonlage – zurück. Die ganze Sahara
liegt drei Monate unter Regen, die Wüste lebt und blüht wieder auf.
Meine Finger sind verknotet und weich wie ein Wollknäuel.
Mein Traumgesicht täuscht mir ein vollgeschriebenes Notizbuch vor. Im Inneren
wünsche ich meinen Lieben einen schönen Tag, bevor ich wieder in Träume
versinke. Ich rieche etwas,
das Kaffee oder Katzenscheiße sein könnte.
„High on
ice cream, and not melting, mouths to feel, but not be felt“ (aus: Escalator
over the hill; Musik: Carla Bley Text: Paul Haines; Akt: Over her head; es
singt: Ginger = Linda Ronstadt)
Im Niemandsland zwischen Traum und Wirklichkeit nehme ich
alles auf mich und trage es. Trotzdem ist es eine Komödie, darauf bestehe ich,
oder mein Rest an Stolz.
Und: Musik hilft, das Chaos zu ordnen.
©Peter
Alois Rumpf Jänner 2016 peteraloisrumpf@gmail.com
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