136 Der unrasierte Buddha
Angeblich wird gerade die Zwerggalaxie,
zu der unser Sonnensystem gehört, von der Milchstraße verschlungen.
Zuerst war ich in einem schwarzen Loch. Jetzt sitze ich im Schatten
und schaue den Sonnenflecken zu. Den Sonnenlichtflecken. Sie stehen
und liegen ziemlich still, nur vorbeifahrende Autos können sie
aufscheuchen.
Der lockere Mann wirkt ganz schüchtern.
Aber so, daß es ihn nicht stört. Er gestikuliert sehr mitfühlend.
Hier, in diesem Bezirk, sind solche Männer erlaubt.
Drei Dreizehn-A fahren hintereinander
vorbei. Unzählige kleine Insekten reflektieren das Sonnenlicht und
bringen es in Bewegung. Unzähligere Staubpartikel tun es ihnen
gleich.
Ein junger Mann streckt sich genüßlich.
Drei Motorräder neigen ihre Lenker nach links, als wären sie im
Stehen eingeschlafen oder gestorben.
Ein fester Mann mit Bodybildung stapft
tapfer, seinen kahlrasierten Schädel in aufwendigen Kraftbewegungen
vorwärtsschiebend, vorüber. Eine dünne Frau kommt auf der Suche
vorbei. Der Schweiß macht das Papier auf meinen Unterarm kleben. Es
ist nämlich heiß. Mir nicht. Ich bin ganz normal. Es gibt
Irritation im Haus wegen eines sauren Brötchens.
Vier Leute nähern sich getrennt, drei
bilden eine kurze Schlange, dann sind sie wieder weg.
Die Befähigung hängt an der Wand. Ein
grünes Auto läßt das Spiegelbild der Sonne über sich laufen während es fährt. Die
Glaserei wartet im Hintergrund des Schattens. Vergitterte Fenster
wirken hier eigenartig. Aber sie sind logisch.
Im Stiegenaufgang hängen Photos von
Zweig und Werfel. Ich bekomme Wasser. Viele Leute eilen vorbei, zu
schnell, als daß sie etwas auslösen. Das Unausgelöste wartet
weiter.
Ein Lastwagen schiebt verkehrt zurück.
(Wie ginge nicht verkehrt zurückschieben?) Was „Taurin“ ist,
will ich noch nachschauen. „Soll ich das Experiment ausdrucken?“,
fragt eine Frau. Jetzt reden sie über Picasso. Ich gehe lieber. Daß
ich beim Gehen schwitzen werde, ist kein Grund zur Panik.
Ich sitze vor der Platane, aber schaue
nach Westen. Vor mir der herrliche Baum, nicht links von mir, wie
sonst, wenn ich nach Süden schaue. Dafür bin ich weiter weg.
Eine Wolke gibt Schatten. Ein Mann
schaut auf die Uhr. Hier ist der Verkehrslärm sehr laut, und
außerdem arbeiten Preßlufthämmer.
Junge Frauen betrachten sich in den
Auslagen. Alte Leute schleppen sich vorbei. Und alle dazwischen so,
wie sie können.
Ein Mann deklariert seinen großen
Bauch als „big wave“. Jetzt sitzt er neben mir und faltet seine
Hände über den Bauch, wie ein unruhigerer Buddha, denn er bewegt
nervös seine Daumen. Der Wind schiebt Verpackungsmaterial vorbei.
Jetzt setzt sich der weibergaffende Buddha auf eine andere Bank.
Illuminiert ist er vielleicht, erleuchtet noch nicht. Soweit ich das
wissen kann. Kann ich das wissen? Nein! Doch, ja!
Er schürzt die Lippen, und bewegt
seinen Mund. Einen weibergaffenden Mann anzuschauen ist kein
erhebender Anblick. Jetzt hat er sich von der Bank erhoben und geht
zu den Waschmaschinen. Ich darf diesen Blick nicht vergessen! Auch
nicht den Ausdruck in seinem Gesicht. Er setzt sich wieder hin.
Das Siegerteam steht eine Minute in der
Haltestelle. Wir drei auf den Bänken, wir sind es momentan nicht.
Die Frau, die rechts neben mir schreibt, wirkt etwas obdachlos. Der
unrasierte Buddha wuzelt sich eine Zigarette mit Kennerblick.
Hunde, die bellen, beißen nicht. Aber
urinieren auf den Elektrokasten.
Eine Taube schnappt sich die zu Boden
gefallene Spitze eines Eisstanitzels und läßt sie gleich wieder
fallen, als wäre sie vor deren Größe erschrocken. Eine zweite
Taube macht das genau so. Die Dritte – dasselbe. Erst zupfen sie,
dann laufen sie davon.
Eine Frau wiegt ihre Hüften, während
sie Waschmaschinen und Kühlschränke begutachtet. Den Blick nicht
vergessen! Und auch nicht den Ausdruck im Gesicht! Gut. Soll er an
mir sein Verhalten studieren.
©Peter
Alois Rumpf Juni 2015 peteraloisrumpf@gmail.com
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