Donnerstag, 25. Juni 2015

142 „Dem Himmel bin ich auserkoren“*


(*Romantitel von Thornton Wilder)
Heute habe ich einen Botendienst ausspucken gesehen. Er schien etwas mit den Zähnen zu haben. Er hat sich über den Rückspiegel seines Motorrollers gebeugt und seine Zähne untersucht.

Vorher, beim großen, schlanken Mann, war ich weit zurück. Ganz am Anfang, wo ich noch viel gespien habe und „ja“ gesagt habe, als mich die Frau fragte, ob ihre Buben in die Badewanne gebrunzt haben.

N.N. will die Welt mit Gewalt retten. Seine Welt. Zuerst legt er einen Bombenteppich über viele Kontinente und zerstört alles, dann läßt er alles wieder wachsen. Auch die Sahara wird wieder ein riesiger Urwald mit Flüssen und großen, weiten Seen.
Dabei verteidigt er sich nur, er will Raum haben, genug Raum, wo ihn niemand bedrängen kann. Nur wenige streifen dann dort herum, und wenn sie sich per Zufall begegnen, freuen sie sich.
N.N. wird Nachkommen haben, so zahlreich wie der Sand am Meer.

Dann will er alleine durchs Universum ziehen. Er schwebt – wenn er will – über dem Boden und – wenn er will – auch ganz schnell. Seine Reise ist atemberaubend. Denn er schaut unendliche Landschaften in unendlichen Weiten. Sphärenmusik begleitet ihn, die Schwingungen aus dem All. Die Farben sind so prächtig und alle Wunden prangen. Alle Wunden der Welt prangen.

Jetzt kommt die Lebensmittellogistik daher und spielt mit dem Chello. Die Gläser, Tassen und Heferl scheppern. „Es ist vorbei!“, sagt der Chef. Aber nichts ändert sich. Alles geht weiter und fließt. Der letzte Schluck des schon kühlen Kaffees schmeckt mir köstlich.

Der rote Faden liegt achtlos herum und verschlungen. Ein unbeholfener, höflicher Mann wankt beinahe herein. Beinahe wankt er und kommt ganz herein, nimmt eine Zeitung und beansprucht nicht viel Platz, aber eng bei einem anderen. Die Sonne kommt durch und es wird heller. Eine kleine Fliege probiert den Kaffee. Ist koffeinfrei okey?

Leute begrüßen sich, eine Tochter hat Geburtstag. Wir sind schon im Krebs. Die Tage werden wieder kürzer.

Draußen, auf der anderen Straßenseite, geht eine junge Frau vorbei und ißt. Sie beißt im Gehen ein Stück vom Sandwich ab und wirkt dabei damenhaft.

Jetzt erst bemerke ich die Wellenbewegungen der Gehenden. Die Köpfe senken und heben sich in einer Welle, bei manchen stark, als würden sie, wie Sportschwimmer beim Luftholen, ihre Köpfe nach oben stoßen um dann wieder runter zu sinken. Bei anderen schwächer, bei manchen fast unmerklich. Ob diese Kurven etwas aussagen?

Die Lebensmittellogistik hat die Richtung gewechselt und fährt in die andere Richtung davon. Die Karriere kommt angefahren. Gerade noch paßt sie in die Garage ohne an die Decke zu stoßen. Kaum noch Luft nach oben.
Eine blaße Frau geht vorbei, blaß und verschleiert.

Ich ahne es wieder, hinter den Fassaden und Masken und gestylten Gestalten sind Tiefen, stark und verletzlich, verletzlich und stark.

Nur im Spiegel gehen Leute vorbei.

Jetzt schiebt sich die Karriere hervor aus der niederen Garage, sie hat kaum Platz, kommt kaum um die Kurve, bleibt bei laufendem Motor stehen und stinkt nach Benzin. Aber sie hat jetzt viel Luft nach oben.

Ein Thermoking parkt ein. Was kann man sich darunter vorstellen? Eine männliche Sonne? Ein Sonn?

Eine leichte Brise schaukelt die Eisfähnchen. Leute starren mich an. Ein Mann dreht sich etwas mühsam um, er wirkt aber souverän. Kinder hängen sich an ihre Mutter. Eine junge Frau kaut intensiv Kaugummi während sie telephoniert. Sie hält das Handy links. Ihre rechte Hand steckt in der Hosentasche ihrer Jean. Mutter und Sohn gehen feierlich vorbei und biegen ab ins Eisgeschäft. Eine Schulklasse mit zwei Begleitpersonen geht vorbei. Mit Eis wirken Mutter und Sohn weniger feierlich, aber entspannter.

Ein Mann fährt im Rollstuhl vorüber. Meine jungen Freunde winken mit ihren Ästen. Eine braungebrannte, hart wirkende Frau schaut mich kurz an. Vieles passiert, wofür ich keine Worte finde. Ich brauche zu lang, dann ist es schon vorbei. Es fängt an zu tröpfeln. Die Wassertropfen lösen kleine Stellen meiner Schrift auf. Bald muß ich einen anderen Platz suchen.

Ein alter, weißhaariger, vorgebeugter Mann geht in ein Geschäft; auch er macht einen souveränen Eindruck. Eine Frau mit hochgezogenen Schultern zieht ihre verschlossene Bahn. Es regnet und ich verlasse den Ort.

Orion in kurzen Ärmeln hat Neugier, eine gewisse Abscheu, Verunsicherung?, Verlegenheit, vielleicht auch Begeisterung? und gar nichts ausgelöst. Was? Du willst es in klaren Worten haben? Gut! „Dem Himmel bin ich auserkoren!“

Ich möchte ins Leben hinein aufstehen.











©Peter Alois Rumpf Juni 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

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