143 Krähen und anderes Gerede
Die Krähen regen sich wahnsinnig auf.
Sie schreien und schreien und schreien. Ich sitze neben dem kleinen
Wasser, vermutlich ein künstliches Bacherl, das langsam
vorbeifließt. Mein Gott, diese Krähen, sie hören nicht auf! Ich
mag Krähen, ich bewundere sie. Ist es ein Streit, eine
Konferenz, eine Protestversammlung? Einige der grünen Gitter sind
geöffnet. Nebenan reden sie Italienisch. Aber auch Österreichisch.
Die Krähen krähen laut. Jetzt fliegen viele Tauben davon und die
Krähen werden ruhiger. War das ihr Manöver? Die Tauben vertreiben?
Jetzt werden die Krähen wieder laut. Sie schreien und schreien und
schreien. Eine Nebelkrähe ist ganz nah vorbeigeflogen. Sie sitzen in
den Bäumen, rechts eine Ahorn, links ein riesiger Lindenbaum. Jetzt
lärmen Polizei oder Rettung. Eher die Rettung, glaube ich. Jetzt
sind wieder die Krähen und ein Handy dran. Ich genieße es, hier im
Cafe zu sitzen, im volkseigenen Garten.
Angenehm und kühl plätschert das
Bächlein. Die Italienisch reden, reden auch Österreichisch. - Oh,
plötzlich kommt ein Gutschein daher; im Wert von 149,99 Euro; aber
auf einer ganz anderen Rille der Realität. Das hat nichts mit dem
Garten zu tun. Ende der Zwischenbemerkung. - Die Leute, die da
herumgehen, sollten Touristen sein. Ich könnte auch als ein solcher
durchgehen, so, wie ich gekleidet bin und herumsitze und herumschaue.
Eine Frau tippt entspannt-konzentriert
in ihr Handy. Die Frau hat ein eigenes Gesicht und schöne Beine.
Gerade wurde die Musikanlage
eingeschaltet. Die Musik ist dezent, die Männer sind meist
kurzgeschoren. Eine angenehme Brise streicht über die Szene. Drüben,
hoch oben, wehen die Fahnen von Österreich und die der EU.
Im Teich schwimmen Enten, am Himmel
Kondensstreifen, die ihn eintrüben. Ansonsten ein schöner
Sommertag. Eine Glocke läutet, noch eine – ich vermute von der
geringeren Kirche. Der Erpel steht neben dem Wasser und wackelt mit
seinem Schwanz. Hinter dem, wo kein Zutritt ist, findet eine
männliche Besprechung statt. Ich tippe auf Ausbau oder
Umbauplanung.
Die beiden Fahnen wechseln sich ab:
einmal hängt die österreichische schlaff und die der EU weht stolz,
und dann ist es umgekehrt. Jetzt aber flattern beide Fahnen majestätisch
im Wind.
Die gehobene Partie nebenan
verabschiedet sich, nach dem, was sie erzählen, waren sie in aller
Herren und Frauen Länder. Eine Frau zieht ihren Pullover aus, eine
andere scheppert mit einer russischen Rassel. Jetzt gibt es wieder
Begrüßungen und geredet wird vom privaten Garten.
In einem Fenster der Burg steht eine
Frau in roter Bluse und telefoniert; ich sehe sie nur von der Ferne.
Mein Gott, jetzt reden sie nebenan vom steirischen Ennstal! Die
Krähen haben die ganze Zeit weitergeschrien. Die Musik aus den
Lautsprechern ist immer noch leise, aber nicht mehr dezent. Mir sind
die normalen Menschen so fremd. Die nicht normalen eigentlich auch.
Vielleicht gibt es nicht viel zu verstehen. Eine Baustelle ist auch
in der Nähe und fängt jetzt mit ihrer Beschallung an. Ich tippe auf
Bohren und Schleifen.
Die Schatten der Bäume sind angenehm.
Die Frau am Brunnen gießt Wasser aus einem Krug. Eine
Lindenbaumfrucht liegt plötzlich auf meinem Tisch; ich habe sie
nicht kommen gesehen.
Ich sitze woanders. Ich höre die
Turmuhr von Maria-am-Gestade schlagen, den Brunnen plätschern und
schaue auf die schönen, alten Häuser der Neuzeit. Noch ist Polen
nicht verloren. Unter drei Lindenbäumen. Beim Brunnen retten die
Fischer einen der ihren, die Fische lassen vermutlich gelangweilt
oder einfach nur stumm das Wasser aus ihren Mäulern rinnen. Ein
dünner Wasserstrahl. An einem der Fenster oben scheint ein
Lautsprecher montiert zu sein; das Kabel verläuft durchs Fenster
nach Innen. Ein kleines Geschäftslokal steht leer. Was könnte man
an so einem schönen Platz verkaufen? Geschichten? „Insomnia“
steht auf der Brunnenmauer. Mein Gott, das Nicht-Gelebte kommt so
unbarmherzig daher. „Es geht schon!“ sagt der anzügliche Mann
ins Handy. Ich werde gleich die Stufen hinaufsteigen.
Jetzt sitze ich in der Kirche in der
letzten Bank. Es ist ganz still. Links von mir ein Heiliger, der
etwas gestresst, desorientiert und verhuscht wirkt. Das kann auch am
Maler liegen. Der andere Heilige stößt dem am Boden liegenden
Teufel den Stab mit dem Kreuz in den Rücken und schaut dabei
ziemlich irre drein. Ob aus Angst oder wegen dem Maler, das weiß ich
nicht. Jedenfalls denke ich an meine Kreuzschmerzen.
Das Kreuz mit dem Strahlenkranz vorne
am Altar schaut auf mich, beruhigend und friedlich. Endlich ist es
vollbracht. Gebe ich zu schnell nach? Bin ich in der Komfortzone?
Eine ziemlich lange Strecke von hinten
nach vorne. Ich gehe nochmals nach vorn.
©Peter
Alois Rumpf Juni 2015 peteraloisrumpf@gmail.com
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