Mittwoch, 1. April 2015

107 „Der Mörder von der Denglergasse“, eine reichlich infantile Geschichte


Komuskra Dengli hatte es satt! Richtig satt! „So darf man mit mir nicht reden!“, dachte er, „so nicht!“ Und er stampfte ein bißchen vorsichtig mit dem linken Fuß auf, damit es in der Straßenbahn niemand hört. Sein Gesicht war verzerrt vor Wut und innen schrie er mit dem Aufseher in der Firma, außen zuckte er mit seinem Gesicht. Manche Leute in der Straßenbahn beobachteten ihn verstohlen. Andere schauten weg. Als er merkte, was passiert war, tat er so, als würde sein linker Schuh schlecht sitzen und er hob wieder den linken Fuß und stampfte nochmals leise auf, als würde er irgendetwas beim Schuh zurecht rücken wollen. Dann bückte er sich, machte die Schuhbänder auf, richtete den Socken, als wäre er verrutscht gewesen und hätte Falten gemacht und band die Schuhbänder wieder zu. “Das ist mir jetzt so halbwegs gelungen, das Ganze zu tarnen.“ Er war ziemlich weg gewesen, nur mehr ganz am Rand mit der Realität in Kontakt, die Leute in der Straßenbahn waren ganz am Rand seines Gesichtsfeldes. „Daß ich das nie gleich merke! Immer wieder kippe ich weg! Scheiße!“ Er hob die Augenbrauen und bewegte seine Hand in einer übertriebenen Geste der Resignation, um zu versuchen, seinen Grimassen vorher einen harmloseren Sinn zu unterschieben.
Der Aufseher in der Firma hatte sich über ihn lustig gemacht. Er selber hatte dazu nur gegrinst.

Gut, lassen wir ihn zucken! Wenden wir uns Camillo Zorres zu! (diese Art des Figurenwechsels habe ich mir von Daniil Charms ausgeborgt. Ein toller Schriftsteller!)

Camillo Zorres lag in seinem Bett und ärgerte sich über seine Frau. Sie hat ihm eine Arbeit aufgehalst und vor lauter schlechtem Gewissen, weil er so wenig tut, hat er nicht „nein!“ gesagt. Dabei tut er eh viel. Mehr, als er glaubt.
Er springt in seiner Kammer aus dem Bett und fuchtelt vor Wut mit den Armen herum, schneidet Grimassen und schnauft.
Gut, lassen wir den Armen fuchteln, schneiden und schnaufen bis er müde wird und sich wieder ins Bett legen kann. Die Gefahr besteht allerdings, daß er dann zwar müde ist, aber nicht schlafen kann. Sie wissen, das Herz!

An der Wand hängt ein kleines Zeitungsfoto von Johannes von Kreuz. Deswegen fällt mir jetzt Theresia von Avila ein. Die hatte vor kurzem Geburtstag!

Ein kühler Luftzug zieht durchs Fenster herein. Oder durch den Spalt unter der Tür. Draußen gibt es nämlich gerade einen Sturm.

Berger vom Lawinenschutz ist übrigens Anhänger von Sturm Graz und nicht Tiroler, sondern Steirer!

Sechs Blätter sind an die Wand genadelt, sechs Blätter - braun, trocken, staubig.

Beim Baum vor mir leuchten die Blätter.
Die Karte mit den Sternen leuchtet im Dunkeln.

Eine Karawane von durchschnittlichen Lichtgestalten zieht durch einen Tunnel. Ich selber bin durch und durch durchschnittlich! Genauso durchschnittlich wie ein größenwahnsinniger Kleinbürger.
Aber das macht nichts. „Shadows collide with people“ (John Frusciante). Meinen Schatten sehe ich jetzt nicht. „Mein Schatten kann über Wasser gehen, wenn Mond oder Sonne nur richtig stehen“ (Christine Lavant).

Statt eines Scheitels habe ich eine Glatze.
Ich atme ein, ich atme aus. Ein... und... aus. Allmählich kommen die Geräusche der Stille zum Vorschein. Ich seufze tief. Ich muß lächeln. Das Bild eines absurden Heuwagens hängt dort hinten ganz schief.

Ich spüre den Luftzug auf meiner Nase.
Da beim „Grazer Fenster“ die Außenfenster nach außen aufschlagen, also nach außen aufgehen, drückt der Wind, der gegen das Fenster bläst, die äußeren Fensterflügel zu. Wir haben hier in unserer Wohnung in Wien aber kein Grazer Fenster, unsere Außenfenster gehen nach innen auf, leichter zu putzen, aber der Wind, der gegen das Fenster bläst, drückt es auf. Und durch diesen Spalt kommt der Wind.
Soll ich wieder nach Graz ziehen?



©Peter Rumpf 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

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