142 „Dem Himmel bin ich auserkoren“*
(*Romantitel von Thornton Wilder)
Heute habe ich einen Botendienst
ausspucken gesehen. Er schien etwas mit den Zähnen zu haben. Er hat
sich über den Rückspiegel seines Motorrollers gebeugt und seine
Zähne untersucht.
Vorher, beim großen, schlanken Mann,
war ich weit zurück. Ganz am Anfang, wo ich noch viel gespien habe
und „ja“ gesagt habe, als mich die Frau fragte, ob ihre Buben in
die Badewanne gebrunzt haben.
N.N. will die Welt mit Gewalt retten.
Seine Welt. Zuerst legt er einen Bombenteppich über viele Kontinente
und zerstört alles, dann läßt er alles wieder wachsen. Auch die
Sahara wird wieder ein riesiger Urwald mit Flüssen und großen,
weiten Seen.
Dabei verteidigt er sich nur, er will
Raum haben, genug Raum, wo ihn niemand bedrängen kann. Nur wenige
streifen dann dort herum, und wenn sie sich per Zufall begegnen,
freuen sie sich.
N.N. wird Nachkommen haben, so
zahlreich wie der Sand am Meer.
Dann will er alleine durchs Universum
ziehen. Er schwebt – wenn er will – über dem Boden und – wenn
er will – auch ganz schnell. Seine Reise ist atemberaubend. Denn er
schaut unendliche Landschaften in unendlichen Weiten. Sphärenmusik
begleitet ihn, die Schwingungen aus dem All. Die Farben sind so
prächtig und alle Wunden prangen. Alle Wunden der Welt prangen.
Jetzt kommt die Lebensmittellogistik
daher und spielt mit dem Chello. Die Gläser, Tassen und Heferl
scheppern. „Es ist vorbei!“, sagt der Chef. Aber nichts ändert
sich. Alles geht weiter und fließt. Der letzte Schluck des schon
kühlen Kaffees schmeckt mir köstlich.
Der rote Faden liegt achtlos herum und
verschlungen. Ein unbeholfener, höflicher Mann wankt beinahe herein.
Beinahe wankt er und kommt ganz herein, nimmt eine Zeitung und
beansprucht nicht viel Platz, aber eng bei einem anderen. Die Sonne
kommt durch und es wird heller. Eine kleine Fliege probiert den
Kaffee. Ist koffeinfrei okey?
Leute begrüßen sich, eine Tochter hat
Geburtstag. Wir sind schon im Krebs. Die Tage werden wieder kürzer.
Draußen, auf der anderen Straßenseite,
geht eine junge Frau vorbei und ißt. Sie beißt im Gehen ein Stück
vom Sandwich ab und wirkt dabei damenhaft.
Jetzt erst bemerke ich die
Wellenbewegungen der Gehenden. Die Köpfe senken und heben sich in
einer Welle, bei manchen stark, als würden sie, wie Sportschwimmer
beim Luftholen, ihre Köpfe nach oben stoßen um dann wieder runter
zu sinken. Bei anderen schwächer, bei manchen fast unmerklich. Ob
diese Kurven etwas aussagen?
Die Lebensmittellogistik hat die
Richtung gewechselt und fährt in die andere Richtung davon. Die
Karriere kommt angefahren. Gerade noch paßt sie in die Garage ohne
an die Decke zu stoßen. Kaum noch Luft nach oben.
Eine blaße Frau geht vorbei, blaß und
verschleiert.
Ich ahne es wieder, hinter den Fassaden
und Masken und gestylten Gestalten sind Tiefen, stark und
verletzlich, verletzlich und stark.
Nur im Spiegel gehen Leute vorbei.
Jetzt schiebt sich die Karriere hervor
aus der niederen Garage, sie hat kaum Platz, kommt kaum um die Kurve,
bleibt bei laufendem Motor stehen und stinkt nach Benzin. Aber sie
hat jetzt viel Luft nach oben.
Ein Thermoking parkt ein. Was kann man
sich darunter vorstellen? Eine männliche Sonne? Ein Sonn?
Eine leichte Brise schaukelt die
Eisfähnchen. Leute starren mich an. Ein Mann dreht sich etwas mühsam
um, er wirkt aber souverän. Kinder hängen sich an ihre Mutter. Eine
junge Frau kaut intensiv Kaugummi während sie telephoniert. Sie hält
das Handy links. Ihre rechte Hand steckt in der Hosentasche ihrer
Jean. Mutter und Sohn gehen feierlich vorbei und biegen ab ins
Eisgeschäft. Eine Schulklasse mit zwei Begleitpersonen geht vorbei.
Mit Eis wirken Mutter und Sohn weniger feierlich, aber entspannter.
Ein Mann fährt im Rollstuhl vorüber.
Meine jungen Freunde winken mit ihren Ästen. Eine braungebrannte,
hart wirkende Frau schaut mich kurz an. Vieles passiert, wofür ich
keine Worte finde. Ich brauche zu lang, dann ist es schon vorbei. Es
fängt an zu tröpfeln. Die Wassertropfen lösen kleine Stellen
meiner Schrift auf. Bald muß ich einen anderen Platz suchen.
Ein alter, weißhaariger, vorgebeugter
Mann geht in ein Geschäft; auch er macht einen souveränen Eindruck.
Eine Frau mit hochgezogenen Schultern zieht ihre verschlossene Bahn.
Es regnet und ich verlasse den Ort.
Orion in kurzen Ärmeln hat Neugier,
eine gewisse Abscheu, Verunsicherung?, Verlegenheit, vielleicht auch
Begeisterung? und gar nichts ausgelöst. Was? Du willst es in klaren
Worten haben? Gut! „Dem Himmel bin ich auserkoren!“
Ich möchte ins Leben hinein aufstehen.
©Peter
Alois Rumpf Juni 2015 peteraloisrumpf@gmail.com
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