146 Feuerstelle
Ich bin die ganze Zeit beim Feuer
gewesen. Beim Feuer im Freien. Jetzt stinke ich nach Rauch und schaue
in die übriggebliebene Glut. Die Glut wirkt lebendig, sie dehnt sich
aus und zieht sich wieder zusammen, wird heller und wieder dünkler;
es gehen auch immer wieder wellenartige Bewegungen durch die
Glutnester im heruntergebrannten Feuer. Feuer und Glut – das liebe
ich schon seit langem. Daran kann ich mich nicht so schnell satt
sehen.
Eine Kuh brüllt kurz und laut in die
Abenddämmerung. Wolken ziehen über einen schon milchigen Himmel. Es
schaut nicht so aus, als würde ich heute Sterne sehen.
Ein kurzer, sanfter Windhauch hat es
geschafft, irgendetwas da in der Glut kurz aufflammen zu lassen. Der
nähere Bach rauscht ganz laut und sozusagen an mehreren Stellen.
Weiter oben klingt dieses Rauschen tiefer und dunkler, hier in der
Nähe höher und heller. Immer wieder fliegen kleine Funken über den
Steinkreis der Feuerstelle hinaus. Ich habe mich wärmer angezogen,
aber kalt ist es nicht. Ich werfe ein kleines Stück Brot, einen
übriggebliebenen Rest, ins Feuer, um es irgendwelchen unbekannten
Göttern zu opfern. Der Rauch ist nicht zum Himmel aufgestiegen,
sondern zum Wald hinübergekrochen. Vielleicht wohnen diese
unbekannten Götter auch dort. Vielleicht sind es auch keine Götter,
sondern Waldgeister, die meine bescheidene Gabe annehmen. Mir
soll es recht sein.
Am heißen Nachmittag bin ich viermal
im Bach untergetaucht und habe eine ganze, fröhliche Meute
mitgelockt in das eiskalte Wasser. Jetzt höre ich ihre lustigen
Schreie von der Nachbarhütte, wo sie spielen, die jüngeren und die
Teenager. Sie sind glücklich hier auf der Alm.
Es ist schon ziemlich dunkel, aber noch
nicht Nacht. Stern sehe ich keinen durch eine der Wolkenlücken
blitzen. Venus und Jupiter müßten schon zu sehen sein. Arktur
vermeine ich jetzt dort ganz schwach leuchten zu sehen, und hinten
vermute ich Wega. Vielleicht täuschen mich aber die Wolken.
Der Wald dort im Dunkeln vexiert
zwischen unheimlich und heimelig, ständig hin und her. Ich könnte
mich darin geborgen fühlen oder auch fürchten. Momentan bin ich
froh, die Hütte im Rücken zu haben. Bevor ich hineingehe, werde ich
die Glut löschen müssen.
Die Glutnester sind schwächer
geworden, aber immer noch kann ein Windhauch sie aufblühen lassen.
Meine Brille ist wie ein Heuschreck davongehüpft, nachdem mir ein
übermütiges Wesen über den Kopf gefahren ist. Das klingt
mysteriös, war aber ein ganz irdischer Vorgang.
Immer wieder halte ich Ausschau nach
irgendeinem Stern. Es macht aber gar nichts, wenn ich keinen
entdecke. Ich meine da drüben im Dunkeln eine Gestalt zu spüren;
gerade fliegt ein Glühwürmchen vorbei. Ich will jetzt die Glut
löschen, bringe es aber nicht übers Herz; es geht immer noch Wärme
von ihr aus.
Jetzt habe ich die Glut gelöscht; das
Zischen des Wasserdampfes war laut und störend, aber plötzlich war
der halbe Himmel wolkenfrei und ich konnte den ganzen großen Wagen
sehen. Und Wega mit ihrer Leier und die zwei hellsten Sterne vom
Adler. Jetzt, wo ich das aufschreibe, ist auch Arktur frei und ein
paar seiner Begleiter sind es auch.
Einige Wolken zeigen schon das Glitzern
des Mondlichts, aber der Mond selber ist noch nicht aufgegangen. Eine
nächtliche „Morgenröte“ in Silber. Für dieses schiefe Bild hat
mich gleich ein kleines Insekt ins Augenlid gestochen; solche
Vergleiche werden bestraft. Möglicherweise war dieses kleine Wesen
mit der Sonne verbündet, und weil es sich hinter meinem Brillenglas
versteckt hatte, konnte ich es beim Schreiben nicht wegwischen. Bei
einem solchen Vergleich sagt eben die Sonne „Halt!“
Es ist vollkommen still hier, bis auf
das Rauschen der Bäche, das sich in die Stille fügt. Nichts regt
sich, nur hin und wieder ein Lufthauch. Die Wolken verdecken mir
abwechselnd die Sternbilder, nur den großen Wagen lassen sie frei.
Jetzt ist ein großer Käfer auf mein
Heft gelandet. Sicher vom Licht der Taschenlampe angezogen. Mit
Herkules komme ich nicht zu Rande, ich weiß zwar ungefähr, wo er
ist, aber merke mir nicht und nicht seine Gestalt.
©Peter
Alois Rumpf Juli 2015 peteraloisrumpf@gmail.com
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