Donnerstag, 16. Juli 2015

146 Feuerstelle


Ich bin die ganze Zeit beim Feuer gewesen. Beim Feuer im Freien. Jetzt stinke ich nach Rauch und schaue in die übriggebliebene Glut. Die Glut wirkt lebendig, sie dehnt sich aus und zieht sich wieder zusammen, wird heller und wieder dünkler; es gehen auch immer wieder wellenartige Bewegungen durch die Glutnester im heruntergebrannten Feuer. Feuer und Glut – das liebe ich schon seit langem. Daran kann ich mich nicht so schnell satt sehen.
Eine Kuh brüllt kurz und laut in die Abenddämmerung. Wolken ziehen über einen schon milchigen Himmel. Es schaut nicht so aus, als würde ich heute Sterne sehen.

Ein kurzer, sanfter Windhauch hat es geschafft, irgendetwas da in der Glut kurz aufflammen zu lassen. Der nähere Bach rauscht ganz laut und sozusagen an mehreren Stellen. Weiter oben klingt dieses Rauschen tiefer und dunkler, hier in der Nähe höher und heller. Immer wieder fliegen kleine Funken über den Steinkreis der Feuerstelle hinaus. Ich habe mich wärmer angezogen, aber kalt ist es nicht. Ich werfe ein kleines Stück Brot, einen übriggebliebenen Rest, ins Feuer, um es irgendwelchen unbekannten Göttern zu opfern. Der Rauch ist nicht zum Himmel aufgestiegen, sondern zum Wald hinübergekrochen. Vielleicht wohnen diese unbekannten Götter auch dort. Vielleicht sind es auch keine Götter, sondern Waldgeister, die meine bescheidene Gabe annehmen. Mir soll es recht sein.

Am heißen Nachmittag bin ich viermal im Bach untergetaucht und habe eine ganze, fröhliche Meute mitgelockt in das eiskalte Wasser. Jetzt höre ich ihre lustigen Schreie von der Nachbarhütte, wo sie spielen, die jüngeren und die Teenager. Sie sind glücklich hier auf der Alm.

Es ist schon ziemlich dunkel, aber noch nicht Nacht. Stern sehe ich keinen durch eine der Wolkenlücken blitzen. Venus und Jupiter müßten schon zu sehen sein. Arktur vermeine ich jetzt dort ganz schwach leuchten zu sehen, und hinten vermute ich Wega. Vielleicht täuschen mich aber die Wolken.

Der Wald dort im Dunkeln vexiert zwischen unheimlich und heimelig, ständig hin und her. Ich könnte mich darin geborgen fühlen oder auch fürchten. Momentan bin ich froh, die Hütte im Rücken zu haben. Bevor ich hineingehe, werde ich die Glut löschen müssen.
Die Glutnester sind schwächer geworden, aber immer noch kann ein Windhauch sie aufblühen lassen. Meine Brille ist wie ein Heuschreck davongehüpft, nachdem mir ein übermütiges Wesen über den Kopf gefahren ist. Das klingt mysteriös, war aber ein ganz irdischer Vorgang.

Immer wieder halte ich Ausschau nach irgendeinem Stern. Es macht aber gar nichts, wenn ich keinen entdecke. Ich meine da drüben im Dunkeln eine Gestalt zu spüren; gerade fliegt ein Glühwürmchen vorbei. Ich will jetzt die Glut löschen, bringe es aber nicht übers Herz; es geht immer noch Wärme von ihr aus.

Jetzt habe ich die Glut gelöscht; das Zischen des Wasserdampfes war laut und störend, aber plötzlich war der halbe Himmel wolkenfrei und ich konnte den ganzen großen Wagen sehen. Und Wega mit ihrer Leier und die zwei hellsten Sterne vom Adler. Jetzt, wo ich das aufschreibe, ist auch Arktur frei und ein paar seiner Begleiter sind es auch.

Einige Wolken zeigen schon das Glitzern des Mondlichts, aber der Mond selber ist noch nicht aufgegangen. Eine nächtliche „Morgenröte“ in Silber. Für dieses schiefe Bild hat mich gleich ein kleines Insekt ins Augenlid gestochen; solche Vergleiche werden bestraft. Möglicherweise war dieses kleine Wesen mit der Sonne verbündet, und weil es sich hinter meinem Brillenglas versteckt hatte, konnte ich es beim Schreiben nicht wegwischen. Bei einem solchen Vergleich sagt eben die Sonne „Halt!“

Es ist vollkommen still hier, bis auf das Rauschen der Bäche, das sich in die Stille fügt. Nichts regt sich, nur hin und wieder ein Lufthauch. Die Wolken verdecken mir abwechselnd die Sternbilder, nur den großen Wagen lassen sie frei.

Jetzt ist ein großer Käfer auf mein Heft gelandet. Sicher vom Licht der Taschenlampe angezogen. Mit Herkules komme ich nicht zu Rande, ich weiß zwar ungefähr, wo er ist, aber merke mir nicht und nicht seine Gestalt.




©Peter Alois Rumpf Juli 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

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