116 DJ
Der DJ läßt
eine Coverversion von Creams Sunshine of Your Love spielen. Camillo
Zorres ist verärgert. Dreimal ansetzen, daß ein bißerl ein Leben
rauskommt: „lo...“ aus .. „lo...“ aus .. „looove“; von
einer angestrengten, verengten Frauenstimme ohne tiefere Schwingungen
… Kaum Leben in den unteren Schichten.
Camillo Zorres!
Das ist gemein! Auch wenn man verärgert ist läßt man sich nicht so
gehen und urteilt nicht so apodiktisch! Woher willst du das so genau
wissen?
Camillo Zorres
ärgert sich schon den ganzen Tag, weil er nicht nach Hause kann. Er
ist vom Job müde und muß morgen früh aufstehen. Aber jetzt muß er
warten. Er tut es für einen guten Zweck. Er hat es zugesagt.
Camillo Zorres,
das haben wir schon gern – in schlechter Laune für einen guten
Zweck unterwegs sein!
Außerdem ist
die Musik im Raum eine Spur zu laut. Die Ohren dröhnen und surren
noch von der Arbeit.
Ah! jetzt kommt
eine Coverversion von The Letter von den Box Tops. Mit Frauenstimme.
Das ist jetzt viel besser!
Jetzt wird ihm
langsam behaglich, hier, im eingezäunten Bereich der Lounge, im
Warteraum des Lebens.
Aber er spürt
seinen Magen. Drücken. Leichte Schmerzen.
Ein Raucher geht
in den Garten, zwei Raucher kommen vom Garten herein.
Jetzt kommen
lauter Fünfzigerjahreschlager und Rock n Roll-Hits. Das mag Camillo
Zorres gar nicht. Er bringt aber gar keinen rechten Ärger mehr
zustande. Der Magen drückt, die Musik nervt, seine Frau liest Krimi.
Er hat vorher mit ihr nicht richtig geredet. Ihm ist nichts
eingefallen. Wenn ihm etwas eingefallen ist, hat er es innerlich
verworfen als zu wenig interessant.
Er hat sich im
Job ausgeredet und seine Ohren sind heute schon voll. Sie sind zu
müde, die eintreffenden Töne einzuordnen. Sein Hören verschwimmt,
wie der Blick verschwimmen kann. Das läßt ihn sich fremd in der
Welt fühlen.
Jetzt kommt ein
Hit der Stones, Under My Thumb. Gleich geht es ihm besser.
Ausgerechnet bei den Stones, denen er jede Nostalgie verweigert und
die er sich nie anhört. Eine – vom DJ? - verfremdete Version? Sie
klingt etwas eigenartig und eine Spur zu schnell.
Eine ganze
Gruppe Raucher vom Nebentisch geht in den Garten, einer mit Pfeife.
Manchmal haben sie mich Schreibenden ein wenig gemustert, aber nicht
unfreundlich. In der Musik mag ich die Fünfzigerjahre einfach nicht.
Jetzt kommt
etwas Unbekanntes, Neues, Angenehmes. Etwas Jazziges. Ich versinke
... – Nein! bleiben wir bei Camillo Zorres! Auch wenn der Ärger
schon ziemlich verraucht ist.
Also: Camillo
Zorres versinkt in seine Fremdheit. Das Fremdsein kommt ihm so
vertraut vor. Ein Deja Vu aus abertausenden Fremdheiten, die ihm –
ineinandergestapelt zur Gestalt - beinah zur Heimat geworden sind.
Au weh! Wieder
die Fünfzigerjahre. Für Zorres eine audiometrische Hochschaubahn am
Rande des Praters. Alle Versionen der Hits wirken überzeichnet.
Im geräumigen
Klo wirft eine einfache Notlichtlampe eine wunderschöne
Lichtzeichnung an die Wand, unabsichtlich und seitlich. Wie eine
reine, leuchtende Skizze des Flurs, der in paradiesische Wohnungen
führt.
Die ungeliebte
Musik drückt weiter auf den Magen. Mit der Verdauung stimmt etwas
nicht. Jetzt kündigt sich schöne Musik an. Wird es dabei bleiben?
Die Stimme der Sängerin ist … zu manieriert? Der Chor … zu
schnell? Als wollten sie es eilig hinter sich bringen. Als müßten
sie schnell fertig werden? Arbeitsdruck und Leistungsstress zu hoch?
Schade. Es hat schön angefangen.
„Schade“,
denkt sich Camillo Zorres. „Gehen wir. Wir sollten gehen. Meine
Frau ist noch müder als ich.“
Wie dicklich
überschminkte Damen im Kopfweh ihre leicht verächtlich
ausgreifenden Blicke abwehrend abschicken, so haben im Garten die
Magnolien ihre schönen, dicken Blütenblätter achtlos ins Gras
geworfen. Tut mir leid, liebe Gartenfreunde – bei Magnolien muß
ich immer an die Prusseliese aus Pippi Langstrumpf denken.
©Peter
Alois Rumpf April 2015 peteraloisrumpf@gmail.com
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