Mittwoch, 15. Juli 2015

143 Krähen und anderes Gerede


Die Krähen regen sich wahnsinnig auf. Sie schreien und schreien und schreien. Ich sitze neben dem kleinen Wasser, vermutlich ein künstliches Bacherl, das langsam vorbeifließt. Mein Gott, diese Krähen, sie hören nicht auf! Ich mag Krähen, ich bewundere sie. Ist es ein Streit, eine Konferenz, eine Protestversammlung? Einige der grünen Gitter sind geöffnet. Nebenan reden sie Italienisch. Aber auch Österreichisch. Die Krähen krähen laut. Jetzt fliegen viele Tauben davon und die Krähen werden ruhiger. War das ihr Manöver? Die Tauben vertreiben? Jetzt werden die Krähen wieder laut. Sie schreien und schreien und schreien. Eine Nebelkrähe ist ganz nah vorbeigeflogen. Sie sitzen in den Bäumen, rechts eine Ahorn, links ein riesiger Lindenbaum. Jetzt lärmen Polizei oder Rettung. Eher die Rettung, glaube ich. Jetzt sind wieder die Krähen und ein Handy dran. Ich genieße es, hier im Cafe zu sitzen, im volkseigenen Garten.

Angenehm und kühl plätschert das Bächlein. Die Italienisch reden, reden auch Österreichisch. - Oh, plötzlich kommt ein Gutschein daher; im Wert von 149,99 Euro; aber auf einer ganz anderen Rille der Realität. Das hat nichts mit dem Garten zu tun. Ende der Zwischenbemerkung. - Die Leute, die da herumgehen, sollten Touristen sein. Ich könnte auch als ein solcher durchgehen, so, wie ich gekleidet bin und herumsitze und herumschaue.

Eine Frau tippt entspannt-konzentriert in ihr Handy. Die Frau hat ein eigenes Gesicht und schöne Beine.

Gerade wurde die Musikanlage eingeschaltet. Die Musik ist dezent, die Männer sind meist kurzgeschoren. Eine angenehme Brise streicht über die Szene. Drüben, hoch oben, wehen die Fahnen von Österreich und die der EU.
Im Teich schwimmen Enten, am Himmel Kondensstreifen, die ihn eintrüben. Ansonsten ein schöner Sommertag. Eine Glocke läutet, noch eine – ich vermute von der geringeren Kirche. Der Erpel steht neben dem Wasser und wackelt mit seinem Schwanz. Hinter dem, wo kein Zutritt ist, findet eine männliche Besprechung statt. Ich tippe auf Ausbau oder Umbauplanung.

Die beiden Fahnen wechseln sich ab: einmal hängt die österreichische schlaff und die der EU weht stolz, und dann ist es umgekehrt. Jetzt aber flattern beide Fahnen majestätisch im Wind.

Die gehobene Partie nebenan verabschiedet sich, nach dem, was sie erzählen, waren sie in aller Herren und Frauen Länder. Eine Frau zieht ihren Pullover aus, eine andere scheppert mit einer russischen Rassel. Jetzt gibt es wieder Begrüßungen und geredet wird vom privaten Garten.

In einem Fenster der Burg steht eine Frau in roter Bluse und telefoniert; ich sehe sie nur von der Ferne. Mein Gott, jetzt reden sie nebenan vom steirischen Ennstal! Die Krähen haben die ganze Zeit weitergeschrien. Die Musik aus den Lautsprechern ist immer noch leise, aber nicht mehr dezent. Mir sind die normalen Menschen so fremd. Die nicht normalen eigentlich auch. Vielleicht gibt es nicht viel zu verstehen. Eine Baustelle ist auch in der Nähe und fängt jetzt mit ihrer Beschallung an. Ich tippe auf Bohren und Schleifen.

Die Schatten der Bäume sind angenehm. Die Frau am Brunnen gießt Wasser aus einem Krug. Eine Lindenbaumfrucht liegt plötzlich auf meinem Tisch; ich habe sie nicht kommen gesehen.

Ich sitze woanders. Ich höre die Turmuhr von Maria-am-Gestade schlagen, den Brunnen plätschern und schaue auf die schönen, alten Häuser der Neuzeit. Noch ist Polen nicht verloren. Unter drei Lindenbäumen. Beim Brunnen retten die Fischer einen der ihren, die Fische lassen vermutlich gelangweilt oder einfach nur stumm das Wasser aus ihren Mäulern rinnen. Ein dünner Wasserstrahl. An einem der Fenster oben scheint ein Lautsprecher montiert zu sein; das Kabel verläuft durchs Fenster nach Innen. Ein kleines Geschäftslokal steht leer. Was könnte man an so einem schönen Platz verkaufen? Geschichten? „Insomnia“ steht auf der Brunnenmauer. Mein Gott, das Nicht-Gelebte kommt so unbarmherzig daher. „Es geht schon!“ sagt der anzügliche Mann ins Handy. Ich werde gleich die Stufen hinaufsteigen.

Jetzt sitze ich in der Kirche in der letzten Bank. Es ist ganz still. Links von mir ein Heiliger, der etwas gestresst, desorientiert und verhuscht wirkt. Das kann auch am Maler liegen. Der andere Heilige stößt dem am Boden liegenden Teufel den Stab mit dem Kreuz in den Rücken und schaut dabei ziemlich irre drein. Ob aus Angst oder wegen dem Maler, das weiß ich nicht. Jedenfalls denke ich an meine Kreuzschmerzen.

Das Kreuz mit dem Strahlenkranz vorne am Altar schaut auf mich, beruhigend und friedlich. Endlich ist es vollbracht. Gebe ich zu schnell nach? Bin ich in der Komfortzone?
Eine ziemlich lange Strecke von hinten nach vorne. Ich gehe nochmals nach vorn.





©Peter Alois Rumpf Juni 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

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