99 Wie ich auf die Bücher Carlos Castanedas kam
Es war am Anfang des Jahres 1975, vor
vierzig Jahren also. Ich habe schon oft hergeschrieben, welch ein
unglücklicher, schüchterner, jungfräulicher Mann ich war. Im Kopf
schon links und rebellisch trug ich lange Haare, Bart und wenn ich
leicht angetrunken im Glockenspielkeller redete, agierte und lachte,
konnte man oder frau nach einem oberflächlichen Blick schon glauben,
einen normalen, aufgeweckten, nur mittelmäßig gestörten jungen
Mann vor sich zu haben.
Da kam eines Abends eine schöne, junge
Frau in den Glockenspielkeller und schaute sich um. Sie sprach
mehrere Leute an und plötzlich, überraschend, stand sie vor mir und
redete auch mich an.
Ich war wirklich überrascht. Die Frau
war wirklich schön. Ihre langen, dunklen, gewellten Haare; ihr
klares Gesicht; ihre schönen, ausdrucksstarken Augen; ihre
hinreißende Figur – mehr schreibe ich nicht her. Ich hätte mich
nie getraut, sie anzusprechen.
Sie redete mich an und erklärte mir,
daß sie in ein paar Tagen oder einer Woche in den Semesterferien
nach London trampen will und einen Reisepartner suche, ob ich nicht
Lust hätte, mit ihr zu fahren.
Etwas gezögert habe ich schon, beinahe
hätte ich gesagt, „das kann ich mir nicht leisten!“ - oder habe
ich es tatsächlich gesagt? Aber auf der anderen Seite: diese Chance
sich entgehen lassen? Mich interessierte die Frau, nicht London.
Obwohl ich schon Angst hatte, vor der schönen Frau und wie das wird.
Und es hätte mir schon auffallen können: ich begleitete sie ein
Stück des Weges, ein zweites Paar war auch noch dabei, und ich
umarmte sie zum Abschied. Sie ließ sich die Umarmung gefallen, aber
erwiderte sie nicht. Eigentlich eine deutliche Botschaft, aber tumb
wie ich war, konnte ich das nicht richtig deuten. Ich hatte zur Reise
„ja“ gesagt und machte mir Hoffnungen.
Also fuhren wir im Februar los. Schnell
stellte sich heraus, welch unerfahrener, ängstlicher,
introvertierter, weltfremder Mann ich war. Ich meine das jetzt einmal
auf das Reisen bezogen – beim Autostoppen geht es ja auch darum,
schlagfertig und flexibel zu sein, und die Chancen, die sich bieten,
schnell und ohne Skrupel zu ergreifen, und daß man die besten Routen
rausfindet, komische und ungute Fahrer erkennt und mit ihnen
geschickt umgehen kann, viel redet, offen, neugierig, ja, weltgewandt
ist.
Das war ich alles nicht und meine
Reisepartnerin ärgerte sich oft über mich. Weil ich eine schlechte
Route gegen ihre Bedenken durchgesetzt habe. Ich hatte nicht
mitbekommen, daß ein neuer Autobahnabschnitt eröffnet worden und
deswegen der Hauptverkehr von meiner vorgeschlagenen Route abgezogen
war, obwohl ich mich als Kenner dieser Gegend ausgegeben hatte. So
mußten wir uns mit dem lokalen Verkehr und dem Weiterkommen in
kleinen Schrittchen begnügen. Oder meine schlechten
Französischkenntnisse. Meine Begleiterin konnte nicht verstehen, wie
man vier Jahre in der Schule Französisch lernen, aber dann nicht
sprechen kann. Das ergab auch sinnlose Umwege in Frankreich und
Belgien.
Und überhaupt: meine Schüchternheit,
Introvertiertheit – auf so einer Reise eher hinderlich. Oft saß
sie beim Fahrer vorne, und ich hinten.
Sogar mir war klar – mit dieser Dame
wird sich nichts abspielen. Ich war ihr schon beim Reisen kein
ebenbürtiger Partner. Die meiste Zeit verhielt ich mich wie ein
gekränktes Kind und zog mich in mich zurück.
Wir übernachteten in Jugendherbergen
und wo wir wann waren, weiß ich nicht mehr. Einmal sagte uns die Rezeptionsdame in einer Jugendherberge in Frankreich, daß wir ohne
weiteres alleine zusammen in einem Raum schlafen könnten, was meine Begleiterin
strikt ablehnte.
Irgendwann auf der Hinfahrt kamen wir
an einem Haus vorbei und ein kleiner Hund bellte uns an. Meine
Begleiterin redete auf den Hund in „Babysprache“ ein, streichelte
ihn und spielte mit ihm.
Und das ist interessant: ich wußte ja
schon, daß ich mich auf dieser Reise wieder unter der Kategorie
„Versager“ abbuchen konnte, aber … ich bin politisch auf der
richtigen Seite. Mein schwindliges politisches Engagement, die
ersten, gerade erlernten marxistischen Stehsätze – zum Beispiel:
„Liebe ist auch nur das Moos auf dem nackten Felsen der Ökonomie“ -
gaben mir genug Arroganz, jetzt, in dieser Sache da mit diesem Hund,
mich in meinem Inneren meiner Begleiterin gegenüber überlegen zu
fühlen: was tut sie da so blöd mit diesem Hund herum! Sie muß es
gespürt haben, denn sie sagte zu mir: „Hast du noch nie Castaneda
gelesen? Da sieht man, daß auch Tiere eine Seele haben!“ Ich denke
noch „so ein Schwachsinn!“ und Castaneda war bei mir als
Kitschautor abgespeichert.
Irgendwann erreichten wir London.
Überfahrt, das alles mußte sie checken. Ich erinnere mich noch an
eine Grenzkontrolle in Belgien – sie wurde stundenlang durchsucht.
Aber irgendwann erreichten wir London.
Wir wohnten in einem Jugendhotel. Sie
blühte hier auf, sie genoß die Stadt, freundete sich mit einem
jungen Mann – ich glaube aus Südamerika – an und durchkämmte
mit ihm die Stadt. Das war ihre Welt: Mode, Popmusik, nette und
interessante Leute kennenlernen, das bunte Leben. Ich machte bei
ihren Touren trotz gelegentlicher Einladung nicht mit. Ich konnte es
mir auch gar nicht so recht leisten. Mein Reisebudget war schon
ziemlich aufgebraucht. Dennoch, hauptsächlich war ich noch immer
beleidigt und bekam so von London nicht viel mit.
Nur, daß es
Kentucky-fried-chicken-Buden gab; dann ein Lokal, in dem ich Bier
trank und wo ich den ersten Mann sah, der sich als Frau kleidete und
verhielt, er arbeitete dort an der Bar und redete im Kreise seiner
Kolleginnen hauptsächlich von Mode, und wo ich draußen am Platz
vor der Tür – das warme Bier nicht gewohnt und betrunken –
mehrmals hinkotzte.
Ein Touristenphotograph übertölpelte
mich noch und lockte mein beinah letztes Geld heraus – ich konnte
gerade noch die bereits getätigte und bezahlte Bestellung zur Hälfte
rückgängig machen. Anscheinend hatte er Mitleid mit mir und gab mir
tatsächlich das halbe Geld zurück. So gibt es ein Photo von mir,
aufgenommen an meinem 21. Geburtstag, wo ich in London mit
verzweifeltem Blick auf der Straße stehe, mit langen Haaren und
langem Bart, im Steiererjopperl, das ich damals unbedingt als
regionale Variante des Maoanzuges ansehen und durchsetzen wollte.
Kurz vor der Abreise drohte meine
Reisebegleiterin, alleine zurückzutrampen, mir war es schon egal,
ich freundete mich mit dem Gedanken an, mich hier in London einfach
untergehen zu lassen. Aber schließlich fuhren wir doch gemeinsam
zurück.
Sie hatte einen Zug gecheckt, wo die
Fahrkarte nicht viel teurer war als das Ticket für die Überfahrt
auf der Fähre über den Kanal, und wenn wir noch ein bißchen
drauflegten und uns die Karte gleich bis Aachen lösten, dann haben
wir schon viel vom Weg hinter uns und Autostop-Reisezeit erspart.
Wir machten es so. Im Zug, der nach
Wien fuhr und dort am Morgen des nächsten Tages ankam, saßen wir
mit einer jungen Frau im Abteil und irgendwie muß ich wieder bei
meiner Lieblingsbeschäftigung gewesen sein, nämlich reden, und so
scherzte ich bereits wieder, es sei doch blöd, aus dem Zug nach
Österreich in Aachen auszusteigen, wir sollten uns hier im Coupé
verstecken und schwarz fahren. Da unter der einen Bank ist ein Platz
und dort oben in der Gepäckablage, die sich über der Abteiltür
befand, über dem Gang vor den Abteilen.
Es
war so: ich hatte das nur im Scherz gesagt, es sollte ein „Witz“
sein, aber meine Begleiterin nahm den Vorschlag ernsthaft und dankbar
an und ich hatte nicht den Mut, nein zu sagen.
Es
war schon dunkel und ab Aachen versteckte sie sich unter der einen
Bank – unter der anderen Bank befand sich eine Eisenverstrebung,
deretwegen man den Platz nicht nutzen konnte. Und so legte ich mich
oben in die Gepäckablage über dem Gang. Die Dame im Abteil, eine
Deutsche, spielte mit und so zogen wir die Vorhänge auch am Fenster
zu, damit sich mein Abbild nicht im Fenster spiegeln konnte und die
deutsche Unterstützerin drehte das Licht ab.
Natürlich
hatte ich Angst. Ich war schon beinahe eingeschlafen und meine linke
Hand war schon etwas heruntergerutscht und befand sich jetzt ganz
nahe beim Lichtschalter, als der Schaffner die Tür aufriss, grüßte,
vielleicht wegen der jungen Dame ganz lässig das Licht aufdrehte,
oder anmachte, nämlich ohne sich dabei zum Schalter umzudrehen,
denn dann hätte er mich gesehen. So verspürte ich lediglich den
Luftzug seiner Handbewegung und ich war mir sicher, jetzt bin ich
ertappt. Nein, er sagte nichts. Knapp, ganz knapp!
Die
nächste Herausforderung kam zu dem Zeitpunkt, als noch eine junge
Dame ins Abteil kam. Sie merkte zunächst nichts. Unserer Supporterin
im Abteil fiel jetzt die unangenehme Aufgabe zu, die Neue
einzuweihen. Nach ein paar Minuten angespannter Stille sagte sie zur
neu Dazugekommenen: „Schauen Sie bitte einmal da nach oben!“ und
zeigte auf mich. „Oh!“, rief die Angesprochene aus und war gleich
begeistert. Nachdem ihr alles erklärt worden war und ihr meine
Begleiterin unter der Bank gezeigt wurde, spielte auch sie mit. Das
war wichtig, denn unsere erste Unterstützerin verließ bald den Zug.
Sie hatte mir noch ihre Adresse gegeben, mit der Bitte, ihr zu
schreiben, wie das Ganze ausgegangen ist. Das tat ich und ich konnte
ein wenig den Helden spielen. Mein Gott, wenn sie gewußt hätte,
welch unfreiwilliger „Held“ ich war!
Abgesprochen
war, daß wir vor der Grenze nach Österreich aussteigen, um der
Grenzkontrolle im Zug zu entkommen. Der Wechsel zwischen sich vor dem
Schaffner verstecken und vor dem Zoll alles auspacken schien auch
meiner mutigen Begleiterin zu riskant.
Als
wir in Regenburg blitzschnell alles zusammenpackten und aussteigen
wollten, tanzte die ganze Zeit über der Schaffner vor unserer
Abteiltür herum, gerade im letzten Augenblick vor der Abfahrt ging
er weg und wir schafften es gerade noch auszusteigen.
Mir
kam der Gedanke, daß er uns doch bemerkt hatte und uns noch etwas
tratzen wollte, aber kann man das glauben, daß er uns schwarz fahren
ließ? Jedenfalls nutze ich diesen nachdenklichen Moment um unseren
beiden Unterstützerinnen im Zug zu danken. Danke! Und danke an den Schaffner! Und ich hänge gleich
an: Danke auch an alle Autofahrer, die uns mitgenommen haben.
Jetzt,
am Bahnhof in Regensburg, war es früher Morgen und noch dunkel. Wir
warteten dort, bis es hell wird. Es gab noch eine Polizeikontrolle,
die wir nur durch die Schlagfertigkeit meiner Begleiterin –
eigentlich war ja ich ihr Begleiter – heil überstanden haben. Und
eine weitere Polizeikontrolle in Österreich, weil wir mit Arabern,
die Autos der Marke Mercedes in den Nahen Osten überstellten,
mitfuhren, wo es kurze Probleme wegen meines bartlosen Paßphotos
gab.
Irgendwann
am Abend waren wir dann in Graz. Wir haben uns dann nie mehr gesehen.
Nur
eine Genossin sprach mich einmal auf diese Reise an, weil der jüngere
Bruder ihres Freundes, wenn ich mich richtig erinnere noch in der
Oberstufe des Gymnasiums, mit dieser jungen Frau - ich glaube nach
Indien - reisen wollte. Sie fragte mich, ob diese Frau weiß, was sie
will und reiseerfahren ist. Nicht ohne Ironie –
ich sollte ein
Gutachten abgeben über Reisetüchtigkeit und Lebenstüchtigkeit
dieser Frau! Ich sagte zu ihr: „Sie ist reiseerfahren und weiß was
sie will. Sie kann mit außergewöhlichen Situationen gut umgehen und
ist sehr selbstsicher. Du mußt dich um den kleinen Bruder deines
Freundes keine Sorgen machen.“
Ich
sagte das aber nicht so schön, wie ich es hergeschrieben habe,
sondern ganz rot im Gesicht, stotternd, abgehackt und nicht in ganzen
Sätzen, verlegen, schamvoll den Blicken ausweichend, denn die
Geschichte war mir furchtbar peinlich.
Nur
mit der Geschichte von der Schwarzfahrt von Aachen nach Regensburg
ging ich öfters hausieren.
Einige
Zeit später, bei einem Geplauder auf irgendeinem Fest oder Treffen,
sagte ein älterer Medizinstudent, ein gebildeter, eloquenter,
rationaler, aufgeklärter Mann, unserer Polittruppe nahestehend, aber
von feinen Umgangsformen, zu dem ich wie zu einem Obergenossen
aufblickte: „heute habe ich wiedereinmal im Castaneda gelesen,“
um dann ganz schwärmerisch hinzuzufügen, „schön! so schön!“
Seine Stimme bekam dabei etwas ganz Weiches, einen Tonfall, wie ich
ihn bei strengen Linksrationalisten nicht erwartet hätte, und den
ich mir gerade erst unter der Überschrift „ausmerzen meiner
klerikaloiden und pfaffenhaften Verhaltensweisen und Ausdrucksformen“
abzugewöhnen versucht hatte.
Das
passte für mich nicht zusammen, dieses Pop-London-Mädchen mit ihrer
Castaneda Schwärmerei und der Obergenosse mit seiner. Dieser
Widerspruch machte mich hellhörig und weckte meine Neugier und ich
speicherte dies irgendwo im Hinterkopf ab.
1977
war ich dann auf einem Ferienalternativcamp am Edersee nahe Kassel.
Ich kam da gerade in den Übergang vom RAF-freundlichen oder schon
etwas kritischerem (Mescalero) Genossentum zur gerade aufkommenden
alternativ-grünen Ideenwelt. Wir sammelten Kräuter, für die Sauna,
für den Tee; wir sammelten Pilze – wobei ich getadelt wurde, weil
ich die Pilze einfach herausriß und nicht abschnitt, wie es sich
gehört, wenn man das Myzel schützen will. Also alles schon richtig
Richtung grün.
Diesen
Tadel konnte ich übrigens schwer wegstecken. Zum einen hörte ich
zum erstenmal von dieser myzelschützenden Methode und zum anderen
fühlte ich mich als Österreicher – bei allem linken Gerede - was
Wandern, Berge, Natur und Schwammerlsuchen betrifft kompetenter als
die „Deutschen“. Ja, soviel Pseudo-Bodenständigkeit, will sagen
Rustikal-Auftrumpferei (jo, mir san ..!) mußte noch sein. Und nur
widerwillig sah ich ein, daß Pilze abschneiden besser ist, als Pilze
ausreißen. Letztlich nahm ich aber die Wende weg von der - was mich betrifft - linksradikalen
Verbalkraftmeierei zum Müsli hin gerne an, es war mir schon längst
nicht mehr alles geheuer.
Auf
diesem Ferienalternativcamp lernte ich eine Frau kennen, alles noch
ganz harmlos. Wir tauschten Adressen aus und blieben in Kontakt.
Bevor sie mich nach Graz besuchen kam, trampte ich zu ihr nach
Heidelberg und stieg den Steigerweg zu dem Haus, in dem ihre
Wohngemeinschaft lebte, hinauf.
Das
war nämlich so: was meine Frauengeschichten oder Nichtgeschichten
betraf, hatte ich größte Angst vor den Männern, hier die Genossen.
Denn gefiel sie ihnen, fürchtete ich, daß sie sie mir „wegnehmen“,
gefiel sie ihnen nicht, daß sie mich verspotteten. Ja, so war's.
Also
in Heidelberg. Sie war etwas irritiert, daß ich gegen unsere
Absprache zu ihr gekommen bin, ich faselte etwas davon, sie zu
überraschen vorgehabt zu haben. Sie war auch anderweitig
„beschäftigt“, nämlich mit ihrem jungen Liebhaber und so hing
ich oft herum in Cafes, schaute mir die Stadt an, stundenlang stand
ich oben auf der Schloßruine und schaute sehnsuchtsvoll ins weite
Land. Oder ich war in ihrem Zimmer, wenn sie bei ihrem Freund war,
und da lag der zweite Band von Castaneda, „Eine andere
Wirklichkeit“.
Eine
andere Wirklichkeit suchte ich dringend, aber es war aus Langeweile
und wegen der Erinnerung an diesen abgespeicherten Widerspruch im
Hinterkopf, daß ich zu dem Büchlein griff und zu lesen begann. Und
ich war schnell fasziniert. Wieder zu Hause in Graz kaufte ich alle
Bücher von Carlos Castaneda, die es gab und las sie ergriffen. Und
es rückte sich in mir etwas zurecht.
Was
Heidelberg betrifft: wir fuhren dann mir ihrer Ente – unangenehm
auch, daß ich keinen Führerschein hatte und nicht einmal ein paar
Meter fahren konnte – nach Italien, das Lieblingsziel der Linken,
die Toscana.
Nein,
nein, nichts passierte, außer ein Abschied in Frust und Tränen bei
ihr und in Frust und Stummheit bei mir. Aber dann auch Stolz, trotzdem einen
ordentlichen Streit und eine ordentliche Trennung zustande gebracht zu haben. Bei so einem
Unternehmen kommt der Charakter mit allem Drum und Dran – und mit
allem, was fehlt - unweigerlich zum Vorschein, gegen alle Rhetorik,
gegen alle Vorspiegelungen.
Es
gibt oder gab da einen deutlichen Unterschied zwischen dem
protestantischen Deutschland und dem katholischen Österreich,
einfach in der Mentalität und in der Wahrnehmung und Deutung der
Wirklichkeit.
Ich
tat mir nämlich bei deutschen Frauen meistens leichter; Bart, lange Haare und
sonst alle Ingredienzien progressiver Weltauffassung, linke Rhetorik
inklusive Wilhelm Reich. Eine deutsche Genossin konnte sich denken –
treu ihrer lutherischen Schulung: sola scriptura – nur das
Geschriebene gilt; oder auch noch das Gesprochene: „ja, klingt gut
der Typ! Interessanter Mann.“
Eine
Österreicherin – ob Genossin oder nicht – hörte die Worte wohl,
aber sie lauschte auch zwischen die Zeilen – „die Stimme, hatte
sie nicht etwas Unsicheres im Unterbau? Und wie er dasteht –
schaut das nicht verlegen und unsicher aus? Nicht gerade sehr
männlich. Und jetzt zögert er herum! Nein, lieber nicht. Wer weiß,
was ich mir da einhandle.“ Und läßt die sich anbahnende
Geschichte, wenn sie milde ist, sanft „auslaufen“. Das Achten auf
das Nonverbale geschieht meistens gar nicht so bewußt; es wird auch
unbewußt der unausgesprochene und nichtsprachliche Anteil der
Wirklichkeit wahrzunehmen versucht.
Nicht
so die deutschen „Freundinnen“, die nahmen mich beim progressiven
Wort und wenn sie dann nach drei Tagen feststellten, daß es doch
nicht so weit her ist mit mir und ich hinter meine Rhetorik
zurückfalle, ja dann kam schon ungeschminkt und gnadenlos: „So 'ne
kaputte Type wie du ist mir auch noch nie untergekommen!“
Ja,
aber danke für den Castaneda! Alle drei, danke!
©Peter
Rumpf 2015 peteraloisrumpf@gmail.com
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